Betrachtung

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Betrachtung - beschauliches Leben.

Im Himmel wird die Beschauung das gemeinsame Leben aller Auserwählten sein, denn alle werden sich der einzigen Anschauung und der einzigen Liebe der ewigen Glorie und Güte erfeuen.

Alle Auserwählten werden also Gott schauen.

Kontemplation

Auge, Herz und Tatkraft

Der Kontemplative beschäftigt sich in der Betrachtung der göttlichen Mysterien, sein Auge versenkt sich in das Innerste der göttlichen Geheimnisse.

Noch sieht er die Erde, auf der er ja noch pilgert, aber auf seiner Laufbahn durch die Geschöpfe hindurch sucht sein Auge nur die Lichtstrahlen des Göttlichen.

Nichts beruhigt, nichts befriedigt ihn, als was ihm von Gott spricht und ihm Gott offenbart; in dem Spiegel der irdischen Dinge

und im Rätsel der Ereignisse sucht er den Abglanz dessen zu erblicken, was er einst am großen Tage der Ewigkeit von Angesicht zu Angesicht zu schauen hofft.

Auch sein Herz konzentriert sich in der alleinigen Liebe dessen, was ewig ist. Gott zu lieben, sich in dieser Liebe zu ergehen,

sich dieser unendlichen Güte aus allen Kräften zu nähren, sich mit ihr zu vereinigen, in ihr die höchste Stufe des übernatürlichen Lebens ist, zu streben: daraufhin ist die ganze Kraft des Herzens gerichtet.

Und seine ganze Tatkraft widmet er Gott, einer Ehre und seinem Dienste.

Was nur immer seine Stimme und seine Hände zu leisten vermögen, wendet er auf, um das Lob Gottes zu singen, seine Feste zu feiern, seine Altäre zu schmücken, zum Glanz seines Kultus beizutragen.

Er ist der Mann der Ehre Gottes, der Religiose im wahren Sinne des Wortes, ist ja die Gottesverehrung das eigentliche Objekt der Religion.

Während so sein ganzes Wesen sich mit Gott beschäftigt, vereinigt er sich mit ihm.

Loslösung von der Welt

Um sich aber zu beschäftigen, hat er erst kündigen, um sich zu vereinigen, erst trennen müssen.

Er hat kündigen müssen der Welt und den weltlichen Dingen.

Er hat sich getrennt mit Leib und Herz und Geist; er hat alles verlassen, was ihn von Gott ferngehalten hätte.

Und tagtäglich bemüht er sich, diese Trennung vollkommener zu machen, um zu einer vollständigeren Vereinigung zu gelangen.

Buße

Seine Bußübungen bezwecken die Losschälung, wie seine Gebetsübungen der Vereinigung.

Und darin besteht sein ganzes Leben, ein Leben der Losschälung und der Vereinigung; Losschälung vom Menschlichen, Vereinigung mit Gott.

Den Menschen fern, nahe bei Gott, und zwar nahe bei Gott zugunsten der Menschen, welche fern von Gott sind.

Vom menschlichen Leben entfernt und teilnehmend am göttlichen Leben, um das göttliche Leben dem menschlichen Leben mitzuteilen.

Von der Erde zum Himmel sich erhebend, um auf der Erde die Erhebung zum Himmel zu fördern.

Kontemplativer Stand

Wir müssen unterscheiden zwischen dem inneren, privaten, persönlichen Zustande einer in der Vereinigung mit Gott befestigten Seele

und dem äußeren, öffentlichen, offiziellen Charakter einer zugunsten der zum beschaulichen Leben berufenen Seelen geschaffenen Instution.

Der innere und persönliche Stand

der Kontemplation besteht in einer Seele, wenn dieselbe, wie wir eben gesehen haben, von der Erde frei, mit allen ihren Fähigkeiten und ihrem ganzen Leben sich mit Gott beschäftigt.

Wenn der Mensch durch die Buße dazu gelangt, dass er sich an Gott hängt,

so dass die göttliche Wahrheit die gewöhnliche Speise seines Geistes, die göttliche Liebe der Hauptdrang seines Herzens, der göttliche Dienst die einzige Beschäftigung seiner Fähigkeiten wird,

wenn die Vereinigung mit Gott seine Fähigkeiten und Neigungen, seine einzelnen Handlungen und Gewohnheiten wegnimmt, aufzehrt und umgestaltet,

wenn die Seele unter der Einwirkung des Heiligen Geistes Licht und Wärme und Kraft empfängt, wenn sie unnahbar geworden ist für die Verlockungen und Drohungen dieser Welt,

wenn die Bande der Materie sich nach und nach lockern, um den Banden der Ewigkeit Platz zu machen, dann befindet sich die Seele im innern Stande der Kontemplation.

Und ist sie darin mehr oder weniger vorangeschritten, je mehr oder weniger das Geheimnis der Vereinigung mit Gott in ihr wirft.

Der äußere, öffentliche Stand

der Kontemplation verwirklicht sich in den Institutionen, welche den Zweck haben, den berufenen Seelen Gelegenheit und die geeigneten Mittel zu bieten, um zu diesem Gipfel zu erlangen.

Die Organisation der beschaulichen Orden beruht ganz und gar auf dieser Aufgabe, die Seelen zur Losschälung und zur Vereinigung zu führen.

Die vielfachen Mittel der Buße bewerkstelligen die Losschälung und die verschiedenen Übungen des Gebetes vermitteln die Vereinigung.

Loslösen von sich selbst

Die Klausur, die Einkleidung, das Stillschweigen, das Fasten, die Abstinenz, die Nachtwachen, die Geißel, die Keuschheit, die Armut und der Gehorsam bemächtigen sich des Ordensmannes, sondern ihn ab, trennen ihn und schälen ihn los von allem und von sich selbst.

Die göttlichen Offizien, die heilige Messe, die Betrachtungen, die Gewissenserforschung, die Lesung, die Ermahnungen, die Andachten, die sich jeden Augenblick wiederholenden frommen Akte jeder Art,

beschäftigen ununterbrochen die Seele und führen sie ein in die Regionen, wo sie mit Gott zusammentrifft.

Also ist demnach mit Rücksicht auf diesen doppelten Zweck angeordnet und indem der Mensch sich dieser Disziplin des Gebetes und der Buße unterwirft und sich zu ihr verpflichtet, tritt er in den Stand der Kontemplation ein.

Damit soll nicht gesagt sein, leider dass alle diejenigen, welche sich dazu verpflichten, in Wirklichkeit zur Kontemplation gelangen.

Nicht alle Kranke, welche dieselbe Kur befolgen, werden wieder gesund; nicht alle Religiosen, welche sich der kontemplativen Lebensordnung unterwerfen, gelangen zur Vollkommenheit der Losschälung und der Vereinigung.

Sonne der Wahrheit

In den Klöstern ist eine reine Himmelslust, da strahlt die Sonne der Wahrheit in herrlichem Glanze; wie wohltuend ist da die Wärme der heiligen Übungen und wie beruhigend die Stille der Einsamkeit.

Sende o Gott, in Deine Häuser Menschen, welche die Vorschriften befolgen und laß sie dort erheben im Glanze des göttlichen Lebens.

Q. Das dreifache Reich Gottes - Impr. 1911