Naechstenliebe

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Die Nächstenliebe

Das Wesen der christlichen Nächstenliebe

Wertschätzung und Hochachtung des Nächsten.

Die wahre Nächstenliebe ist in Gott gegründet und geht von Gott aus. Der Quell und der Gegenstand, der Lehrmeister und der Maßstab, der Beweggrund aller wahren Liebe ist Gott.

Was nicht Gottes ist, von dem weiß auch die Liebe nichts; wo Gott keinen Platz hat, da hat auch die Liebe keinen Raum. Was aber in Gott ist und Gott gehört, das gehört der Liebe. Was Gott liebt, das empfängt auch die Liebe trotz alles Widerstrebens einer verderbten Natur. Was dem Herzen Gottes teuer ist, dem kann auch die Liebe ihr Herz nicht verschließen.

Die wahre Liebe ruht in Gott. Darum liebt sie alles in Gott, alles wie es Gott liebt, alles so, dass sie in allem Gott noch besser lieben lernt (Albert Weiß). So sieht nun die wahre Liebe auch in dem Mitmenschen, wie er aus der Hand Gottes hervorgegangen ist, von Gott an Kindesstatt angenommen und von Jesus Christus erlöst worden ist. Sie schaut ihn an nach seinem wahren Wert, nach dem Wert, den er vor Gott hat; sie erkennt in ihm einen Mitbruder im Reich der Gnade, der denselben Gott zum Vater, denselben Erlöser, denselben Beruf, dieselbe Pilgerreise zur ewigen Heimat hat; ja sie weiß, dass Jesus die Ansprüche, die er auf unsere Liebe hat, sozusagen auf den Nächsten überträgt und alles, was man dem Nächsten tut, so annimmt, als hätte man es ihm getan. Aus dieser Erkenntnis fließt aber jene Ehrfurcht und Hochachtung, die die Liebe dem gläubigen Christen gegen seine Mitmenschen einflößt.

Als aufrichtiges Wohlwollen.

Das wahre Wohlwollen zeigt sich nun aber hauptsächlich in dem aufrichtigen Wunsch und Verlangen, dass es dem Nächsten in jeder Hinsicht wohl ergehe, in der Freude über sein Glück, in dem Mitleid über sein Unglück, in der Bereitwilligkeit, das Wohl des Nächsten nach Kräften zu fördern und seine Not zu lindern, in der Dienstfertigkeit, in einem teilnehmenden, opferwilligen, versöhnlichen Herzen.
Wohlwollen

Die Wurzel des Wohlwollens ist die liebevolle Gesinnung. „Die Liebe denkt nichts Arges“ [1. Kor. 13, 5]. Frei von allem Argwohn, Misstrauen, Vorurteil und jeder Voreingenommenheit, glaubt sie kaum an das Böse, das sie sieht, schlägt fremdes Böse immer niedriger an, entschuldigt die Absicht, wo sie die Handlung nicht entschuldigen kann, ja verschließt gleichsam die Augen vor den Fehlern anderer und öffnet sie nur über die eigenen Fehler. Sie ist eine Todfeindin des vorschnellen und lieblosen Urteiles, das uns Adamskindern leider so nahe liegt. Das Böse allerdings hasst sie und muß es hassen, aber sie liebt dann doch die Person und bewahrt unter jeder Bedingung dem Mitbruder die innere Wertschätzung, die er als Kind des himmlischen Vaters, als Erlöster Jesu Christi, als Miterbe des himmlischen Reiches verdient. So ist es recht, so will es Gott. Damit ist aber auch gesagt, wie sehr sich die christliche Liebe vom Gefühl unterscheidet. Der liebe Gott verlangt nicht, dass wir gegen unsere Mitmenschen eine natürliche Zuneigung hegen wie gegen nahe Verwandte; Gott verlangt auch nicht jene empfindsame Liebe und Anhänglichkeit, die wir gegen treue Freunde und liebevolle Wohltäter haben; Gott fordert auch keineswegs das innerliche wohltuende Gefühl, das in uns erwacht, wenn wir gutgesinnten und edeln Menschen umgehen. Die Liebe besteht nicht im Gefühl, sondern im Willen, d.h. in dem aufrichtigen Wohlwollen, das wir dem Nächsten Gott zuliebe entgegenbringen.

Als tätiges Wohlwollen.

Die Liebe bleibt nicht im Herzen verschlossen, sie äußert sich auch nach außen und sucht in der Tat die höchsten Güter des Nächsten unmittelbar oder mittelbar zu fördern und ihm zur Erreichung seines ewigen Zieles verhilflich zu sein. Die Liebe wendet sich dem ganzen Menschen zu und bewährt sich durch leibliche und geistige Werke der Barmherzigkeit, durch unablässige Sorge für sein zeitliches und ewiges Wohl, aber so, dass sie bei allem stets das Seelenheil des Nächsten im Auge hat. Die Übung dieser Liebe wird beim Jüngsten Gericht ein schweres Gewicht in die Wagschale der Vergeltung werfen.

Eigenschaften der Nächstenliebe

Nicht jede Nächstenliebe ist echt. Auch die Welt kennt eine Nächstenliebe. Aber das, was die Welt unter Nächstenliebe versteht, ist nur eine Maske, ein Zerrbild der christlichen Liebe; und der Unterschied ist so groß wie zwischen einem beseelten Körper und einer Leiche, wie zwischen Tag und Nacht, Licht und Schatten. Die sogenannte Menschenliebe der Weltkinder ist eine Liebe, die nur aus dem Antrieb der Natur enspringt und keine andern Triebfedern ihres Handelns kennt als rein natürliche. Sie sieht an dem Menschen das, was menschlich ist, die äußere Schönheit und Anmut, etwas natürliche Rechtschaffenheit und Herzensgüte; aber sie sieht durchaus nicht das Uebernatuerliche, sie schaut nicht die Gaben und Gnaden, die ihm Gott mitgeteilt, die Vorrechte, mit denen er ihn in eine uebernatuerliche Ordnung versetzt hat; sie weiß nichts und kuemmert sich nicht um den ewigen Beruf des Menschen, weiß nichts von den himmlischen Banden, mit denen uns Christus mit sich und untereinander verbunden hat. Ganz anders sieht die Christliche Naechstenliebe aus. Sie hat folgende Eigenschaften:

Sie ist allgemein.

Wir dürfen keinen Menschen, mag er gut oder bös, Freund oder Feind, ja selbst der widerwärtigste Mensch sein, von unserer Liebe ausschließen. Sowohl das Gebot als der Beweggrund der Liebe erstreckt sich auf alle Menschen, die die Wohltat des irdischen Lebens noch genießen; alle sind das natürliche Ebenbild Gottes, ja auch das uebernatürliche entweder der Wirklichkeit oder doch der Fähigkeit nach, da sie aus Feinden Freunde Gottes werden können; alle sind fähig, durch die Erkenntnis und die Liebe Gottes zu seiner Verherrlichung beizutragen; alle sind zur ewigen Seligkeit berufen. Niemand auch ist so gering, dass er nicht etwas besäße, wodurch er unsere Liebe und Achtung berdiente; und sollte ihm dies auch ermangeln, so ist er selbst doch das Eigentum Gottes und der Preis des Blutes Christi. Darum dürfen wir auch keinen Menschen, ohne zu sündigen, die Liebe versagen.

Sie ist übernatürlich

Die Nächstenliebe ist übernatürlich in ihren Beweggründen und in ihrem Ziel. Sie schöpft, wie wir in der nächsten Unterweisung sehen werden, ihre Beweggründe aus der heiligen Religion, sie geht aus dem Glauben und aus der Liebe zu Gott hervor. Aber auch ihr Ziel ist ewig. Sie hat vor allem und im letzten Grund das Seelenheil des Nächsten im Auge. Die natürliche Nächstenliebe, die aus blos natürlichem Gefühl hervorgeht und das irdische Wohl des Mitmenschen bezweckt, entbehrt des höhern Wertes und artet nur zu leicht in Empfindsamkeit, falsches Mitleid und in andere widerliche Dinge aus. Man denke nur an die unvernünftige Liebe mancher Eltern gegen ihre Kinder. „Wenn jemand einen andern liebt, aber ihn nicht liebt wegen Gott, so hat er die Liebe nicht“ (Hl. Gregor der Große).

Wohlgeordnet.

Dies in dreifacher Hinsicht. In der christlichen Nächstenliebe besteht eine Ordnung, die sich zunächst auf die Personen bezieht, die geliebt werden sollen. Wir müssen alle Menschen in unserer Liebe einschließen und bei vorkommender Gelegenheit jedem auch tatsächlich unsere Liebe beweisen. Die Liebe muß sich also auch über die Sünder und über unsere Feinde erstrecken. Wir lieben in ihnen den Menschen, sofern er ein Ebenbild Gottes und zur ewigen Seligkeit bestimmt ist, aber wir hassen in ihnen die Sünde. Die wohlgeordnete Liebe erfordert dann, dass wir gewisse Klassen von Menschen mehr lieben, nämlich jene, die unserer Hochachtung und unsers Wohlwollens würdiger sind. Dahin gehören die frommen und tugendhaften Menschen; sie werden ja auch von Gott meht geliebt als andere. So liebte Jesus den Lazarus, den Jünger Johannes. Auf unser Wohlwollen haben einen größern Anspruch alle, die durch besondere Bande mit uns näher verbunden sind, als da sind unsere Eltern, Geschwister, Anverwandten, Angehörigen, Hausgenossen, Freunde, Wohltäter, Nachbarn. Die Liebe zu solchen wird daher in der Hl. Schrift besonders eingeschärft, wie die Liebe der Kinder zu den Eltern, der Eheleute untereinander.

Der Apostel ermahnt, allen, vorzüglich aber den Glaubensgenossen, Gutes zu tun.

Ein Vater, der jedem gern hilft, sich an jeglicher Art Wohltätigkeit beteiligt, aber die Sorge für seine Kinder vernachlässigt, besitzt nicht die gottgefällige Liebe, ebenso wenig wie eine Hausfrau, die Arme und Kranke mit großer Freigebigkeit unterstützt, aber ihre Dienstboten unfreundlich und hart behandelt. Endlich ist es der wohlgeordneten Liebe eigen, die tätige Liebe dem vor andern zu erweisen, der sich in einer größern Not befindet.

  • Die größte Not ist dann vorhanden, wenn dem Seelenheil Gefahr droht;
  • darnach ist die größte Not, wenn es sich um das Leben oder die Gesundheit des Nächsten handelt,
  • sodann wenn die Ehre und der gute Name,
  • schließlich, wenn das zeitliche Gut des Nächsten Gefahr leidet.

Nach diesem Gradunterschied bemisst sich die größere oder geringere Sorge, die wir für das geistliche und leibliche Wohl des Nächsten anzuwenden, und der Vorzug, dem wir hierhin dem einen oder dem andern, ja sogar in gewissen Fällen vor uns selbst zu geben haben. (Tappehorn) Damit ist zugleich auf die Güter hingewiesen, die die wohlgeordnete Liebe zu fördern bestrebt ist. Endlich bezieht sich die Ordnung der christlichen Nächstenliebe auf die Art und Weise, wie sie sich bestätigt und wie sie den Nächsten in seiner Not hilft. Die christliche Klugheit wird da entscheiden, was in den einzelnen Fällen rätlich ist, ob z. B. dem Mitmenschen durch Geld oder Nahrungsmittel oder durch Arbeitslohn Hilfe werden soll. Das Hausbuch gibt hierüber viele zeitgemäße Winke. Hier sei nur ein allgemeiner brennender Punkt besprochen.

Fehler

Die meisten Fehler begehen wir alle wohl mit der Zunge, deren wir uns so oft gegen die Liebe und die Ehre des Nächsten schuldig machen: die üblen Nachreden, die freventlichen Urteile, die gehässigen Auslegungen und die Übertreibungen, die lieblosen Scherze, die Sticheleien und die Anspielungen... Ach solange wir nicht ernstlich daran gehen, diese und ähnliche Fehler gründlich zu verbessern, sind wir von der wahren Nächstenliebe noch weit entfernt und haben jedenfalls ein strenges Gericht zu befürchten.

„Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet werden,“ mahnt uns der göttliche Heiland; „ verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt werden“ [Lk 6,37].

Gar ernst schreibt der der sonst so milde hl. Franz von Sales: „ O wie sehr missfallen Gott dem Herrn die frevelhaften Urteile! Vermessen sind die Urteile der Menschenkinder, weil sie einander zu richten kein Recht haben und in die Rechte und das Amt unsers Herrn eingreifen.

Frevelhaft sind sie, weil die Bosheit der Sünde, wegen der man den Nächsten richten will, hauptsächlich von der Meinung und der Absicht des Herzens abhängt, somit für uns ein undurchdringliches Geheimnis ist. Sie sind freventlich, weil jeder schon genug zu tun hat, wenn er sich selbst richtet, ohne sich noch überdies ein Urteil über seinen Nächsten anzumaßen, Beides ist gleich notwendig, dass man andere nicht richte, und dass man sich srelbst richte, wenn wir nicht gerichtet werden wollen; denn der Heiland verbietet das eine und der Apostel befiehlt das andere mit den Worten: „Wenn wir uns selbst richten, so wurden wir nicht gerichtet werden“ [1. Kor. 11, 31]. Aber, o mein Gott, wir tun gerade das Gegenteil; wir richten den Nächsten bei jeder Gelegenheit, was uns verboten ist, uns selbst aber richten wir nicht, obwohl es uns befohlen ist.

Wahre Nächstenliebe

Ganz anders handelt die wahre Nächstenliebe. Sie glaubt nicht leicht dem nächstbesten Erzähler, noch weniger ist sie geneigt, alles gedankenlos weiter zu erzählen.
Treue Pflege

Sie redet über die Mitmenschen stets mir wohlwollen, Achtung, Nachsicht und Schonung. Sie beachtet die schönen Lehren, die uns hierüber der hl. Alfons Liguori erteilt. Dieser Heilige schreibt nämlich: „Sei darauf bedacht, geliebte Seele, von allen Menschen nur Gutes zu reden. Rede von andern, wie du wünschest, dass andere von dir reden. Und wenn der, von dem du redest abwesend ist, so befolge die schöne Regel, die die hl. Magdalena von Pazzis ihren Schwestern gab: „Man soll in Abwesenheit eines andern nichts sagen, was man nicht auch in seiner Gegenwart sagen würde.“ Hörst du daher jemand von andern etwas Böses reden, so heute dich, ihn noch mehr dazu aufzumuntern oder darüber Wohlgefallen zu äußern, denn dadurch würdest du dich derselben Sünde schuldig machen. In solchem Fall musst du entweder den Verleumder zurechtweisen oder das Gespräch abbrechen oder davongehen oder ihm wenigstewns kein Gehör geben... Du musst dann wenigstens durch dein Stillschweigen oder durch eine ernste Miene zu erkennen geben, dass dir ein solches Gespräch missfalle. Betrage dich immer so, dass es in deiner Gegenwart niemand wage, die Ehre anderer anzutasten. Auch verlangt die Nächstenliebe, dass du dich womöglich um die Person, der man Böses nachredet, annehmest, wie uns die Heiligen, namentlich der hl. Franz von Sales, die hl. Theresia und andere so schön durch ihr Beispiel zeigen.“

Tätig und opferwillig

Die wahre Nächstenliebe ist endlich tätig und opferwillig. Sie denkt an das Wort des Herrn: „Alles was ihr immer wollt dass euch die Leute tun, tut ihr ihnen“ [Mt. 7, 12]. Sie kennt die Mahnung des Liebesjüngers: „Meine Kindlein, lasst uns nicht mit Worten noch mit der Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“ [1 Joh. 3, 18]. Die wahre Liebe ist ernstlich bestrebt, dem Nächsten ihr Wohlwollen auch tatsächlich zu erweisen, sich ihm nützlich zu zeigen, so gut sie kann. Die wahre Liebe ist unglücklich, wo sie nicht nützen, bessern, trösten, geben kann. Ihr Auge ist schärfer für fremdes Weh und Bedürfnis als der Blick der Lieblosigkeit für die Schwächen des Nächsten. Ihr Herz fühlt anderer Leid so zart als das der empfindlichsten das eigene. Ihre Hand deckt fremde Blößen mit einer Schonung zu, dass sich der Verwundete oder Beschämte selber keine größere Nachsicht denken kann (Albert Weiß). Die christliche Nächstenliebe ist opferwillig; sie spendet freudig und großmütig Almosen, verzichtet gerne auf körperliche und selbst geistige Annehmlichkeiten und ist zu jedem Opfer bereit, das in ihrer Macht steht. „Wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollkommen“ [1.Joh. 4, 12].

Q: Ill. Hausbuch v. P. Franz Tischler Impr. 13. April 1908

Beweggründe zur Nächstenliebe:

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