Regeln des Hl. Franziskus

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DIE REGEL DES HEILIGEN FRANZISKUS (1223)

Kapitel I

Im Namen des Herrn! Es beginnt die Lebensweise der Minderen Brüder. Regel und Leben der Minderen Brüder ist dieses, nämlich unseres Herrn Jesu Christi heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit. Bruder Franziskus verspricht Gehorsam und Ehrerbietung dem Herrn Papst Honorius und seinen rechtmäßig gewählten Nachfolgern sowie der Römischen Kirche. Und die anderen Brüder sollen verpflichtet sein, dem Bruder Franziskus und seinen Nachfolgern zu gehorchen.

Kapitel II

Von denen, die dieses Leben annehmen wollen und wie sie aufgenommen werden sollen.

Wenn jemand dieses Leben annehmen will und zu unseren Brüdern kommt, sollen diese ihn zu ihren Provinzialministern schicken; diesen allein und sonst niemand sei die Befugnis zugestanden, Brüder aufzunehmen. Die Minister aber sollen sie sorgfältig über den katholischen Glauben und die Sakramente der Kirche prüfen. Und wenn sie dies alles glauben und es treu bekennen und bis ans Ende fest beobachten wollen; und wenn sie keine Ehefrauen haben oder ihre Frauen - falls sie eine haben - auch schon in ein Kloster eingetreten sind oder ihnen nach Ablegung des Gelübdes der Enthaltsamkeit mit Ermächtigung des Diözesanbischofs die Erlaubnis gegeben haben und die Frauen solchen Alters sind, dass kein Verdacht über sie entstehen kann, 5dann sollen die Minister ihnen das Wort des heiligen Evangeliums sagen, dass sie hingehen und all das Ihrige verkaufen (vgl. Mt 19,21) und sich bemühen, es unter die Armen zu verteilen. 6Wenn sie das nicht tun können, genügt ihnen der gute Wille. 7Und die Brüder und ihre Minister sollen sich hüten, sich um deren zeitliche Habe zu kümmern, damit sie ungehindert mit ihrer Habe tun können, was der Herr ihnen eingeben mag. Wenn sie jedoch um Rat ersucht werden, soll es den Ministern erlaubt sein, sie an gottesfürchtige Leute zu verweisen, nach deren Rat ihre Güter an die Armen verteilt werden mögen. 9Danach sollen sie ihnen die Kleidung für die Probezeit gewähren, nämlich zwei Kutten ohne Kapuze und einen Strick und Hosen und einen Kaparon bis zum Gürtelstrick, falls nicht den erwähnten Ministern einmal etwas anderes vor Gott angemessen erscheinen sollte. Ist dann das Probejahr beendet, sollen sie zum' Gehorsam angenommen werden, indem sie versprechen, dieses Leben und diese Regel immer zu befolgen.' Und gemäß der Anordnung des Herrn Papstes soll ihnen unter keinen Umständen erlaubt sein, aus diesem Orden auszutreten, weil nach dem heiligen Evangelium „niemand, der die Hand an den Pflug legt und rückwärts schaut, zum Reiche Gottes tauglich ist (Lk 9,62). Und jene, die den Gehorsam schon versprochen haben, sollen eine Kutte mit Kapuze und, falls sie wollen, eine weitere ohne Kapuze haben. Und die durch Not gezwungen sind, können Schuhwerk tragen. Und alle Brüder sollen geringwertige Kleidung tragen und sie mit Sackleinen und anderen Tuchstücken verstärken können, mit dem Segen Gottes. Ich warne und ermahne sie, jene Leute nicht zu verachten oder zu verurteilen, die sie weiche und farbenfrohe Kleider tragen (vgl. Mt 11.8) und sich auserlesener Speisen und Getränke bedienen sehen, sondern vielmehr soll jeder sich selbst verurteilen und verachten.

Kapitel III

Vom Göttlichen Offizium und vom Fasten, und wie die Brüder durch die Welt ziehen sollen

Die Kleriker sollen das Göttliche Offizium nach der Ordnung der heiligen Kirche von Rom verrichten, den Psalter ausgenommen; darum dürfen sie Breviere haben. Die Laien aber sollen vierundzwanzig Vaterunser beten für die Matutin, für die Laudes fünf, für Prim, Terz, Sext, Non je sieben pro Hore; für die Vesper aber zwölf, für die Komplet sieben; und sie sollen für die Verstorbenen beten. Und sie sollen fasten vom Fest Allerheiligen bis zur Geburt des Herrn. Jene aber, die die heilige vierzigtägige Fastenzeit, die von Epiphanie an ohne Unterbrechung vierzig Tage dauert und die der Herr durch sein heiliges Fasten geweiht hat (vgl. Mt 4,2), freiwillig halten, sollen vom Herrn gesegnet sein; und die nicht wollen, sollen nicht verpflichtet sein. Die andere Fastenzeit bis zur Auferstehung des Herrn sollen sie jedoch halten. Zu anderen Zeiten aber sollen sie nicht zum Fasten gehalten sein, außer am Freitag. Jedoch zur Zeit offensichtlicher Not sollen die Brüder zu leiblichem Fasten nicht gehalten sein. Ich rate aber meinen Brüdern, warne und ermahne sie im Herrn Jesus Christus, dass sie, wenn sie durch die Welt ziehen, nicht streiten, noch sich in Wortgezänk einlassen (vgl. 2 Tim 2,14), noch andere richten. Vielmehr sollen sie milde, friedfertig und bescheiden, sanftmütig und demütig sein und mit allen anständig reden, wie es sich gehört. Und sie dürfen nicht zu Pferd reiten, falls sie nicht durch offenbare Not oder Schwäche gezwungen werden. Welches Haus sie auch betreten, sollen sie zuerst sagen: „Friede diesem Hause“ (Lk 10,5). Und nach dem heiligen Evangelium soll es ihnen erlaubt sein, von allen Speisen zu essen, die ihnen vorgesetzt werden (vgl. Lk 10,8).

Kapitel IV

Dass die Brüder kein Geld annehmen sollen

Ich gebiete allen Brüdern streng, auf keine Weise Münzen oder Geld anzunehmen, weder selbst noch durch eine Mittelsperson. Doch für die Bedürfnisse der Kranken und die Bekleidung der anderen Brüder sollen einzig die Minister und Kustoden mit Hilfe geistlicher Freunde gewissenhaft Sorge tragen je nach Ort und Zeit und kalten Gegenden, so wie sie nach ihrer Ansicht der Not abhelfen können; immer aber mit dem Vorbehalt, dass sie, wie gesagt, Münzen oder Geld nicht annehmen.

Kapitel V

Von der Art zu arbeiten

Jene Brüder, denen der Herr die Gnade gegeben hat, arbeiten zu können, sollen in Treue und Hingabe arbeiten, und zwar so, dass sie den Müßiggang, den Feind der Seele, ausschließen, aber den Geist des heiligen Gebetes und der Hingabe nicht auslöschen, dem die übrigen zeitlichen Dinge dienen müssen. Was aber den Lohn der Arbeit angeht, so mögen sie für sich und ihre Brüder das zum leiblichen Unterhalt Notwendige annehmen, außer Münzen oder Geld; und dies demütig, wie es sich für Knechte Gottes und Anhänger der heiligsten Armut geziemt.

Kapitel VI

Dass die Brüder nichts als ihr Eigentum erwerben dürfen, sowie vom Bitten um Almosen und von den kranken Brüdern

Die Brüder sollen sich nichts aneignen, weder Haus noch Ort noch sonst eine Sache. Und gleichwie Pilger und Fremdlinge (vgl. 1 Petr 2,11) in dieser Welt, die dem Herrn in Armut und Demut dienen, mögen sie voll Vertrauen um Almosen bitten gehen 3und sollen sich dabei nicht schämen, weil der Herr sich für uns in dieser Welt arm gemacht hat (vgl. 3 Kor 8,9).

Dies ist jene Erhabenheit der höchsten Armut,

die euch, meine geliebtesten Brüder, zu Erben und Königen des Himmelreiches eingesetzt, an Dingen arm, aber an Tugenden reich gemacht hat (vgl. Jak 2,5). Diese soll euer Anteil sein, der hinführt ins Land der Lebenden (vgl. Ps 141,6). Ihr ganz und gar anhängend, geliebteste Brüder, trachtet danach, um des Namens unseres Herrn Jesu Christi willen auf immer unter dem Himmel nichts anderes besitzen zu wollen! Und wo immer die Brüder sind und sich treffen, sollen sie sich einander als Hausgenossen erzeigen. Und zuversichtlich soll einer dem anderen seine Not offenbaren; denn wenn schon eine Mutter ihren leiblichen Sohn nährt und liebt (vgl. 1 Thess 2,7), um wie viel sorgfältiger muss einer seinen geistlichen Bruder lieben und nähren? Und wenn einer von ihnen in Krankheit fällt, dann müssen die anderen Brüder ihm so dienen, wie sie selbst bedient sein wollten (vgl. Mt 7,12).

Kapitel VII

Von der Buße, die sündigen Brüdern auferlegt werden soll

Wenn Brüder auf Anreiz des bösen Feindes tödlich sündigen und es sich um solche Sünden handelt, für die unter den Brüdern verordnet ist, dass man sich allein an die Provinzialminister wende, sollen diese Brüder sich an sie wenden, sobald sie können, ohne Verzug. Die Minister ihrerseits sollen, wenn sie Priester sind, ihnen mit Erbarmen eine Buße auferlegen; wenn sie aber nicht Priester sind, sollen sie die Buße durch andere Priester des Ordens auferlegen lassen, wie es ihnen vor Gott am besten scheint. Und sie müssen sich hüten, wegen der Sünde, die jemand begangen hat, zornig und aufgeregt zu werden; denn Zorn und Aufregung verhindern in ihnen selbst und in den anderen die Liebe.

Kapitel VIII

Von der Wahl des Generalministers dieser Bruderschaft und vom Pfingstkapitel

Die Brüder in ihrer Gesamtheit sollen gehalten sein, immer einen von den Brüdern dieses Ordens als Generalminister und Diener der gesamten Bruderschaft zu haben, und sollen fest verpflichtet sein, ihm zu gehorchen. Wenn er stirbt, so werde die Wahl des Nachfolgers von den Provinzialministern und Kustoden auf dem Pfingstkapitel durchgeführt, zu dem die Provinzialminister stets dort zusammenkommen sollen, wo es der Generalminister festgelegt hat; und das einmal in drei Jahren oder zu einem anderen, späteren oder früheren Zeitpunkt, so wie es der genannte Minister verordnen wird. Und sollte es jemals der Gesamtheit der Provinzialminister und Kustoden scheinen, der erwähnte Minister sei zum Dienst und gemeinsamen Wohl der Brüder unzureichend, dann sollen die genannten Brüder, denen die Wahl zusteht, gehalten sein, sich im Namen des Herrn einen anderen zum Hüter zu wählen. Nach dem Pfingstkapitel aber können die einzelnen Minister und Kustoden, wenn sie wollen und es für nützlich erachten, noch im gleichen Jahre ihre Brüder in ihren Kustodien einmal zum Kapitel zusammenrufen.

Kapitel IX

Von den Predigern

Die Brüder dürfen im Bistum eines Bischofs nicht predigen, wenn es ihnen von diesem untersagt worden ist. Und keiner der Brüder soll es jemals wagen, dem Volke zu predigen, wenn er nicht vorher vom Generalminister dieser Bruderschaft geprüft und bestätigt und ihm von diesem das Predigtamt gewährt worden ist. Ich warne auch und ermahne diese Brüder, dass in der Predigt, die sie halten, ihre Worte wohlbedacht und lauter sein sollen (vgl. Ps 12,7; 18,31), zum Nutzen und zur Erbauung des Volkes, indem sie zu ihnen sprechen von den Lastern und Tugenden, von der Strafe und Herrlichkeit, und dies mit kurzen Worten, weil der Herr auf Erden sein Wort kurz gefasst hat (vgl. Röm 9,28).

Kapitel X

Von der Ermahnung und Zurechtweisung der Brüder

Jene Brüder, die Minister und Diener der anderen Brüder sind, sollen ihre Brüder aufsuchen und ermahnen und sie in Demut und Liebe zurechtweisen, ohne ihnen etwas zu befehlen, was gegen ihre Seele und unsere Regel wäre. Die Brüder aber, die Untergebene sind, sollen beherzigen, dass sie um Gottes willen dem eigenen Willen entsagt haben. Daher gebiete ich ihnen streng, dass sie ihren Ministern in allem gehorchen, was sie zu halten dem Herrn versprochen haben und was nicht ihrer Seele und unserer Regel zuwider ist. Und falls irgendwo Brüder sind, die wissen und erkennen sollten, dass sie die Regel nicht geistlich beobachten können, dann sollen und können sie zu ihren Ministern Zuflucht nehmen. Die Minister aber sollen sie liebevoll und gütig aufnehmen und ihnen mit so großer Herzlichkeit begegnen, dass sie mit ihnen reden und tun können wie Herren mit ihren Knechten. Denn so soll es sein, dass die Minister die Knechte aller Brüder sind. Ich warne aber und ermahne im Herrn Jesus Christus, dass die Brüder sich hüten mögen vor allem Stolz, eitlem Ruhm, Neid, Habsucht (vgl. Lk 12,15), der Sorge und dem geschäftigen Treiben dieser Welt (vgl. Mt 13,22), vor Verleumden und Murren; und die von den Wissenschaften keine Kenntnis haben, sollen nicht danach trachten, Wissenschaften zu erlernen. Vielmehr sollen sie darauf achten, dass sie über alles verlangen müssen, den Geist des Herrn zu haben und sein heiliges Wirken, immer zu Gott zu beten mit reinem Herzen, Demut zu haben, Geduld in Verfolgung und Krankheit und jene zu lieben, die uns verfolgen und tadeln und beschuldigen; denn der Herr sagt: „Liebt eure Feinde und betet für jene, die euch verfolgen und verleumden“ (Mt 5,44). „Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich“ (Mt 5,10). „Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden“ (Mt 10,22).

Kapitel XI

Dass die Brüder die Klöster der Nonnen nicht betreten sollen

Ich befehle streng allen Brüdern, keine verdächtigen Beziehungen oder Beratungen mit Frauen zu haben und die Klöster der Nonnen nicht zu betreten, jene Brüder ausgenommen, denen vom Apostolischen Stuhl eine besondere Erlaubnis erteilt worden ist. Auch sollen sie keine Patenstelle bei Männern oder Frauen übernehmen, damit nicht bei solcher Gelegenheit unter den Brüdern oder durch die Brüder ein Ärgernis entsteht.

Kapitel XII

Von denen, die unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen Jene Brüder, die auf göttliche Eingebung hin unter die Sarazenen oder andere Ungläubige gehen wollen, sollen dazu von ihren Provinzialministern die Erlaubnis erbitten. Die Minister aber sollen nur denen die Erlaubnis zu gehen erteilen, die sie für die Mission tauglich erachten. Außerdem verpflichte ich die Minister im Gehorsam, vom Herrn Papst einen aus den Kardinälen der heiligen Römischen Kirche zu erbitten, der diese Bruderschaft lenke, in Schutz und in Zucht nehme, auf dass wir, allezeit den Füßen dieser heiligen Kirche untertan und unterworfen, feststehend im katholischen Glauben (vgl. Kol 1,23), die Armut und Demut und das heilige Evangelium unseres Herrn Jesus Christus beobachten, was wir fest versprochen haben.

Qelle:

St. Franziskus