Vinzenz von Paul: Unterschied zwischen den Versionen
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Endlich erschien der günstige Augenblick zur Flucht. Unter dem Vorwande des Fischens bestieg der Renegat Mericourt mit Zulma und Vinzenz ein kleines Schifflein und steuerte Frankreich zu. Die Fahrt auf dem Meere war aber höchst gefahrvoll; öfters drohte die vom Sturme gepeitschten Wellen das Schifflein zu verschlingen. Allein Vinzenz setzte sein Vertrauen auf Gott, der Wind und Wellen gebietet, und sein Vertrauen wurde nicht zu Schanden. Nach drei stürmlichen Tagen der Fahrt landeten sie glücklich an Frankreichs heimatlichen Ufer. Das Erste, was die drei Reisenden taten, war, daß Sie auf die Knie stürzten und Gott für Ihre wunderbare Rettung dankten. Als dann begaben sie sich nach der Stadt Avignon und Vinzenz führte dort seinen bisherigen Herrn mit dessen Weibe Zulma zum Bischof und bat für sie um Aufnahme im Schoß der katholischen Kirche. Mit Rührung und Erstaunen vernahm der Prälat die Erzählung des jungen Priesters Vinzenz üner seine Erlebnisse, umarmte ihn herzlich und versprach ihm seinen Schutz und Beistand. Mericourt wurde vom Kirchenbanne befreit und wegen seiner tiefen Reue und Bußfertigkeit wieder in die Kirche aufgenommen. Zulma wurde getauft und ihrem Manne kirchlich angetraut. Überall in der Stadt und Umgegend wurde nun Vinzenzens Name genannt und sein Schicksal, sowie die Rettung zweier Seelen durch seinen Hilfe erzählt. Er aber schrieb in seiner Demut alle Ehre Gott zu und noch jetzt zeigt man einen Brief von seiner Hand, welchen er an seinen früheren Zögling geschrieben hat und in welchem er von seinen Strapazen wenig, aber desto mehr von dem wunderbaren Walten der heiligen Vorsehung Gottes erwähnt. | Endlich erschien der günstige Augenblick zur Flucht. Unter dem Vorwande des Fischens bestieg der Renegat Mericourt mit Zulma und Vinzenz ein kleines Schifflein und steuerte Frankreich zu. Die Fahrt auf dem Meere war aber höchst gefahrvoll; öfters drohte die vom Sturme gepeitschten Wellen das Schifflein zu verschlingen. Allein Vinzenz setzte sein Vertrauen auf Gott, der Wind und Wellen gebietet, und sein Vertrauen wurde nicht zu Schanden. Nach drei stürmlichen Tagen der Fahrt landeten sie glücklich an Frankreichs heimatlichen Ufer. Das Erste, was die drei Reisenden taten, war, daß Sie auf die Knie stürzten und Gott für Ihre wunderbare Rettung dankten. Als dann begaben sie sich nach der Stadt Avignon und Vinzenz führte dort seinen bisherigen Herrn mit dessen Weibe Zulma zum Bischof und bat für sie um Aufnahme im Schoß der katholischen Kirche. Mit Rührung und Erstaunen vernahm der Prälat die Erzählung des jungen Priesters Vinzenz üner seine Erlebnisse, umarmte ihn herzlich und versprach ihm seinen Schutz und Beistand. Mericourt wurde vom Kirchenbanne befreit und wegen seiner tiefen Reue und Bußfertigkeit wieder in die Kirche aufgenommen. Zulma wurde getauft und ihrem Manne kirchlich angetraut. Überall in der Stadt und Umgegend wurde nun Vinzenzens Name genannt und sein Schicksal, sowie die Rettung zweier Seelen durch seinen Hilfe erzählt. Er aber schrieb in seiner Demut alle Ehre Gott zu und noch jetzt zeigt man einen Brief von seiner Hand, welchen er an seinen früheren Zögling geschrieben hat und in welchem er von seinen Strapazen wenig, aber desto mehr von dem wunderbaren Walten der heiligen Vorsehung Gottes erwähnt. | ||
'''So machen es alle Heilige; von sich sagen sie wenig oder nichts, aber alle Ehre geben sie Gott dem Herrn. Vinzenz war aber von Gott berufen, ein Heiliger zu werden.''' | |||
Nach einem kurzen Aufenthalte in der Stadt Avignon nahm Vinzenz Abschied von Mericourt und Zulma und reiste mit dem Erzbischof nach Rom. Wie sehr freute es Vinzenz, die ewige Stadt zu sehen und dort gleichsam unter den Augen des heiligen Vaters aus den Quellen der Wissenschaft der Heiligen zu Schöpfen. Mit inniger Andacht betete er oft am Grabe der heiligen Apostel Petrus und Paulus, und nicht selten stieg er in die Tiefe der Erde zu den Gräbern der heiligen Märtyrer hinab, um sich dort lebendigen Glauben und Mut und Stärke zum Kampfe gegen alles Unheilige zu holen. Mit heißer Sehnsucht benetzte er oft den Boden, auf dem so viele Heilige gewandelt, geduldet und vollendet hatten. | Nach einem kurzen Aufenthalte in der Stadt Avignon nahm Vinzenz Abschied von Mericourt und Zulma und reiste mit dem Erzbischof nach Rom. Wie sehr freute es Vinzenz, die ewige Stadt zu sehen und dort gleichsam unter den Augen des heiligen Vaters aus den Quellen der Wissenschaft der Heiligen zu Schöpfen. Mit inniger Andacht betete er oft am Grabe der heiligen Apostel Petrus und Paulus, und nicht selten stieg er in die Tiefe der Erde zu den Gräbern der heiligen Märtyrer hinab, um sich dort lebendigen Glauben und Mut und Stärke zum Kampfe gegen alles Unheilige zu holen. Mit heißer Sehnsucht benetzte er oft den Boden, auf dem so viele Heilige gewandelt, geduldet und vollendet hatten. | ||
Version vom 29. Mai 2010, 19:04 Uhr
Geburtstag
geboren am 24. April 1581 in Pouy
Todes- und Gedenktag
Der heilige Vinzenz von Paul wurde am 27. September 1660 zu Gott gerufen und an diesem Tag ist auch sein katholischer Gedenktag.
Vorwort
Jesus Christus hat zum Heile der Welt die katholische Kirche gestiftet. Er hat ihr ewige Dauer, aber auch Verfolgungen voraus verkündet, und was er voraussagte, ist eingetroffen. Kein Jahrhundert ist abgelaufen, wo nicht die katholische Kirche mit Feinden gekämpft hat, aber immer hatte ihr Jesus zur rechten Zeit Hilfe gesendet. Die schrecklichste Gefahr drohte der heiligen Kirche vor dreihundert Jahren. Die gottlose Irrlehre Luthers und Kalvins hatte das Volk in Deutschland und Frankreich verwirrt und Tausende in die Finsternis des Irrglaubens gestürzt. Die Einheit des Glaubens war zerrissen, das Feuer der Zwietracht und des Aufruhrs, von der Hölle angefacht, brach in helle Flammen aus und Deutschland und Frankreich standen am Rande des Verderbens. Die Feinde der Wahrheit, die Anhänger des Irrtums, nachdem sie lange genug mit Worten gestritten, geschmäht und gehöhnt hatte, griffen auch noch zum Schwerte und Mord, Brand und Verwüstung durchzog die Länder.
In Frankreich herrschte Bürger- und Religionskrieg zugleich; überall floß Blut und wie immer, stellte sich auch mit dem Kriege Pest und Hungersnot ein. Ganze Landesstrecken, auf denen vorher blühende Städte und Dörfer gestanden, waren zur Einöde geworden, und wo früher Menschen ruhig Ihres Weges wandelten, da hausten jetzt Wölfe oder zogen Haufen wilder Kriegsknechte. Soweit war die Not und das Elend gediehen, das die Menschen wie die Tiere Gras und Wurzeln der Kräuter verzehrten, dass sie das verfaulte Fleisch der Leichen aßen und Mütter sogar Ihre Kinder schlachteten, um Ihren Hunger zu stillen. In dieser allgemeinen Verwilderung war fast alle Erkenntnis Gottes aus den Herzen gewichen, alle Bande der Zucht und Ordnung waren gelöst, entsetzliche Laster und Verbrechen entehrten die Menschheit. Was aber das Maß des Verderbens voll machte, war die Entartung der Geistlichkeit. Die Priester waren meistenteils weltlich geworden, sie hatten ihres erhabenen Berufes vergessen und vermochten nicht mehr die schrecklichen Übel zu steuern, die sie selbst mit hervorgerufen hatten.
In dieser schauervollen Lage, in welcher sich damals die katholische Kirche in Frankreich befand, hatte Jesus, der seine Kirche nie verläßt, von seinem erhabenen Throne seinen Blick auf ein armes kleines Dörfchen, Pouy mit Namen, geworfen und dort sich ein Kind ausgewählt, durch welches er seiner verwüsteten Kirche Hilfe senden wollte.
Das Leben des hl. Vinzenz von Paul
Dieses Kind war Vinzenz von Paul. Sein Vater war ein einfacher Bauersmann, der auf seinem geringen Gute ein Weib und sechs Kinder kümmerlich ernähren mußte. Sein ganzer Reichtum bestand in einigen Feldern und einer kleinen Viehherde, welche der kleine Vinzenz weiden mußte. War auch Wilhelm von Paul, so hieß der Vater von Vinzenz, arm an Gütern der Erde, so war er hoch reich an Gottesfurcht, Barmherzigkeit und Zufriedenheit, und nichts lag ihm mit seinem frommen Weibe mehr am Herzen, als die christliche Erziehung seiner Kinder. Der kleine Vinzenz wuchs unter Ihren Augen wie ein Engel empor; er hütete fleißig und gerne seine Schafe, und die Blumen und Bäume, die erhabenen Berge und einsamen Täler und Schluchten, die rieselnden Bächlein und dunklen Wälder und mannigfaltigen Tiere waren für Ihn ein offenes Buch, in welchem er die Allmacht, Weisheit, Güte und Liebe des himmlische Vaters betrachtete. Besonders gerne trieb er seine Schafe in eine tiefe Bergschlucht, wo unter schattigen Bäumen eine Muttergottes-Kapelle ruhte, im Gebete, dort sang er mit heller Stimme der heiligen Jungfrau zu Ehren schöne Lieder, und wo er schönen Blumen auf den Fluren fand, die brachte er gewiß seiner lieben Mutter, um Ihr Bild und Ihren Altar zu schmücken. Diese kindliche Liebe und Verehrung zur gnadenvollen Himmelsmutter legte auch den Grund zu seiner Heiligkeit.
Früh schon bemerkte man an Vinzenz eine innige Liebe zu den Armen. Das Elend und die Not derselben rührte ihn stets aufs Tiefste und er sparte und barbte, um Ihnen helfen zu können. Einmal gab er einem Armen all sein erspartes Geld, ohne nur einen Kreuzer zurück zu behalten und einmal, da er einen Sack Mehl von der Mühle abholen mußte, und einige Bettler ihm begegneten, öffnete er den Sack und gab Ihnen Mehl in der Voraussicht, das sein Vater, der ebenfalls sehr mildtätig war, nichts dagegen einweden werde.
In seinem zwölften Jahre empfing er die erste heilige Kommunion. Vinzenz jubelte vor Freude und Dank gegen Gott, um die ganze Welt hätte er diese Gnade nicht hingegeben. Von dieser Zeit an lebte Vinzenz noch eingezogener und da er viel Verstand und Eifer zum Lernen zeigte, so verfiel sein Vater auf den Gedanken, ihn, wie er sagte einen geistlichen Herrn werden zu lassen. Vinzenz sollte also studieren. Der gute Vater meinte, wie so viele andere unkluge Eltern, wenn Vinzenz sein Ziel erreicht, und ein Geistlicher würde, so könne er seine Geschwister einst unterstützen. Er dachte nicht daran, daß der Geistliche nicht für Eltern und Geschwister leben und seine Einkünfte für sie blos verwenden darf. Der Geistliche gehört Gott, und seiner heiligen Kirche ganz und gar an, und sein Einkommen ist Eigentum der Kirche und der Armen. Doch der Vater des Vinzenz verstand es nicht besser und da ihm auch die Verwandten zuredeten, er solle es mit seinem Sohne versuchen, so zog er eines Tages sein Ackerpferd aus dem Stalle, setzte den jungen Vinzenz hinter sich darauf und ritt mit ihm in die Stadt Aigs. Vinzenz war hierüber voll Freude und dankte Gott im Stillen für diese Gnade. Bei dem Franziskanerkloster der Stadt hielt der Vater das Pferd an, stieg ab und führte den kleinen Vinzenz zum Guardian, der an dem offenen Gesichte des bescheidenen Knaben Gefallen fand und ihn gegen ein billiges Kostgeld unter seine Zöglinge aufnahm.
Nun besuchte Vinzenz die Klosterschule und er erwarb sich durch seinen Fleiß bald so viele Kenntnisse, daß er schon mit 16 Jahren bei einem vornehmen Herrn eine Hauslehrerstelle übernehmen konnte und seinen Eltern keine Kosten mehr machte. Fünf Jahre blieb er Hauslehrer und erwarb sich in dieser Zeit die Liebe und Achtung seines Herrn in hohem Grade. Er hatte nun die niederen Studien vollendet und bereits schon die ersten geistlichen Weihen empfangen, jetzt sollte er eine Hochschule besuchen. Aber woher Geld nehmen? Sein Vater, der mit Freuden die Fortschritte seines Sohnes wahrgenommen hatte, wollte ihn nicht stecken lassen, so hart es ihm auch ankam. Er verkaufte seine Ochsen vom Pfluge weg und mit dem erlösten Gelde wanderte nun Vinzenz nach Toulouse auf die Universität, wo es ihm recht hart ging. Er studierte fleißig, mußte aber dabei bittere Not leiden. Oft hatte er zu seiner Nahrung nichts als ein Stück hartes Brot und ein Glas Wasser. Allein, er ließ den Mut nicht sinken; er betete, hungerte, litt Kälte und Mangel, nur um sein Ziel zu erreichen; ja er besuchte sogar die Hochschule zu Saragossa in Spanien, um sich nur recht auszubilden.
Endlich erhielt er nach vielen Mühen und Entbehrungen im Jahre 1600 die heilige Priesterweihe. Vor heiliger Ehrfurcht zitternd, getraute er sich nicht, sein erstes heiliges Opfer öffentlich zu feiern. Zu einer abgelegenen Kapelle und bloß im Beisein eines Priesters und Ministranten las er, am ganzen Leibe zitternd, seine erste heilige Messe und er sagte später öfters: "Wäre ich nicht schon in meiner Jugend Priester geworden, ich hätte mich nie dazu entschließen können, es zu werden."
Vinzenz begab sich nun in seine Heimat zurück. Wie freute sich da der gute Vater über seinen Sohn, den er als Priester vor sich sah, wie weinte die fromme Mutter, als sie zum ersten Mal Ihren Sohn am Altare erblickte! Doch der Vater sollte diese Freude nicht lange genießen, er starb bald darauf und Vinzenz, dem eine Pfarrei angetragen war, wollte sich dahin begeben, als ein Mitbewerber auftrat, dem er, um Streit zu vermeiden, dieselbe überließ. Er ging nach Toulouse, wo er seine Studien fortsetzte und sich mit der Erziehung adeliger Jünglingen fortbrachte. Bald hatte er es in den Wissenschaften so weit gebracht, dass ihm die Erlaubis erteilt wurde, öffentlich Vorlesungen über einen Teil der heiligen Schrift zu halten; Allein Vinzenz verbarg seine Gelehrsamheit, es war ihm vielmehr eine Freude, für einfältig und ungelehrt gehalten zu werden; nur wenn es die Liebe des Nächsten erforderte, machte er von seinen reichen Kenntnissen Gebrauch.
Gott hatte Vinzenz zu großen Dingen ausersehen; er wollte ihn daher auch durch mancherlei harte Prüfungen wie das Gold im Feuerofen dazu bereiten und führte ihn deshalb gar eigentümliche Wege. Während die Freunde des Heiligen sich bemühten, ihn sogar zur bischöflichen Würde zu erheben, gefiel es Gott, ihn in das tiefste Elend fallen zu lassen.
Eines Tage fuhr Vinzenz zu Schiffe nach Marseille, um dort eine kleine Erbschaft zu erheben, welche ihm ein Freund zugedacht hatte. Das Meer war ruhig, das Wetter heiter, alle Reisenden auf dem Schiffe überließen sich der sorglosesten Ruhe; da erschienen plötzlich drei Raubschiffe aus Tunis, welche das Schiff, auf dem sich Vinzenz befand, wütend angriffen. Die Matrosen verteidigten sich tapfer, aber endlich mußten sie sich ergeben, und die Türken nahmen das Schiff in Besitz. Vinzenz war durch einen Pfeilschuß verwundet und mit den übrigen Schiffsgenossen in Ketten gelegt und eingesperrt worden, um später als Sklave verkauft zu werden.
Nach einigen Tagen landeten die Seeräuber in Tunis. Hier wurden die Gefangenen sogleich auf den Sklavenmarkt geschleppt und zum Verkaufe ausgestellt. - Vinzenz wurde von einen Fischer gekauft, der ihn an einen Arzt verhandelte. Bei diesem, der ihn zum Abfall vom Glauben verlocken wollte, aber es nicht vermochte, blieb er elf Monate und kam dann in die Hände eines Renegaten oder Abtrünnigen. Dieser Mann war ein geborener Franzose, Namens Ludwig von Mericourt. Er wurde ebenfalls auf dem Meere von Seeräubern gefangen und in Tunis als Sklave verkauft. Er wollte mit einer Sklavin entfliehen, wurde aber ergriffen und zum Tode verurteilt, jedoch unter der Bedingung begnadigt, wenn er den christlichen Glauben verleugnen und Mohammedaner werden würde. Auch bot man ihm die Skalvin als Weibe an, wenn er abfallen würde. Aus Furcht vor dem Tode und Liebe zur Sklavin beging er wirklich die entsetzliche Sünde und schwur seinen Glauben ab. Zu diesem Manne nun kam Vinzenz, er sandte ihn sogleich auf sein Landgut, Temat genannt, damit er dort mit anderen Sklaven das Land bebaue. Hier arbeitete nun Vinzenz ganz ergeben in den Willen Gottes unverdrossen im Schweisse seines Angesichtes, ohne Hoffnung auf Befreiung. Allein Gottes Auge wachte über ihn, und seine Hand, die ihn in dieses Elend gestossen, führte ihn wieder heraus.
Eine der Frauen des Renegaten, eine Türkin, mit Namen Zulma, besuchte öfters die Pachthöfe Ihres Mannes, um nachzusehen. Als Sie einst in das Lemat kam, wo Vinzenz arbeitete, hörte sie von Ferne den neuen Sklaven christliche Lieder singen. Der Gesang aus der Tiefe eines frommen, gottergebenen Herzens bewegte wunderbar das Gemüt der türkischen Frau. Sie ließ sich aber nichts anmerken und besichtigte wie gewöhnlich die Arbeiten auf dem Landgute. Wie erstaunde sie aber, als sie den guten Zustand deselben und die große Ordung und den stillen Frieden unter den Sklaven sah. Bewundert fragte sie die Haushälterin der Sklaven hierüber und diese antwortete: "Seitdem Vinzenz, der Christ, hier weilt, ist das so geworden. Er ist Priester und die Sklaven halten ihn für eine Propheten, sie gehorchen und verehren ihn," Julma, begierig diesen Mann zu sehen, berief ihn zu sich, und bat ihn, ihr von seinen schönen Lieder vorzusingen. Vinzenz, voll Wehmut, gedachte der Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft, die vor Trauer nicht singen wollten; doch bald überwand er seinen Widerwillen und sang nun mit klarer Stimme und Tränen in den Augen die Worte des Psalmes 136: "Bei Babylons Flüssen saßen wir und weinten, wenn wir Sions gedachten." und schloß dann seinen Gesang mit dem lieblichen Lobliede: "Salve Regina". Als er geendet hatte, fragte ihn Zulma tief ergriffen: "Wie machst Du es, Friede unter diesen streitenden Menschen zu halten?" Vinzenz entgegnete: "Ich lege ihnen täglich die Lehre unseres Erlösers ans Herz: Was du nicht willst, das man Dir tue, das füge auch keinem Anderen zu." Wunderbar hatte der Gesang und die Rede Vinzenzens Zulmas Herz ergriffen; ein Strahl der göttlichen Gnade traf Ihre Seele und von nun an ging sie öfters auf das Landgut, um mit Vinzenz über die Religion Jesu zu sprechen und den Gott der Christen kennen zu lernen.
Als sie sich endlich hinlänglich unterrichtet glaubte, entdeckte sie ihrem Manne, wie sie schon längere Zeit mit einem christlichen Priester über seine Religion rede und wie sehr sie davon gerührt sei. Hierauf forderte sie ihren Mann, der darüber erstaunte, auf, wieder zur Religion seiner Väter zurückzukehren, denn auch sie sei entschlossen, Christin zu werden. Der Renegat war von den Worten seiner türkischen Gemahlin ganz betroffen; in seinem Herzen brach endlich das lange unterdrückte Verlangen, sich nun wieder mit Gott zu versöhnen und den heiligen Glauben, den er abgeschworen, wieder zu bekennen, mit Macht hervor, und er sann von nun an auf Mittel, um nach Frankreich zu entfliehen.
Am folgenden Tage ließ er Vinzenz zu sich kommen und eröffneten ihm seinen Entschluss, wieder Christ zu werden und nach Frankreich zu fliehen. Wer kann wohl die Freude beschreiben, die das Herz des heiligen Mannes bewegte, als er dies hörte. Dankend blickte er zum Himmel auf, von woher diese unerwartete Gnade und Hilfe kam und suchte durch die freundlichsten Worte den Renegaten in seinem Entschlusse zu bestärken. Es wurde nun alles zur Flucht verabredet, aber erst nach zehn Monaten konnte das Vorhaben ausgeführt werden. Diese Zeit benützte nun Vinzenz, um die gute Zulma im christlichen Glauben noch gründlicher zu unterrichten und die Bekehrung des Renegaten lebendig zu erhalten.
Endlich erschien der günstige Augenblick zur Flucht. Unter dem Vorwande des Fischens bestieg der Renegat Mericourt mit Zulma und Vinzenz ein kleines Schifflein und steuerte Frankreich zu. Die Fahrt auf dem Meere war aber höchst gefahrvoll; öfters drohte die vom Sturme gepeitschten Wellen das Schifflein zu verschlingen. Allein Vinzenz setzte sein Vertrauen auf Gott, der Wind und Wellen gebietet, und sein Vertrauen wurde nicht zu Schanden. Nach drei stürmlichen Tagen der Fahrt landeten sie glücklich an Frankreichs heimatlichen Ufer. Das Erste, was die drei Reisenden taten, war, daß Sie auf die Knie stürzten und Gott für Ihre wunderbare Rettung dankten. Als dann begaben sie sich nach der Stadt Avignon und Vinzenz führte dort seinen bisherigen Herrn mit dessen Weibe Zulma zum Bischof und bat für sie um Aufnahme im Schoß der katholischen Kirche. Mit Rührung und Erstaunen vernahm der Prälat die Erzählung des jungen Priesters Vinzenz üner seine Erlebnisse, umarmte ihn herzlich und versprach ihm seinen Schutz und Beistand. Mericourt wurde vom Kirchenbanne befreit und wegen seiner tiefen Reue und Bußfertigkeit wieder in die Kirche aufgenommen. Zulma wurde getauft und ihrem Manne kirchlich angetraut. Überall in der Stadt und Umgegend wurde nun Vinzenzens Name genannt und sein Schicksal, sowie die Rettung zweier Seelen durch seinen Hilfe erzählt. Er aber schrieb in seiner Demut alle Ehre Gott zu und noch jetzt zeigt man einen Brief von seiner Hand, welchen er an seinen früheren Zögling geschrieben hat und in welchem er von seinen Strapazen wenig, aber desto mehr von dem wunderbaren Walten der heiligen Vorsehung Gottes erwähnt.
So machen es alle Heilige; von sich sagen sie wenig oder nichts, aber alle Ehre geben sie Gott dem Herrn. Vinzenz war aber von Gott berufen, ein Heiliger zu werden. Nach einem kurzen Aufenthalte in der Stadt Avignon nahm Vinzenz Abschied von Mericourt und Zulma und reiste mit dem Erzbischof nach Rom. Wie sehr freute es Vinzenz, die ewige Stadt zu sehen und dort gleichsam unter den Augen des heiligen Vaters aus den Quellen der Wissenschaft der Heiligen zu Schöpfen. Mit inniger Andacht betete er oft am Grabe der heiligen Apostel Petrus und Paulus, und nicht selten stieg er in die Tiefe der Erde zu den Gräbern der heiligen Märtyrer hinab, um sich dort lebendigen Glauben und Mut und Stärke zum Kampfe gegen alles Unheilige zu holen. Mit heißer Sehnsucht benetzte er oft den Boden, auf dem so viele Heilige gewandelt, geduldet und vollendet hatten.
In Rom wurde Vinzenz durch den Erzbischof von Avignon auch mit dem Gesandten Frankreichs bekannt, der ihm bei seiner Abreise einen höchst wichtigen Auftrag an den König Heinrich IV. anvertraute. Mit großer Klugheit richtete Vinzenz seinen Auftrag aus, zog sich aber gleich darauf in die Verborgenheit zurück, um nicht, wie er fürchtete, zu hohen Würden erhoben zu werden, die er leicht hätte erlangen können.
Du siehst hier, lieber Leser, wie die Heiligen handeln! Die Weltleute suchen nach Ehren und Würden, die Kinder Gottes aber fliehen sie.
(Quelle: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Regensburg 1884)