Gertrudis
Die heilige Gertrudis, Jungfrau
Äbtissin zu Helpede in Sachsen
Fest
17. März
Lebensbeschreibung der Hl. Gertrudis
Die heilige Jungfrau Gertrudis, auch Trutha genannt, (nicht zu verwechseln mit einer andern heiligen Jungfrau gleichen Namens, deren Fest am 21. März gefeiert wird) wurde im Jahre 1232 zu Eisleben in der ehemaligen Grafschaft Mansfeld von adelichen Eltern geboren. Damals lebten im Kloster Rodard fromme Nonnen aus dem Orden des heil. Benedikt, welche ihr Leben dem Gebete und der Erziehung der weiblichen Jugend mit solch heiligem Eifer und gutem Erfolge weihten, daß die Kinder schon im zartesten Alter die erfreulichsten Fortschritte in der Tugend und Vollkommenheit machten. Die frommen Eltern der heil. Gertrudis übergaben daher ihr Kind diesen guten Nonnen zur Erziehung. In einem Alter von 5 Jahren betrat Gertrudis das Kloster und begann alsbald mit dem Glänze der schönsten Tugenden zu leuchten. Um ihren Durst nach Erkenntnis zu löschen und die heil. Schrift und die Werke der heil. Väter lesen zu können, lernte sie die lateinische Sprache und machte mittels derselben binnen kurzer Zeit solche Fortschritte in der Gottesgelehrsamkeit, daß sie selbst ihre Mitschwestern in derselben unterrichten konnte. Aber mehr noch als die Wissenschaft der Sprache liebte sie die Erkenntnis der Wege des Heils, und ihr einziges Streben, nachdem sie im Kloster eingekleidet war und die Ordensprofeß abgelegt hatte, ging von nun an nur dahin, die wahre Demut und Reinheit des Herzens zu erlangen und mit Gott in Liebe vereinigt zu werden.
— Im Lichte der Wahrheit erkannte sie sich aller Gnaden Gottes unwürdig und hielt sich nur für einen Kanal, durch welchen Gott seine Gaben über seine Auserwählten ergieße. Allen Menschen setzte sie sich nach und glaubte, daß diejenigen, welchen Gott seine Gnaden mitteile, durch ihre guten Gedanken und ihren schuldlosen Lebenswandel mehr Verdienste erwerben, als sie durch alle ihre strengen und mühevollen Bußübungen. In der Reinigkeit glich sie den Engeln, jedes unzarte Wort machte sie erröten; nie sah sie Männern in das Angesicht und wenn sie mit Personen des andern Geschlechtes reden mußte, tat sie es nur mit niedergeschlagenen Augen und mit heiliger Scheue. Von allem unnützen Geschwätze hielt sie sich entfernt, dagegen liebte sie das Stillschweigen und die Einsamkeit, diese Grundpfeiler des geistlichen in Gott verborgenen Lebens. Sie besaß so wenig Anhänglichkeit an das Irdische, daß sie sich nie ein Kleid selbst auswählte, vielmehr mit dem schlechtesten verblieb nahm. Ein Muster der Geduld trug sie ihre fortdauernde Kränklichkeit, womit sie Gott heimsuchte, mit inniger Freude.
Diese Geduld hatte sie sich aus der Betrachtung des bitteren Leidens ihres göttlichen Bräutigams erworben, womit sie sich Tag und Nacht beschäftigte. In seinen heiligen fünf Wunden ruhte sie, ihrem Herzen hatte sie der Herr eingedrückt. Flammend war ihre Liebe zum heiligsten Altarssakramente, in der Nähe desselben kostete sie die lieblichsten Tröstungen, mit der Jesus ihr Herz überströmte, dort feierte sie die innigste Vermählung mit Seinem göttlichen Herzen. Der allerseligsten Jungfrau war sie mit solcher zärtlicher Andacht ergeben, daß ihr der Herr die Gnade erzeigte, sie ihr als Mutter und Beschützerin zu geben. Ein großes Mitleid hatte sie gegen die armen Seelen im Fegfeuer, keinen Tag brachte sie hin, ohne ihrer im Gebete zu gedenken und gute Werke für sie aufzuopfern. Ihre Liebe und Treue belohnte der Herr mit himmlischen Erscheinungen und Offenbarungen; ja Er gab ihr solche Beweise seiner Liebe, wie man sie selten bei Heiligen findet. Bisweilen schenkte er ihr sein Herz, manchmal vertauschte Er es mit dem Ihrigen; bisweilen tränkte Er sie aus Seiner heil. Seitenwunde mit himmlischer Süssigkeit. Er sprach mit ihr wie ein Vater mit seinem Kinde und weihte sie in die tiefsten Geheimnisse des geistlichen Lebens ein. Sie hatte sich aber auch ganz und gar ihrem göttlichen Heilande hingegeben und hinwieder gab Sich ihr Jesus ganz und gar hin. „Jch bin ganz ihr Eigentum, sprach einst der Herr zu einer frommen Jungfrau, und habe sie mit Mir durch die Liebe unzertrennlich geeinigt wie Gold und Silber durch das Feuer zu einem Metall sich einigen." Und ein Andersmal sagte Er: „Da jetzt kein Mensch lebt, welcher durch aufrichtige Meinung, guten Willen und wahre Treue Mir näher stünde, als sie, so bin ich deßhalb keiner Seele, die noch im Fleische lebt, mit größerer Gunst zugetan, als ihr, und du kannst Mich nirgends an einem Mir angenehmem Ort finden, als im Sakramente des Altars oder im Herzen und in der Seele Meiner Braut." Mit 30 Jahren ward Gertrudis Äbtissin des Klosters zu Rodard. Sieben Jahre stand sie dortselbst der Gemeinde mit größtem Eifer vor, um welche Zeit dann das Kloster nach Helpede, eine halbe Stunde von Eisleben entfernt, verlegt wurde. Auch dort verwaltete sie ihr erhabenes Amt noch 23 Jahre mit solcher Umsicht und benahm sich allenthalben mit solch einer Liebe, Bescheidenheit und Klugheit, daß die größte Zucht und Ordnung im Kloster herrschte und seine Bewohner, von ihrem Beispiele angetrieben, mit vereinten Kräften nur nach Vollkommenheit und Heiligkeit strebten.
Endlich rief der Herr seine Braut nach 60 durchlebten Lebensjahren zum himmlischen Hochzeitsmahle am 17. November 1292. Wie ihr Leben, so war ihr Tod, den Menschen zur Erbauung, den Engeln zur Freude, Gott zur Verherrlichung, — heilig und selig! Möchten auch wir diese Gnade erlangen, und wir werden sie erlangen, wenn wir die Lehren und das Beispiel dieser heil. Mutter treu und beharrlich befolgen! (Quelle: digitalisiert von Google (Google Bücher)/ Gertrudenbuch oder Gebete, Andachten und Belehrungen zum Gebrauche römisch-katholischer Christen gezogen aus d. Schriften ... d. beiden hl. Schwestern Gertrudis u. [Hl.] Mechtildis [v. Magdeburg]: Neu hrsg., verb. u. verm. v. Georg Ott. Mit vielen Holzschn. Geziert, Pustet, 1852)