Gelübde

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Die Gelübde.

Ordensmann werden heißt im christlichen Sinne: in den Dienst Gottes einzutreten. – Aber wie?

Ist denn nicht jeder Christ der Diener Gottes? - Ja, gewiß. Das Ordensleben ist aber eine besondere Verpflichtung zu einem besonderen Dienste. Der Ordensmann weiht sich durch engere Bande einer mehr inneren Arbeit für Gott. Es gibt also für ihn eigene Bande und eine eigene Arbeit und das macht ihn zum Ordensmann. Gerade diese Bande und diese Arbeit sind es, welche das Wesen des Ordenslebens ausmachen. Die Bande werden angezeigt durch die Gelübde, und die Arbeit wird angezeigt durch die Regel. Es gibt keinen geistlichen Orden ohne Gelübde und Regel, wie kein Mensch existieren kann, ohne Seele, keine Pflanze ohne Saft, kein Tag ohne Licht.

Was sind nun Gelübde?

Gelübde sind eine mit Gott eingegangene Verpflichtung, die Arbeit Gottes zu tun.

Wir sagen: Eine Verpflichtung, müssten wir nicht zuvor sagen: eine Befreiung? Die Gelübde sind nämlich an erster Stelle eine Befreiung, eine Losschälung: Wir müssen uns von allem losmachen, um uns Gott gegenüber zu binden.

Die drei Hauptgelübde:

Keuschheit, Armut, Gehorsam – ohne diese Ablegung dieser drei wird keine Gesellschaft zur Würde eines religiösen Ordens erhoben. Warum?

Ich werde erst dann wahrhaftig und wirklich dem Dienste Gottes geweiht sein, wenn ich von jeder anderen Untertänigkeit frei bin. Und die erste Untertänigkeit, von der wir uns losmachen müssen, ist die Sonne. Die Bande des Blutes müssen gebrochen werden, sowohl die sündhaften Bande der Leidenschaften, als auch die erlaubten Bande der Familie. Es liegt darin für die menschlichen Sinne eine so mächtige und lösende Anziehungskraft!

Das Gelübde der Keuschheit

zerstört diese und gibt den Sinnen ihre ganze Freiheit, um Gott zu dienen und sich mit ihm zu vereinigen. Der Besitz der äußeren Dinge ist ein anderes Band; das Herz, welches zu besitzen glaubt, wird selbst so armselig beherrscht! Welche Befangenheit für das Herz unter den Sorgen des Reichtums!

Das Gelübde der Armut

bricht dieses Band und gibt dem menschlichen Herzen seine ganze Freiheit, um Gott zu lieben und sich mit ihm zu vereinigen. Die Sorge um die Leitung und Einrichtung des eigenen Lebens verursacht dem menschlichen Geiste eine Unruhe, welche seine Tätigkeit so sehr beeinträchtigt! Durch Übertragung dieser Leitung in andere Hände gibt

das Gelübde des Gehorsams

dem menschlichen Geiste seine ganze Freiheit, um Gott zu betrachten und sich mit ihm zu vereinigen.

Die menschliche Natur ist in ihren Grundbestandteilen allen Menschen gemein, denn alle haben Sinne, ein Herz und einen Geist. Und da jeder religiösen Genossenschaft der ganze Mensch dem Dienste Gottes geweiht sein muss, so gehören die drei Gelübde unbedingt zum Wesen derselben.

Ist der Geist von allem losgeschält und mit Gott verbunden durch das Gelübde des Gehorsams,

ist das Herz von allem losgeschält und mit Gott verbunden durch das Gelübde der Armut,

sind die Sinne von allem losgeschält und mit Gott verbunden durch das Gelübde der Keuschheit,

so wird der ganze Mensch sich unter der alleinigen Botmäßigkeit seines einzigen Herrn befinden.

Gewisse Orden fügen diesen drei Hauptgelübden besondere Gelübde hinzu. So stützt die Professformel des heiligen Benediktus, welche die drei Gelübde in dem des Gehorsams, als dem hauptsächlichen, zusammenfasst, diesen Zentralpunkt des Ordenslebens durch

zwei weitere Gelübde:

das Gelübde der Beständigkeit,

welches vorhergeht und gleichsam eine äußere Garantie bildet, und das

Gelübde der Besserung der Sitten,

welches nachfolgt und gleichsam eine innere Garantie ist.

weitere Gelübde

In andern Instituten finden wir das Gelübde, in die heidnischen Länder zu gehen oder keine Würden anzunehmen, oder das Gelübde des besonderen Gehorsams gegen den heiligen Vater usw.

Aber sind das denn keine Hindernisse, die der menschlichen Natur entgegengesetzt werden?Jawohl, die Gelübde sind Hindernisse, ähnlich wie die Dämme Hindernisse sind für die Fluten, wie die Geleise für die Eisenbahn, wie die Dampfrohre für den Dampf.

Und ohne diese Hindernisse würde die Flut nur zerstörend wirken, die Eisenbahn würde unmöglich, der Dampf nutzlos sein und der Ordensmann seine Bedeutung verlieren.

Weshalb diese Hemmnisse?

Sie sichern dem Strome seinen Lauf, der Eisenbahn ihre Schnelligkeit, dem Dampf seine Kraft, dem Ordensmann seine Erhebung. Sie sind gewollt und bedacht, weil sie nützlich und notwendig sind.

O ja, lasse dem Strome seine festen Dämme, dem Zuge sein sicheres Geleise, dem Dampfe seine widerstandsfähigen Rohre, dem Ordensmanne die treue Beobachtung seiner Gelübde.

Auf diese Weise wird der Strom zum Meere, der Zug zur Station gelangen, der Dampf in die Maschine und der Ordensmann zu Gott.

O wären doch in der Welt die ernst denkenden Seelen besser davon überzeugt, welche Konzentration seiner Fähigkeiten, welche Verdichtung seiner Energie, welchen Antrieb zum Himmel für das menschliche Wesen der Zwang der Gelübde im Gefolge hat; wie viele Existenzen würden weniger zugrunde gerichtet, wie viele Vermögen weniger verschleudert werden!

Nein, nicht um zu ersticken, bindet sich der Ordensmann, sondern um nicht leer zu werden;

nicht um durch eine schwere Last sich erdrücken zu lassen, sondern um notgedrungen emporzusteigen;

nicht um zwischen vier Mauern sein Leben zu fristen, sondern um himmlische Luft einzuatmen.

Glückselig die Seelen, welche berufen sind, die Kraft der Gelübde zu verstehen, zu kosten und nutzbar zu machen!

Q.: Das dreifache Reich Gottes. Impr. 1911