Gehorsam
Gehorsam
Natürliche Ordnung:
Schon in der natürlichen Ordnung finden wir in der menschlichen Gesellschaft nach allen Seiten hin eine weitgehende Gliederung, verschiedener Abstufungen des Alters und der Stände, eine allseitige Über und Unterordnung der einzelnen Menschen zueinander.
Diese Ordnung bringt es naturnotwendig mit sich, dass die Höhern durch ihren Willen auf die Niedrigern einwirken.
Dies ist eine weise Einrichtung, die der Schöpfer getroffen hat, um so den glücklichen Bestand der menschlichen Gesellschaft und das Wohl jedes einzelnen zu ermöglichen.
Kein Reich, keine Stadt, keine Gemeinde, keine Familie kann auf die Dauer bestehen, wenn darin kein Gehorsam herrscht und keine Unterwerfung der einzelnen unter ihr Haupt geübt wird.
Zucht, Ordnung und Unterwürfigkeit ist nun mal das Grundgesetz, das Gott der Herr für die irdische Wohlfahrt der Menschen festgesetzt hat. Dies erkannte bereits Sophokles, ein alter Heide.
Dieser Weltweise tat den Ausspruch: „Der Geist der Zucht und der Ordnung, der gehorchen will, macht stark und fest den Krieger, segnet Volk und Land.“ So ist also der Gehorsam schon in der natürlichen Ordnung die Grundlage des wahren Glückes der Menschen.
Übernatürliche Ordnung:
Aber weit vortrefflicher noch erscheint der Gehorsam in der übernatürlichen Ordnung. Im Licht des Glaubens nehmen Eltern, Lehrer, geistliche und weltliche Vorgesetzte eine geheiligte Stellung ein.
Sie sind die Diener des unendlichen Gottes; sie vertreten an uns die Stelle des Königs des Himmels und der Erde.
Gott der Herr hat sie mit seiner Macht bekleidet; er hat auf sie sein eigenes Ansehen übertragen, damit sie uns als seine Stellvertreter befehlen, uns seinen heiligen Willen kundtun und uns leiten und lenken.
Es gibt keine Gewalt“, schreibt der Apostel, „außer von Gott; die aber, welche bestehen, sind von Gott gesetzt. Darum ist es eure Pflicht, untertan zu sein, nicht nur um der Strafe willen, sondern auch des Gewissens wegen“ [Röm 13, 1.5]. „Der Gehorsam, der den Oberen erwiesen wird, ist Gott geleistet“ (Hl. Basilius).
„Wer seinen Vorgesetzten gehorcht, gehorcht Jesu Christo selbst“ (Hl. Johann de la Salle). Würden wir davon lebendig durchdrungen sein, dass die Vorgesetzten im Namen Gottes gebieten und gleichsam eine Majestät von Gottes Gnaden sind; würden wir in ihnen nicht so fast Menschen schauen als vielmehr Gott, der durch sie zu uns spricht: wie leicht würde uns der Gehorsam fallen und welche Achtung und Ehrfurcht würden wir überall gegen unsere Vorgesetzten an den Tag legen!
Segensreiche Früchte:
Im Licht des Glaubens ist dann überaus vortrefflich wegen seiner segensreichen Früchte.
Der Gehorsam schließt ein ganzes Blumensträußchen von Tugendakten und Tugenden in sich. Wenn man gehorcht, muß man aus dem Glauben leben; man muß sich abtöten und überwinden, Demut und Geduld üben, sich von reinen Beweggründen leiten lassen.
Der Gehorsam ist die Mutter, die Wächterin und Schützerin aller Tugenden.
Er ist der Boden, auf dem alle Tugenden insgesamt gedeihen. Wenngleich wir nicht unbedingt sagen können, dass der Gehorsam die größte Tugend sei, so setzt er doch alle Tugenden voraus, schließt sie in sich, adelt und vollendet sie.
Wer gehorcht, bannt den Hochmut und erfüllt seine Seele mit demütigen Gesinnungen.
Wer gehorcht, fürchtet, Gott zu beleidigen und Gottes Strafe auf sich herabzuziehen.
Wer gehorcht, nährt in seinem Herzen eine heilige Sehnsucht nach Gott und seiner Liebe.
Nichts ist für die Tugend so förderlich als der Gehorsam. „Der Gehorsame wird von Siegen erzählen“ [Spr. 21, 28]. Auf dem Gehorsam liegt ein ganz auffallender Segen Gottes.
Der Psalmist fragt: „Soll wohl meine Seele Gott unterworfen sein?“ Und er gibt Antwort; „Von ihm kommt mir ja Hilfe“ [Ps. 61, 2]. So ist es. Der Gehorsame steht in seinen Arbeiten und Unternehmungen unter dem besondern Segen und Schutz Gottes.
Gehorsam verleiht Sicherheit
Gehorsam verleiht in Sachen des Seelenheils Sicherheit
„Nichts ist für die Seele vorteilhafter als gehorchen“ (Hl. Augustin).
„Der Gehorsam ist die Leiter zum Himmel“ (Hl. Bonaventura).
Er ist eine Tugend, die am wenigsten verdächtig und am meisten echt und gediegen ist; hingegen sind die Tugenden, die nicht mit ihm verbunden sind, gewöhnlich nur Täuschung und Betrug Keine Kunst und Wissenschaft bietet eine so große Untrüglichkeit wie der Gehorsam.
Was sonst nur Gott zukommt, das ist dem Gehorsam beschieden, nämlich dem Irrtum nicht unterworfen sein. Wer gehorcht, der kann nicht fehlen. „Man ist weit sicherer, wenn man gehorcht, als wenn man befiehlt“, pflegte der hl. Franz Xaver zu sagen.
„Niemals wird der Wille Gottes vollkommener erfüllt, als wenn man seinen Vorgesetzten gehorcht“(Hl. Vinzenz von Paul).
Da die Vorgesetzten, solange sie nichts gegen den Glauben und gegen das Gewissen gebieten, die Stelle Gottes vertreten, so kann kein Fehler, keine Täuschung und keine Schuld in den Stücken stattfinden, die aus Gehorsam geschehen. Indem wir gehorchen, erleichtern wir uns also die Verantwortung gar sehr. Der Gehorsam wird unser bester Verteidiger beim Gericht Gottes sein.
Gehorsam gewährt Zuversicht
Der Gehorsam gewährt uns eine besondere Zuversicht. Er ist eine vorzügliche Genugtuung für den frühern Missbrauch des freien Willens. Sodann verdient man, solange man gehorcht, auch weit mehr. Man hat das Verdienst,
das die Werke, die man verrichtet, an sich haben, aber außerdem hat man noch ein neues, zweites Verdienst, weil man die Werke aus Gehosam verrichtet. Ganz besonders aber hat das Gebet des Gehorsamen eine eigene Kraft, Gottes Macht steht gleichsam dem Gehorsamen zu Gebote, da er sich ihm zuvor unterworfen hat.
Gott „wird erfüllen das Begehren derer, die ihn fürchten und erhört ihr Flehen“ [Ps. 144, 19].
Wenn nun aber der Gehorsam so hohe Vorzüge hat, dann ergibt sich die heilsame Lehre von selbst. Gehorsam um Gottes willen, als Sohn, als Tochter, als Dienstbote, als Untergebener ist keine Erniedrigung, keine Schande, keine Feigheit.
Nur Unverstand und Wahnsinn, nur Eigensinn, Stolz und Großtuerei, nur missverstandene Freiheit und ein böser Zeitgeist können sich auflehnen gegen die Ordnung und gegen das Gebot Gottes. das uns befiehlt, den Vorgesetzten Achten und Gehorsam zu erweisen.
Gehorchen entehrt nicht, wohl aber Unbotmäßigkeit, Ungebundenheit, Widerspenstigkeit.
„Nimm den Strahl von der Sonne und er wird nicht mehr leuchten; trenne den Bach von der Quelle und er wird nicht mehr fließen; nimm den Ast vom Baum und er wird verdorren; nimm das Glied vom Körper und es wird sterben; nimm dem Kind die Ehrfurcht vor den Eltern (und den gehorsamen Sinn), und schon ist es kein Kind mehr, kein Sohn, keine Tochter mehr“ (Hl. Petrus Chrysologus).
Wer die Zucht verwirft, wer sich gegen Eltern und andere, die berechtigt sind zu befehlen, frech und trotzig zeigt, der hasst seine Seele und ist ein böser Mensch. Was soll man erst von einem Jüngling halten, der kaum in das öffentliche Leben eingeführt, noch so unerfahren, schwach und unbeständig ist und doch von Unterwürfigkeit nichts wissen will? Wie viel besser steht es ihm an, das Haupt nicht so hoch zu tragen, sondern sich vorerst zu beherrschen, Zucht und Ordnung zu lernen du sich unterweisen, führen und erziehen zu lassen. Der Gehorsam ist für ihn die beste Vorübung für sein späteres Berufsleben.
Eltern u. Vorgesetzte - Gottes Stellvertreter
Aber wie sieht der wahre Gehorsam aus? Welche Eigenschaften hat er?
Die Seele des wahren Gehorsam ist die lebendige, gläubige Überzeugung, dass die Eltern und Vorgesetzten Gottes Stellvertreter sind.
Tatsächlich ist es so. Gott hat ihnen einen Teil seiner göttlichen Vollmacht übergeben, an seiner Statt ihre Kinder, Zöglinge und Untergebenen zu leiten und zu erziehen.
Aus dieser gläubigen Anschauung fließt von selbst der Geist treuer und kindlicher Ergebenheit und aufrichtiger Ehrfurcht und Hochachtung.
Darum mahnt der Weise so schön: „Bewahre, mein Sohn! Die Gebote deines Vaters und weiche nicht ab von den Weisungen deiner Mutter.
Binde sie immerdar auf dein Herz und lege sie dir um den Hals. Wenn du gehst, möge sie mit dir gehen; wenn du schläfst, dich bewachen und wenn du erwachst, rede mit ihnen“(Spr 6,20 – 20).
Und der hl. Ignatius von Loyola schreibt so wahr und wohlwollend:
„Alle mögen sich gewöhnen, nicht so fest darauf zu sehen, wer der ist, dem sie gehorchen, als vielmehr, wer es ist, wegen dessen und dem sie allein gehorchen; es ist Christus der Herr.“
Freiwilliger Gehorsam
Soll der Gehorsam Gott wohlgefällig und verdienstlich sein, so muß man seinen Eltern und Vorgesetzten auch in rechter Weise gehorchen. Dazu gehört vor allem die freudige Bereitwilligkeit zu gehorchen.
So machte es der Psalmist, er sprach: „Freiwillig will ich dir opfern“ (Ps 53,8). Darum mahnt der Apostel: „Tut alles ohne Murren!“ (Phil 2,14.) –
Der wahre Gehorsam ist dann einfältig. „Nicht gefällt Gott“, schreibt der hl. Augustin, „ein mürrischer und grübelnder Gehorsam, der wenn befohlen wird, fragt, warum, weshalb, zu welchem Ende befohlen wird.“
Gehorsam ist pünktlich
Man muß mit Schnelligkeit gehorchen, ohne Widerstreit und ohne Verzug; man muß gehorchen, sobald nur befohlen wird; ja, man soll, wenn es möglich ist, den Befehlen, die einem erteilt werden, noch zuvorkommen.
„Da sie nur hörten, gehorchte es (das Volk) mir“ [Ps 17, 45].
Geschichte
Der Kronprinz Napoleons II. hatte die üble Gewohnheit, wenn ihm etwas befohlen wurde, zu sagen: Ich komme gleich, noch ein paar Minuten; ich muß dies oder jenes schnell fertig machen. Diese Unpünktlichkeit hatte ihm später das Leben gekostet. Sein Vater verlor nämlich den Thron und so musste auch der Kronprinz in die Verbannung wandern. Um sich im Kriegswesen auszubilden, ließ er sich von den Engländern anwerben, die gerade Krieg gegen die Zulukaffern in Südafrika führten. Eines schönen Tages nahm er da im Zulu-Land eine schöne Gegend auf, denn er war ein leidenschaftlicher Maler. Seine Umgebung mahnte ihn, er soll zu malen aufhören, es sei Gefahr eines plötzlichen Überfalles vorhanden. Der Prinz erwiderte: „ Nur noch ein paar Pinselstriche, ein paar Minuten, ich komme gleich. Die Begleitung ging unterdessen voraus; der Prinz kam aber nicht nach, denn bald darauf hatten ihn die Kaffern überfallen. Und so musste der unglückliche Prinz wegen seiner Unpünktlichkeit ein frühzeitiges Ende finden.
In der Nachfolge Christi heißt es so wahr: Wer sich dem Gehorsam zu entziehen strebt, der entzieht sich der Gnade“ (3,13). Möge dies jeder wohl beherzigen. Nun denn, „ihr Jünglinge, seid untertan“(1 Ptr 5,5); seid „Söhne des Gehorsams“ (1Ptr. 1,14).'
Q: Ill. Hausbuch v. P. Franz Tischler Impr. 1908
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