Auffindung des hl. Kreuzes
Fest der Auffindung des heiligen Kreuzes
Heute feiert die Kirche die Erfindung (Auffindung) des hl. Kreuzes, das unser Erlöser Jesus Christus durch seinen schmerzhaften und schmählichen Tod, den er für das Heil der ganzen Welt an demselben gelitten, geheiliget hat. Dazu gab folgendes Veranlassung: Helena, die heilige Mutter des Kaisers Constantin des Großen, eine eifrige Christin, suchte auch ihren Sohn zur Erkenntnis Jesu Christi und zur Annahme des christlichen Glauben zu bewegen. Constantin hörte zwar ihre Vorstellungen und Ermahnungen an, verschob aber doch seine Bekehrung von einer Zeit zur andern, bis ihn Gott auf eine außerordentliche Weise dazu bewog. Zu Rom hatte sich der Tyrann Maxentius zum Kaiser aufgeworfen, und wider ihn zog Constantin mit einem Heere aus Frankreich. Bald stieß er auf die Scharen des Maxentius und erkannte mit Schrecken, dass sie den Seinigen weit überlegen waren. In solch großer Not wendete er sich an den Gott der Christen, dessen Macht und Herrlichkeit ihm seiner Mutter so sehr gepriesen hatte, und rief ihn demütig um Beistand an. Bald darauf sah er mit seiner ganzen Armee bei hellem Mittage an dem Himmel ein sehr hell glänzendes Kreuzzeichen mit der Überschrift:
„In diesem Zeichen wirst du siegen.“
In folgender Nacht erschien ihm Christus der Herr mit demselben Zeichen, befahl ihm, ein gleiches machen zu lassen, und sich desselben als eines Feldzeichens in der Schlacht zu bedienen. Constantin kam dem Befehle mit Freuden nach und ließ sich außerdem auch noch eine kleineres verfertigen und auf seinen Helm setzen. Dieses Zeichen hieß das Labarum. So gerüstet zog er wider seinen Feind und siegte zuerst über drei ihm entgegen geschickte Feldoberste des Maxentius, dann über diesen Tyrannen selbst, und kam triumphierend nach Rom. Weil er einen so herrlichen Sieg allein dem Gott der Christen und der Kraft des heiligen Kreuzes zu verdanken hatte, so ließ er den römischen Adler von den Kriegsfahnen wegnehmen und an dessen Stelle das Zeichen des heiligen Kreuzes setzen. Er befahl auch, keinen Übertäter mehr an ein Kreuz zu schlagen, und erteilte überdies allen Untertanen die Freiheit, die christliche Religion anzunehmen. Dagegen ließ er die Götzentempel niederreißen, erbaute viel ansehnliche Kirchen für die Christen und empfing endlich selbst die heilige Taufe. Zugleich entstand in seinem Herzen das Verlangen, das wahre heilige Kreuz Christi selbst zu sehen und verehren zu können.
Helena, die heilige Kaiserin, welche von gleichem Verlangen entzündet war, wurde im Schlafe von Gott ermahnt, sich nach Jerusalem zu begeben und es zu suchen. Sie reiste dahin und gab sich viele Mühe, um zu erfahren, wohin das heilige Kreuz von den Juden gebracht worden wäre. Diese hatten aus Eingebung es Satans das heilige Kreuz Christi samt jenen, woran die zwei Mörder gehangen, unweit des heiligen Grabes Christi in eine tiefe Grube versenkt und mit Steinen und Erde überschüttet. Als sie dennoch sahen, dass viele Christen dahin kamen, um dort ihr Gebet zu verrichten, verleiteten diese Feinde Jesu die Heiden, an die Stelle, wo die Kreuze vergraben waren, ein Bild zu Verehrung der Venus aufzufstellen, der Göttin der Unzucht, damit die Christen aus Abscheu vor diesem Bildnisse sich nicht mehr dahin begeben möchten. Auf diese Weise ist die Erinnerung an das daselbst verborgene heilige Kreuz Christi nach und nach verschwunden. Aber noch gab es in Jerusalem einige Juden, welche durch ihre Väter die Stelle kannten, wo der Herr Jesus Christus gekreuzigt und begraben worden war. Helena gewann sie mit Geld und ließ dann an dem von ihnen bezeichneten Orte nach graben. Auf Ihren Befehl wurde das Götzenbild zertrümmert, und so tief gegraben, bis man das heilige Grab Christi entdeckte, und unweit davon neben dem Titel, den Pilatus schreiben ließ, drei Kreuze in einer solchen Form und Größe fand, dass man noch nicht erkennen konnte, welches das wahre Kreuz Christi sei. Der heilige Macarius, damaliger Bischof zu Jerusalem, riet aus Eingebung Gottes, man sollte mit diesen drei Kreuzen eine kranke Person berühren, da er nicht zweifelte, Gott würde durch ein Wunder das wahre Kreuz Christi zu erkennen geben. Man folgte seinem Rate und brachte eine tödlich kranke vornehme Frau. Die Berührung mit den zwei ersten Kreuzen hatte keine Wirkung. Als man aber die Kranke mit dem dritten Kreuze berührte, stand sie plötzlich gesund in Gegenwart der Kaiserin, des Bischofs und zahlreicher Einwohner auf. Man brachte überdies noch einen kürzlich Verstorbenen herbei, und auch dieser wurde in dem Augenblick wieder lebendig, als man das heilige Kreuz auf ihn legte. Weil nun kein Zweifel mehr übrig war, dass dieses das wahre Kreuz Christi sei, so war bei der Kaiserin und allen Gläubigen die Freude unbeschreiblich groß. Helena ließ an dem Orte, wo man den kostbaren Schatz gefunden hatte, eine herrliche Kirche erbauen und in dieselbe die Hälfte des heiligen Kreuzes, auf das kostbarste gefaßt, setzen; die andere Hälfte schickte sie ihrem Sohne Constantin, welcher dieselbe ebenfalls in eine prächtige, zu Rom von ihm erbaute Kirche überbringen ließ.
Von dieser Zeit an wurde die Verehrung des heiligen Kreuzes durch die ganze christliche Welt ausgebreitet. Man schickte auch in verschiedene Länder Partikel von demselben. Der heilige Cyrillus, welcher 20 Jahre nach dem heiligen Macarius Bischof zu Jerusalem war, bezeugt ausdrücklich, dass man aus allen Teilen der Welt solche Partikel von dem heiligen Kreuze verlangte, und obwohl man viele davon abschnitt, so sei dennoch das dort befindliche Holz des Kreuzes Jesu niemals vermindert, sondern durch ein augenscheinliches Wunder beständig in seinem alten Zustande erhalten worden, was er selbst gesehen zu haben bezeugt. Macarius vergleicht dieses Wunder mit der wunderbaren Vermehrung des Brotes, wodurch Jesus 5000 Mann in der Wüste gespeist hat. Der heilige Paulinus bezeugt gleichfalls diese Vermehrung des Kreuzes Jesu. Die Erfindung des heiligen Kreuzes geschah im Jahre 326. Das Fest der Kreuzerfindung wird seit dem 15. Jahrhundert gefeiert.
(Q: Goldene Legende: Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, Wilhelm Auer, Matthäus Vogel,1904)