Einsamkeit
Die Einsamkeit.
Der immer sich hat Gott nähern wollen, hat sich von den Menschen entfernt, weil die Menschen von Gott fern sind.
Deshalb fühlen sich die beschaulichen von Gott erlesenen Seelen immer zur Einöde hingezogen.
Die Buße
ist eine Trennung und das Gebet ebenso; eine Trennung vom Erschaffenen, vom Irdischen, vom Menschlichen.
Das Übel unseres Fernseins liegt in der Anhänglichkeit unseres Seins an der Erde. Entledigt ein Vöglein sich seiner Fesseln, so gewinnt es die Freiheit seiner Flügel wieder.
Die Mönche haben die Einöde bevölkert, zunächst durch ihre zahlreichen Klöster; sodann, weil die Zurückbleibenden in Menge zu ihnen kamen, um den Schutz ihres Gebetes anzurufen.
Jene hatten ihren Schmutz und ihre Finsternis hinter sich gelassen und diese kamen, um bei jenen Reinheit und Licht zu suchen. So veröden die alten Stätten des Heidentums und entwickelten sich die jungen Kerne der christlichen Städte.
Wieviele blühende Städte verdanken ihr Entstehen einem ursprünglich in der Einöde gegründeten Kloster!
Wo in kalter Winterzeit ein behaglicher Herd seine wohltuenden Wärmestrahlen verbreitet, da sammelt man sich um ihn herum, um Schutz zu suchen gegen die Strenge der Kälte. Ähnlich verhält es sich auch mit den Gesellschaften.
O mein Gott, verleihe uns echt warme Herde, und sie werden eine neue Ansammlung Deiner Auserwählten veranlassen!
Unter zweifacher Form hat sich
das Leben in der Einöde
entwickelt.
Als Moses zum ersten Male aus Ägypten floh, verbrachte er zuerst vierzig Jahre in derselben Wüste Sinai, durch welche er vierzig andere Jahre hindurch sein Volk führen sollte.
Er lebte in der Wüste und weidete die Herden seines Schwiegervaters Jetro.
An dem Tage nun, bemerkt die Bibel, als Gott ihn erwählte, um der Befreier seines Volkes zu werden, befand sich Moses tiefer in der Wüste.
Es gibt demnach die Wüste und das Innere der Wüste; d. h. man kann in der Einöde das gemeinschaftliche und das gemeinsame Leben führen.
Und diese zweifache Lebensart ist von den Mönchen geführt worden; es gab Cönobiten, welche gemeinsam und es gab Eremiten welche einzeln lebten.
Die Wüsten des Morgen- und Abendlandes haben diese doppelte Lebensweise gesehen.
In unserm Abendlande haben namentlich die Benediktinermönche das gemeinsame Leben beibehalten, während die Augustinermönche teilweise das einsame Leben vorzogen.
Und diese zwei Lebensarten haben lange Jahrhunderte hindurch neben einander bestanden.
Die einen suchten in der Gemeinschaft den Schutz der gegenseitigen Aufsicht, die Stütze brüderlicher Aushilfe, die anziehende Kraft des guten Beispiels, die Leitung erfahrender Ratgeber, den Beistand heilsamer Ermahnungen.
Die andern fühlten sich angezogen von der göttlichen Ruhe, von der absoluten Absonderung, der vollständigen Einsamkeit, von der ihr eigenen Kraft der Vereinigung und Einheit. Die eine wie die andere hat ihre Vorteile.
Die eine wie die andere hat aber auch ihre Schattenseiten; ist das nicht der Fall bei allen Dingen hier auf Erden, wo Gutes und Böses sich immer mit einander vermischt finden?
In der Gemeinschaft ist man den bösen Beispielen, der Eifersucht, der Rivalität, den Zwistigkeiten, den Zerstreuungen ausgesetzt; in der Einsiedelei zeigen sich bisweilen Überspannte oder Entartete.
Überall bricht das menschliche Elend hervor, sogar in den dem alleinigen Dienste Gottes geweihten Klöstern.
Die Ordensregeln sind wahre Wunder der Weisheit bestimmt und geeignet, dem menschlichen Übel in seinem Erscheinen zuvorzukommen oder es zu verbessern.
Aber das menschliche Übel hat gezeigt, dass es allen Regeln zu entgehen wusste.
Im Anfange des ersten Jahrhunderts hat ein Mann gelebt, der sich die Aufgabe gestellt hat, ob es nicht möglich wäre, diese beiden Lebensarten gewissermaßen zu vereinigen, um durch die Vorteile der einen die Nachteile der anderen aufzuheben?
Und er hat sie unter einer Regel nebeneinandergestellt, so dass die eine nur die Fortsetzung der andern ist.
Seine Religiosen fangen mit dem gemeinsamen Leben an, bilden sich in den religiösen Tugenden aus, bis sie stark genug sind, die Würde des einsamen Lebens zu tragen.
Ein Kloster besteht so aus zwei Teilen, die Gemeinschaft und die Einöde. Von der Gemeinschaft geht man in die Einöde, und man kehrt sogar aus der Einöde in die Gemeinschaft zurück, wenn das Einsiedlerleben nicht passt.
Das ist das religiöse Ideal des Kamaldulenserordens, welcher im Jahre 1012 vom heiligen Romuald gestiftet wurde.
An der Neige desselben Jahrhunderts ist ein anderer Heiliger gekommen, der die Gemeinschaft und die Einöde nicht nebeneinander stellte, sondern miteinander verschmolz, so dass daraus ein gemischtes, halb gemeinschaftliches, bald einsames Leben entstand.
Das war der heilige Bruno, der Stifter des Karthaeuserordens Q. Das dreifache Reich Gottes - Impr. 1911