Vinzenz von Paul
Geburtstag
geboren am 24. April 1581 in Pouy
Todes- und Gedenktag
Der heilige Vinzenz von Paul wurde am 27. September 1660 zu Gott gerufen und an diesem Tag ist auch sein katholischer Gedenktag.
Vorwort
Jesus Christus hat zum Heile der Welt die katholische Kirche gestiftet. Er hat ihr ewige Dauer, aber auch Verfolgungen voraus verkündet, und was er voraussagte, ist eingetroffen. Kein Jahrhundert ist abgelaufen, wo nicht die katholische Kirche mit Feinden gekämpft hat, aber immer hatte ihr Jesus zur rechten Zeit Hilfe gesendet. Die schrecklichste Gefahr drohte der heiligen Kirche vor dreihundert Jahren. Die gottlose Irrlehre Luthers und Kalvins hatte das Volk in Deutschland und Frankreich verwirrt und Tausende in die Finsternis des Irrglaubens gestürzt. Die Einheit des Glaubens war zerrissen, das Feuer der Zwietracht und des Aufruhrs, von der Hölle angefacht, brach in helle Flammen aus und Deutschland und Frankreich standen am Rande des Verderbens. Die Feinde der Wahrheit, die Anhänger des Irrtums, nachdem sie lange genug mit Worten gestritten, geschmäht und gehöhnt hatte, griffen auch noch zum Schwerte und Mord, Brand und Verwüstung durchzog die Länder.
In Frankreich herrschte Bürger- und Religionskrieg zugleich; überall floß Blut und wie immer, stellte sich auch mit dem Kriege Pest und Hungersnot ein. Ganze Landesstrecken, auf denen vorher blühende Städte und Dörfer gestanden, waren zur Einöde geworden, und wo früher Menschen ruhig Ihres Weges wandelten, da hausten jetzt Wölfe oder zogen Haufen wilder Kriegsknechte. Soweit war die Not und das Elend gediehen, das die Menschen wie die Tiere Gras und Wurzeln der Kräuter verzehrten, dass sie das verfaulte Fleisch der Leichen aßen und Mütter sogar Ihre Kinder schlachteten, um Ihren Hunger zu stillen. In dieser allgemeinen Verwilderung war fast alle Erkenntnis Gottes aus den Herzen gewichen, alle Bande der Zucht und Ordnung waren gelöst, entsetzliche Laster und Verbrechen entehrten die Menschheit. Was aber das Maß des Verderbens voll machte, war die Entartung der Geistlichkeit. Die Priester waren meistenteils weltlich geworden, sie hatten ihres erhabenen Berufes vergessen und vermochten nicht mehr die schrecklichen Übel zu steuern, die sie selbst mit hervorgerufen hatten.
In dieser schauervollen Lage, in welcher sich damals die katholische Kirche in Frankreich befand, hatte Jesus, der seine Kirche nie verläßt, von seinem erhabenen Throne seinen Blick auf ein armes kleines Dörfchen, Pouy mit Namen, geworfen und dort sich ein Kind ausgewählt, durch welches er seiner verwüsteten Kirche Hilfe senden wollte.
Das Leben des hl. Vinzenz von Paul
Dieses Kind war Vinzenz von Paul. Sein Vater war ein einfacher Bauersmann, der auf seinem geringen Gute ein Weib und sechs Kinder kümmerlich ernähren mußte. Sein ganzer Reichtum bestand in einigen Feldern und einer kleinen Viehherde, welche der kleine Vinzenz weiden mußte. War auch Wilhelm von Paul, so hieß der Vater von Vinzenz, arm an Gütern der Erde, so war er hoch reich an Gottesfurcht, Barmherzigkeit und Zufriedenheit, und nichts lag ihm mit seinem frommen Weibe mehr am Herzen, als die christliche Erziehung seiner Kinder. Der kleine Vinzenz wuchs unter Ihren Augen wie ein Engel empor; er hütete fleißig und gerne seine Schafe, und die Blumen und Bäume, die erhabenen Berge und einsamen Täler und Schluchten, die rieselnden Bächlein und dunklen Wälder und mannigfaltigen Tiere waren für Ihn ein offenes Buch, in welchem er die Allmacht, Weisheit, Güte und Liebe des himmlische Vaters betrachtete. Besonders gerne trieb er seine Schafe in eine tiefe Bergschlucht, wo unter schattigen Bäumen eine Muttergottes-Kapelle ruhte, im Gebete, dort sang er mit heller Stimme der heiligen Jungfrau zu Ehren schöne Lieder, und wo er schönen Blumen auf den Fluren fand, die brachte er gewiß seiner lieben Mutter, um Ihr Bild und Ihren Altar zu schmücken. Diese kindliche Liebe und Verehrung zur gnadenvollen Himmelsmutter legte auch den Grund zu seiner Heiligkeit.
Früh schon bemerkte man an Vinzenz eine innige Liebe zu den Armen. Das Elend und die Not derselben rührte ihn stets aufs Tiefste und er sparte und barbte, um Ihnen helfen zu können. Einmal gab er einem Armen all sein erspartes Geld, ohne nur einen Kreuzer zurück zu behalten und einmal, da er einen Sack Mehl von der Mühle abholen mußte, und einige Bettler ihm begegneten, öffnete er den Sack und gab Ihnen Mehl in der Voraussicht, das sein Vater, der ebenfalls sehr mildtätig war, nichts dagegen einweden werde.
In seinem zwölften Jahre empfing er die erste heilige Kommunion. Vinzenz jubelte vor Freude und Dank gegen Gott, um die ganze Welt hätte er diese Gnade nicht hingegeben. Von dieser Zeit an lebte Vinzenz noch eingezogener und da er viel Verstand und Eifer zum Lernen zeigte, so verfiel sein Vater auf den Gedanken, ihn, wie er sagte einen geistlichen Herrn werden zu lassen. Vinzenz sollte also studieren. Der gute Vater meinte, wie so viele andere unkluge Eltern, wenn Vinzenz sein Ziel erreicht, und ein Geistlicher würde, so könne er seine Geschwister einst unterstützen. Er dachte nicht daran, daß der Geistliche nicht für Eltern und Geschwister leben und seine Einkünfte für sie blos verwenden darf. Der Geistliche gehört Gott, und seiner heiligen Kirche ganz und gar an, und sein Einkommen ist Eigentum der Kirche und der Armen. Doch der Vater des Vinzenz verstand es nicht besser und da ihm auch die Verwandten zuredeten, er solle es mit seinem Sohne versuchen, so zog er eines Tages sein Ackerpferd aus dem Stalle, setzte den jungen Vinzenz hinter sich darauf und ritt mit ihm in die Stadt Aigs. Vinzenz war hierüber voll Freude und dankte Gott im Stillen für diese Gnade. Bei dem Franziskanerkloster der Stadt hielt der Vater das Pferd an, stieg ab und führte den kleinen Vinzenz zum Guardian, der an dem offenen Gesichte des bescheidenen Knaben Gefallen fand und ihn gegen ein billiges Kostgeld unter seine Zöglinge aufnahm.
Nun besuchte Vinzenz die Klosterschule und er erwarb sich durch seinen Fleiß bald so viele Kenntnisse, daß er schon mit 16 Jahren bei einem vornehmen Herrn eine Hauslehrerstelle übernehmen konnte und seinen Eltern keine Kosten mehr machte. Fünf Jahre blieb er Hauslehrer und erwarb sich in dieser Zeit die Liebe und Achtung seines Herrn in hohem Grade. Er hatte nun die niederen Studien vollendet und bereits schon die ersten geistlichen Weihen empfangen, jetzt sollte er eine Hochschule besuchen. Aber woher Geld nehmen? Sein Vater, der mit Freuden die Fortschritte seines Sohnes wahrgenommen hatte, wollte ihn nicht stecken lassen, so hart es ihm auch ankam. Er verkaufte seine Ochsen vom Pfluge weg und mit dem erlösten Gelde wanderte nun Vinzenz nach Toulouse auf die Universität, wo es ihm recht hart ging. Er studierte fleißig, mußte aber dabei bittere Not leiden. Oft hatte er zu seiner Nahrung nichts als ein Stück hartes Brot und ein Glas Wasser. Allein, er ließ den Mut nicht sinken; er betete, hungerte, litt Kälte und Mangel, nur um sein Ziel zu erreichen; ja er besuchte sogar die Hochschule zu Saragossa in Spanien, um sich nur recht auszubilden.
Endlich erhielt er nach vielen Mühen und Entbehrungen im Jahre 1600 die heilige Priesterweihe. Vor heiliger Ehrfurcht zitternd, getraute er sich nicht, sein erstes heiliges Opfer öffentlich zu feiern. Zu einer abgelegenen Kapelle und bloß im Beisein eines Priesters und Ministranten las er, am ganzen Leibe zitternd, seine erste heilige Messe und er sagte später öfters: "Wäre ich nicht schon in meiner Jugend Priester geworden, ich hätte mich nie dazu entschließen können, es zu werden."
Vinzenz begab sich nun in seine Heimat zurück. Wie freute sich da der gute Vater über seinen Sohn, den er als Priester vor sich sah, wie weinte die fromme Mutter, als sie zum ersten Mal Ihren Sohn am Altare erblickte! Doch der Vater sollte diese Freude nicht lange genießen, er starb bald darauf und Vinzenz, dem eine Pfarrei angetragen war, wollte sich dahin begeben, als ein Mitbewerber auftrat, dem er, um Streit zu vermeiden, dieselbe überließ. Er ging nach Toulouse, wo er seine Studien fortsetzte und sich mit der Erziehung adeliger Jünglingen fortbrachte. Bald hatte er es in den Wissenschaften so weit gebracht, dass ihm die Erlaubis erteilt wurde, öffentlich Vorlesungen über einen Teil der heiligen Schrift zu halten; Allein Vinzenz verbarg seine Gelehrsamheit, es war ihm vielmehr eine Freude, für einfältig und ungelehrt gehalten zu werden; nur wenn es die Liebe des Nächsten erforderte, machte er von seinen reichen Kenntnissen Gebrauch.
Gott hatte Vinzenz zu großen Dingen ausersehen; er wollte ihn daher auch durch mancherlei harte Prüfungen wie das Gold im Feuerofen dazu bereiten und führte ihn deshalb gar eigentümliche Wege. Während die Freunde des Heiligen sich bemühten, ihn sogar zur bischöflichen Würde zu erheben, gefiel es Gott, ihn in das tiefste Elend fallen zu lassen.
Eines Tage fuhr Vinzenz zu Schiffe nach Marseille, um dort eine kleine Erbschaft zu erheben, welche ihm ein Freund zugedacht hatte. Das Meer war ruhig, das Wetter heiter, alle Reisenden auf dem Schiffe überließen sich der sorglosesten Ruhe; da erschienen plötzlich drei Raubschiffe aus Tunis, welche das Schiff, auf dem sich Vinzenz befand, wütend angriffen. Die Matrosen verteidigten sich tapfer, aber endlich mußten sie sich ergeben, und die Türken nahmen das Schiff in Besitz. Vinzenz war durch einen Pfeilschuß verwundet und mit den übrigen Schiffsgenossen in Ketten gelegt und eingesperrt worden, um später als Sklave verkauft zu werden.
Nach einigen Tagen landeten die Seeräuber in Tunis. Hier wurden die Gefangenen sogleich auf den Sklavenmarkt geschleppt und zum Verkaufe ausgestellt. - Vinzenz wurde von einen Fischer gekauft, der ihn an einen Arzt verhandelte. Bei diesem, der ihn zum Abfall vom Glauben verlocken wollte, aber es nicht vermochte, blieb er elf Monate und kam dann in die Hände eines Renegaten oder Abtrünnigen. Dieser Mann war ein geborener Franzose, Namens Ludwig von Mericourt. Er wurde ebenfalls auf dem Meere von Seeräubern gefangen und in Tunis als Sklave verkauft. Er wollte mit einer Sklavin entfliehen, wurde aber ergriffen und zum Tode verurteilt, jedoch unter der Bedingung begnadigt, wenn er den christlichen Glauben verleugnen und Mohammedaner werden würde. Auch bot man ihm die Skalvin als Weibe an, wenn er abfallen würde. Aus Furcht vor dem Tode und Liebe zur Sklavin beging er wirklich die entsetzliche Sünde und schwur seinen Glauben ab. Zu diesem Manne nun kam Vinzenz, er sandte ihn sogleich auf sein Landgut, Temat genannt, damit er dort mit anderen Sklaven das Land bebaue. Hier arbeitete nun Vinzenz ganz ergeben in den Willen Gottes unverdrossen im Schweisse seines Angesichtes, ohne Hoffnung auf Befreiung. Allein Gottes Auge wachte über ihn, und seine Hand, die ihn in dieses Elend gestossen, führte ihn wieder heraus.
Eine der Frauen des Renegaten, eine Türkin, mit Namen Zulma, besuchte öfters die Pachthöfe Ihres Mannes, um nachzusehen. Als Sie einst in das Lemat kam, wo Vinzenz arbeitete, hörte sie von Ferne den neuen Sklaven christliche Lieder singen. Der Gesang aus der Tiefe eines frommen, gottergebenen Herzens bewegte wunderbar das Gemüt der türkischen Frau. Sie ließ sich aber nichts anmerken und besichtigte wie gewöhnlich die Arbeiten auf dem Landgute. Wie erstaunde sie aber, als sie den guten Zustand deselben und die große Ordung und den stillen Frieden unter den Sklaven sah. Bewundert fragte sie die Haushälterin der Sklaven hierüber und diese antwortete: "Seitdem Vinzenz, der Christ, hier weilt, ist das so geworden. Er ist Priester und die Sklaven halten ihn für eine Propheten, sie gehorchen und verehren ihn," Julma, begierig diesen Mann zu sehen, berief ihn zu sich, und bat ihn, ihr von seinen schönen Lieder vorzusingen. Vinzenz, voll Wehmut, gedachte der Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft, die vor Trauer nicht singen wollten; doch bald überwand er seinen Widerwillen und sang nun mit klarer Stimme und Tränen in den Augen die Worte des Psalmes 136: "Bei Babylons Flüssen saßen wir und weinten, wenn wir Sions gedachten." und schloß dann seinen Gesang mit dem lieblichen Lobliede: "Salve Regina". Als er geendet hatte, fragte ihn Zulma tief ergriffen: "Wie machst Du es, Friede unter diesen streitenden Menschen zu halten?" Vinzenz entgegnete: "Ich lege ihnen täglich die Lehre unseres Erlösers ans Herz: Was du nicht willst, das man Dir tue, das füge auch keinem Anderen zu." Wunderbar hatte der Gesang und die Rede Vinzenzens Zulmas Herz ergriffen; ein Strahl der göttlichen Gnade traf Ihre Seele und von nun an ging sie öfters auf das Landgut, um mit Vinzenz über die Religion Jesu zu sprechen und den Gott der Christen kennen zu lernen.
Als sie sich endlich hinlänglich unterrichtet glaubte, entdeckte sie ihrem Manne, wie sie schon längere Zeit mit einem christlichen Priester über seine Religion rede und wie sehr sie davon gerührt sei. Hierauf forderte sie ihren Mann, der darüber erstaunte, auf, wieder zur Religion seiner Väter zurückzukehren, denn auch sie sei entschlossen, Christin zu werden. Der Renegat war von den Worten seiner türkischen Gemahlin ganz betroffen; in seinem Herzen brach endlich das lange unterdrückte Verlangen, sich nun wieder mit Gott zu versöhnen und den heiligen Glauben, den er abgeschworen, wieder zu bekennen, mit Macht hervor, und er sann von nun an auf Mittel, um nach Frankreich zu entfliehen.
Am folgenden Tage ließ er Vinzenz zu sich kommen und eröffneten ihm seinen Entschluss, wieder Christ zu werden und nach Frankreich zu fliehen. Wer kann wohl die Freude beschreiben, die das Herz des heiligen Mannes bewegte, als er dies hörte. Dankend blickte er zum Himmel auf, von woher diese unerwartete Gnade und Hilfe kam und suchte durch die freundlichsten Worte den Renegaten in seinem Entschlusse zu bestärken. Es wurde nun alles zur Flucht verabredet, aber erst nach zehn Monaten konnte das Vorhaben ausgeführt werden. Diese Zeit benützte nun Vinzenz, um die gute Zulma im christlichen Glauben noch gründlicher zu unterrichten und die Bekehrung des Renegaten lebendig zu erhalten.
Endlich erschien der günstige Augenblick zur Flucht. Unter dem Vorwande des Fischens bestieg der Renegat Mericourt mit Zulma und Vinzenz ein kleines Schifflein und steuerte Frankreich zu. Die Fahrt auf dem Meere war aber höchst gefahrvoll; öfters drohte die vom Sturme gepeitschten Wellen das Schifflein zu verschlingen. Allein Vinzenz setzte sein Vertrauen auf Gott, der Wind und Wellen gebietet, und sein Vertrauen wurde nicht zu Schanden. Nach drei stürmlichen Tagen der Fahrt landeten sie glücklich an Frankreichs heimatlichen Ufer. Das Erste, was die drei Reisenden taten, war, daß Sie auf die Knie stürzten und Gott für Ihre wunderbare Rettung dankten. Als dann begaben sie sich nach der Stadt Avignon und Vinzenz führte dort seinen bisherigen Herrn mit dessen Weibe Zulma zum Bischof und bat für sie um Aufnahme im Schoß der katholischen Kirche. Mit Rührung und Erstaunen vernahm der Prälat die Erzählung des jungen Priesters Vinzenz üner seine Erlebnisse, umarmte ihn herzlich und versprach ihm seinen Schutz und Beistand. Mericourt wurde vom Kirchenbanne befreit und wegen seiner tiefen Reue und Bußfertigkeit wieder in die Kirche aufgenommen. Zulma wurde getauft und ihrem Manne kirchlich angetraut. Überall in der Stadt und Umgegend wurde nun Vinzenzens Name genannt und sein Schicksal, sowie die Rettung zweier Seelen durch seinen Hilfe erzählt. Er aber schrieb in seiner Demut alle Ehre Gott zu und noch jetzt zeigt man einen Brief von seiner Hand, welchen er an seinen früheren Zögling geschrieben hat und in welchem er von seinen Strapazen wenig, aber desto mehr von dem wunderbaren Walten der heiligen Vorsehung Gottes erwähnt.
So machen es alle Heilige; von sich sagen sie wenig oder nichts, aber alle Ehre geben sie Gott dem Herrn. Vinzenz war aber von Gott berufen, ein Heiliger zu werden.
Nach einem kurzen Aufenthalte in der Stadt Avignon nahm Vinzenz Abschied von Mericourt und Zulma und reiste mit dem Erzbischof nach Rom. Wie sehr freute es Vinzenz, die ewige Stadt zu sehen und dort gleichsam unter den Augen des heiligen Vaters aus den Quellen der Wissenschaft der Heiligen zu Schöpfen. Mit inniger Andacht betete er oft am Grabe der heiligen Apostel Petrus und Paulus, und nicht selten stieg er in die Tiefe der Erde zu den Gräbern der heiligen Märtyrer hinab, um sich dort lebendigen Glauben und Mut und Stärke zum Kampfe gegen alles Unheilige zu holen. Mit heißer Sehnsucht benetzte er oft den Boden, auf dem so viele Heilige gewandelt, geduldet und vollendet hatten.
In Rom wurde Vinzenz durch den Erzbischof von Avignon auch mit dem Gesandten Frankreichs bekannt, der ihm bei seiner Abreise einen höchst wichtigen Auftrag an den König Heinrich IV. anvertraute. Mit großer Klugheit richtete Vinzenz seinen Auftrag aus, zog sich aber gleich darauf in die Verborgenheit zurück, um nicht, wie er fürchtete, zu hohen Würden erhoben zu werden, die er leicht hätte erlangen können.
Du siehst hier, lieber Leser, wie die Heiligen handeln! Die Weltleute suchen nach Ehren und Würden, die Kinder Gottes aber fliehen sie.
Vinzenz bezog in der Stadt Paris eine einsame Wohnung und harrte da selbst im Gebet und geistlichen Übungen, bis der Herr ihm einen anderen Wirkungskreis anweisen würde. In dieser Wohnung ließ es Gott, der seinen Diener fort und fort prüfen wollte, zu, dass er eines Diebstahls fälschlich angeklagt wurde. Vinzenz schwieg, überließ seine Verteidigung dem Herrn, der ihn auch wunderbar aus der Gefahr rettete. Da er aber aus diesem Vorfall erkannte, wie gefährlich es sei für einen Geistlichen unter Weltleuten zu leben, zog er sich in das Kloster der Oratorianer zurück, wo er den frommen Pater Berulle zu seinem Beichtvater wählte, der ihn unter dem Gehorsame auf trug, die Pfarrei Elichi zu übernehmen. Hier arbeitete Vinzenz still und unverdrossen mit allem Eifer an dem Heile der Seelen und schon dachte er daran, für immer als ein einfacher Landpfarrer zu leben und zu sterben, als ihn Gottes Hand aus der bisherigen Dunkelheit hervor zog, um durch ihn seine wunderbaren Ratschlüsse zu vollziehen.
Vinzenz hatte sich vorgenommen, nie seinem eigenen Willen, sondern immer Gottes Willen zu folgen; deshalb überließ er sich ganz der Leitung seines Beichtvaters, in dessen Person er Gott selbst betrachtete. Da geschah es, dass sein Beichtvater ihm ein Schreiben zusendete, in welchem er ihm auf trug, die Pfarrei zu verlassen und die Stelle eines Lehrers für die Söhne des Grafen Emanuel von Gondi, Generals der Galeeren zu Paris, zu übernehmen. Vinzenz gehorchte und reiste nachdem er mit vielen Tränen von seiner geliebten Pfarrgemeinde Abschied genommen hatte, in die Stadt.
Am 23. Januar 1613 kam Vinzenz mit seinem kleinen Hausrate in Paris an, um als Lehrer bei der Familie Gondi einzutreten. Der Graf Gondi zeichnete sich durch große Menschenliebe und tiefe Religiosität aus und seine Gemahlin war eine der edelsten und tugendhaftesten Damen. Als Vinzenz ihr vorgestellt wurde, führte sie ihm ihre drei Kinder vor und sprach:
„Ich wünsche, es möchten diese Kinder, die mir Gott gegeben hat, eher Heilige als große Herren werden!“ Ach wenn doch alle Mütter so dächten!
Vinzenz erhielt ein eigenes Zimmer im Pallaste des Grafen, wo er mitten in den Zerstreuungen, die ihm umgaben, ganz einsam lebte und nur darauf dachte, wie er die ihm anvertrauten Kinder und sich selbst heiligen könne. So lieb er seine Einsamkeit hatte, so verließ er sie doch sogleich, wenn er dem Nächsten Hilfe leisten konnte. War ein Diener im Hause krank, so war er gewiss der erste, der ihm bestand, und Trost und Hilfe brachte. Entstand ein Streit unter der Dienerschaft, so ruhte er nicht eher, als bis der Friede hergestellt war und durch sein schönes Beispiel und seine guten Ermahnungen brachte er es nach und nach dahin, dass beinahe alle Dienstboten des Hauses an hohen Festtagen die heiligen Sakramente empfingen. Vor dem Grafen hatte Vinzenz große Achtung, aber niemals schmeichelte er ihm. Sonder sobald er merkte, dass im Hause die göttlichen Gesetze irgendwie verletzt wurden, so erhob er sich mit allen Freimute dagegen. Als einst der Graf im Begriffe war, sich in einen Zweikampf einzulassen, warf sich ihm Vinzenz nach der heiligen Messe zu Füßen und sprach: „Im Namen Gottes, Herr Graf, den Sie eben auf dem Altare angebetet haben, sage ich Ihnen, wenn Sie bei ihrem verderblichen Entschlusse verharren und das Schwert ergreifen, um sich zu schlagen, so wird er nicht nur an Ihnen, sondern auch an Ihrem ganzen Hause Gerechtigkeit ausüben.“ Vinzenz stand auf, legte seine Hände kreuzweise auf die Brust, verneigte sich und ging. Der Graf war tief erschüttert und nahm sich die Worte zu Herzen.
Die Einrichtung der Volksmissionen
In dieser Zeit geschah es auch, dass Vinzenz eine Einrichtung wieder in das Leben rief, welche bis auf den heutigen Tag die segensreichsten Früchte trägt, nämlich die Volksmissionen.
Mit der Gräfin Gondi und den Kindern musste Vinzenz öfters auf die Landgüter ziehen, wo dann die Gräfin die armen Landbewohner besuchte, ihre Bitten anhörte, ihnen Unterstützungen reichte und überallhin Segen verbreitete. Vinzenz, den sie auch zu ihrem Beichtvater gewählt hatte, half ihr treulich damit. Er besuchte die Kranken, unterrichtete die Kinder und suchte allenthalben Seelen für Gott zu gewinnen. Eines Tages wurde Vinzenz zu einen sterbenden Landmann gerufen. Sogleich eilte er dahin und bat den schwer erkrankten Mann, eine allgemeine Beichte abzulegen. Allein der Mann zögerte und gestand endlich, dass er schon seit vielen Jahren schwere Sünden in der Beichte verschwiegen habe, weil er sich geschämt, sie einzugestehen.
Vinzenz stellte ihm die Größe seiner Sünde lebhaft vor Augen und brachte es durch liebevolles Zureden so weit, dass der Mann öffentlich und sogar im Beisein der Gräfin, die ihn besuchte, die schwerste Sünden reumütig bekannte. Als die Gräfin dies bemerkte, rief sie aus: „Ach, Herr Vinzenz wenn dieser Mann, der allgemein für rechtschaffen gegolten, dennoch im Stande der Verdammnis lebte, wie wird es mit Andern stehen, welche noch schlechter leben! Ach, wie viele Seelen gehen verloren! Was gibt es dagegen für ein Mittel?“
Mit Gottes Gnade fand sich das Mittel. Vinzenz fing an, Volksmissionen zu halten. Anfangs predigte er dem Volke mehrere Tage allein und bald wurde der Zudrang derer, die sich belehren wollten, so groß, dass Vinzenzens Kräfte nicht mehr ausreichten und die Jesuiten ihm zu Hilfe eilen mussten. Jetzt war der Grund zu den segensreichen Missionen gelegt, wodurch viele Tausende von Seelen dem ewigen Verderben entrissen wurden. Auch in jetziger Zeit werden an vielen Orten ähnliche Missionen gehalten.
O lieber Leser, versäume es nicht, einer solchen beizuwohnen, lasse dich durch nicht abhalten, denn groß ist die Gnade, welche du dadurch erlangen würdest!
Sein Wirken in der Gemeinde Chatillon
Nachdem Vinzenz an vielen Orten den Landbewohnern die ewigen Wahrheiten verkündet und mit Gottes Gnade viele Herzen für Gott gewonnen hatte, kehrte er nach Paris zurück. Dort fasste er den Entschluss, die Familie Gondi zu verlassen und zwar aus zwei Gründen. Der Graf und seine Gemahlin überhäuften ihn nämlich mit Ehren und Lobeserhebungen und dies war dem demütigen Vinzenz in der Seele zuwider, er wollte für sich niemals eine Ehre, sondern nur Verachtung; alle Ehre gab er Gott. Zugleich glaubte er nicht hinreichende Kenntnisse zu besitzen, um die Söhne des Grafen ferners zu unterrichten. Da er aber voraus sah, dass ihn der Graf nie fortlassen werde, so wollte er heimlich entweichen. Bevor er aber dies ausführte, fragte er seinen Beichtvater um Rat. Dieser entgegnete ihm: „Wohin wollen Sie sich denn wenden?“ Vinzenz entdeckte ihm nun, dass er sich von Gott berufen fühle, Seelsorger zu werden, man möge ihn nur auf einen entfernten Ort senden. Während er dies sagte, brachte ein Diener den Beichtvater einen Brief, in welchem die Väter Oratorianer baten, ihnen einen kräftigen, tätigen und würdigen Priester für die Pfarrei Chatillon zu schicken. Der Beichtvater reichte Vinzenz den Brief und sprach: „Hier ist ein Geschäft, das trefflich für Sie passt. Es ist da viel zu tun und wenig zu gewinnen. Was sagen Sie dazu?“ Vinzenz sah hierin den Finger Gottes und nahm die Pfarrei mit Freuden an.
Vinzenz ging nun beruhigt nach Hause, packte seine wenigen Habseligkeiten zusammen und reiste, ohne dem Grafen und der Gräfin etwas zu sagen, in die neue Pfarrei ab. Kaum aber hatte die gräfliche Familie seine Abreise vernommen, als sie alles aufbot, um ihn wieder zur Rückkehr zu bewegen; selbst der Bischof von Paris musste ihn deshalb bitten. Vinzenz hatte einen harten Kampf mit sich zu bestehen. Er nahm aber wie gewöhnlich seine Zuflucht zum Gebete, und siehe da, eine innere Stimme sagte ihm: „Hier in Chatillon kannst Du mehr Nutzen stiften.“ Vinzenz blieb und legte sogleich Hand ans Werk, um seinem Berufe als Pfarrer zu entsprechen.
Die Pfarrei Chatillon war im Glauben und in Sitten tief herabgesunken; schon vierzehn Jahre hatte die Kirche da selbst keinen Pfarrer mehr und die sechs Kapläne, welche die Seelsorge auf sich hatte, waren leider Mietlinge und keine wahren Priester. Das arme Volk war ganz unwissend und sittenlos und die Mehrzahl war vom Irrtume Kalvins angesteckt. Vinzenz stand bei seiner Ankunft kein Pfarrhaus zur Verfügung und so musste er sich eine Wohnung mieten. Die Kirche des Orts war ganz nackt, die Wände waren schwarz, die Altäre ohne Zierde. Dieser Anblick schmerzte Vinzenz tief, aber er verlor den Mut nicht. Zuerst machte er mit der Besserung der sechs Priester den Anfang, und es gelang durch sein artiges, sanftes Benehmen und seine freundlichen Gespräche, Ihre Herzen zu gewinnen, so dass sie sich eines eingezogenen Wandels bestissen. Er aber blieb nicht auf halbem Wege stehen, er wollte, dass alle wahrhaft fromme Priester des Herrn würden.
Er ging ihnen mit gutem Beispiel voran und suchte durch Barmherzigkeit gegen die Armen die Liebe Gottes in ihnen zu entflammen. Das Almosen, dass er für die Armen bestimmt hatte, ließ er durch sie austeilen und als es eines Tages an Geld fehlte, sprach er zu Ihnen: „Es gibt arme Familien, denen es an Wäsche fehlt; suchen Sie in meinem Kästen und geben Sie so lange, bis sie leer sind. Es fehlt den Armen an Kleidung; nehmen Sie meine Kleider und wenn das nicht zureicht, so werde ich Schulden machen, was macht es?“ Dies Benehmen des Heiligen wirkte. Die sechs Priester wurden mitleidig, eifrig und endlich ganz umgewandelt.
Nun machte sich Vinzenz auch an seine Pfarrkinder und suchte sie vor Allem zur Ablegung von aufrichtigen Beichten zu bewegen. Bald gelang es ihm mit Hilfe eines besonders eifrigen Gehilfen, die Sitten der Pfarrkinder bedeutend umzuändern, wozu ihm Gott eine besondere Gabe der einsichtsvollsten Klugheit gegeben hatte. Unter vielen Beispielen will ich nur Eines erzählen: „In der Nähe von Chatillon lebte auch in einem festen Schlosse eine vornehmer Herr, der mit mehrere Genossen ein wildes, gottvergessenes Leben führte und mehrer Mordtaten auf der Seele hatte. Schon im Alter vorgerückt, erwachte ihn ihm das bisher schlummernde Gewissen. Man konnte ihn seit einiger Zeit öfters in seinem Mantel gehüllt ernst und nachdenkend auf einsamen Wegen gehen sehen. Eines Tages hörte er von Vinzenz zufällig sprechen und dessen Liebe gegen die Sünder rühmen. „Wie, sagte er, wenn dieser Mann auch Worte des Trostes und der Vergebung für mich hätte, wie, wenn er die bösen Geister meines Gewissens beschwören könnte!“ Er beschloss, Vinzenz aufzusuchen, hörte seine Predigten und besucht ihn selbst. Vinzenz nahm ihn liebevoll auf und rührte halb durch sein eindringlichen Worte so sehr sein Herz, dass er eine allgemeine Beicht ablegte und von nun an sich wie ein Lamm von Vinzenz leiten ließ. Er söhnte sich mit seinen Feinden aus, vermachte sein ganzes Vermögen den Armen und starb als frommer Christ in einem Kloster zu Lyon.
Bis zum Jahre 1622 lebte und arbeitete der heilige Vinzenz auf seiner Pfarrei; nur Gott ist es bekannt, wie viele Seelen er gerettet, wie viele Betrübte er getröstet, wie viele Notleidende er ein rettender Engel gewesen. Nun sollte er aber nach dem Willen Gottes noch Größeres vollbringen. Widerwillen musste er wieder in das Haus des Grafen Gondi zurückkehren und von dieser Zeit an begann Vinzenz unter dem sichtbaren Beistande Gottes eine Reihe von Einrichtungen ins Leben zu rufen, welche teilweise bis auf den heutigen Tag segensreich in Frankreich fort wirken.
Vinzenz hatte nach seiner Ankunft in Paris wieder auf dem Lande Missionen gehalten und auf seiner Reise nach Marseille das schreckliche Los der Galeerensträflinge kennen gelernt. Er wollte diesen Unglücklichen zu Hilfe kommen und übernahm daher mit Freuden das Amt eines General-Almosengebers der Galeeren, welches ihm König Ludwig XIII. übertrug. Unbekannt reiste Vinzenz nach Marseille, um dort von den Zustande der Gefangenen auf den Schiffen sich zu überzeugen. Ach wie sehr blutete sein Herz, als er sah, wie diese Verbrecher, mehr grausamen Tieren als Menschen ähnlich, Gott und Ihr Dasein verfluchten und von Buße gar nichts wissen wollten. Während er mit Tränen diese Unglücklichen betrachtete, erblickte er einen Mann von edlem Aussehen, der aber trotz der härtesten Züchtigungen doch zu arbeiten sich weigerte. Vinzenz trat näher, bat den Aufseher mit der Züchtigung einzuhalten und erkundigte sich mit sanften Worten um das Schicksal des armen Verbrechers. Lange wollte ihm dieser keine Antwort geben; endlich von der Teilnahme des Heiligen ergriffen, erzählte er ihm, dass er wegen unüberlegter Teilnahme an einem Betruge, den sein Meister verübt habe, hieher geschleppte worden sei. Er habe zu Hause ein Weib und Kinder und sei der Verzweiflung nahe. Der Heilige war tief erschüttert; längere Zeit besann er sich, wie er dem Unglücklichen helfen könne, fand aber nur einen Weg, ihn zu retten. Er eilte zum Aufseher und ließ nicht nach dem Bitten, bis dieser ihm erlaubte, statt des Unglücklichen die Ketten zu tragen und seine Arbeit zu verrichten. Der Sträfling wollte dies Anfangs nicht zugeben, doch endlich siegte die Liebe zu Weib und Kind und Vinzenzens Zureden. Er verließ Marseille und eilte nach Hause, während Vinzenz freudig seine Ketten trug und mitten unter den verwilderten Verbrechern lebte.
Mittlerweile forschte man in Paris nach Vinzenz. Niemand wusste, wo er sei. Die Gräfin Gondi sendete überall Boten aus und endlich fand ihn Ihr Bruder mit Ketten beladen auf der Ruderbank sitzen und arbeiten. Kaum hatte der Befehlshaber davon gehört, als er staunend über eine solche erhabene Tat herbeieilte und in größter Rührung Vinzenz der Ketten entledigte.
Du lebst, lieber Leser, wirst hierüber staunten; aber höre nur weiter, ich will dir noch mehr von der Liebe des Heiligen erzählen.
Als er nach Paris zurückgekehrt war, ließ er sich die Gefängnisse öffnen, wo die zu den Galeeren Verurteilten aufbewahrt wurden, bevor man sie dahin abführte.
Er stieg in Ihre dumpfen Keuchen hinab, tröstete sie und sorgte nun dafür, dass für sie ein Spital eingerichtet wurde, wo sie körperlich und geistig gepflegt werden konnten. Als das Spital hergestellt war, zog er an der Spitze einer Reihe von mit Ketten beladenen Verbrechern dahin, welche ihm, dem guten Hirten, wie Lämmer folgten, so sehr hatte er ihre harten Herzen erweicht.
Der heilige Vinzenz hatte schon lange, besonders auf seinen Missionen, die Erfahrung gemacht, dass der Mangel an lebendigem Glauben und die Unwissenheit, in Sachen der heiligen Religion, die Ursache der zahlreichen Laster und Unordnungen sei, womit sich die Menschheit entehrt und unglücklich gemacht. Schon früher hatte auf sein Bemühen die gute Gräfin Gondi, als sie die schönen Früchte der Missionen des Vinzenz sah, eine Stiftung gemacht, gemäß welcher alle fünf Jahre auf Ihren Landgütern Missionen gehalten werden sollten, und da seine geistliche Genossenschaft sich herbei lassen wollte, die Verbindlichkeit hiezu zu übernehmen, so übertrug sie die Sache dem Heiligen. Bereits war ein Kapital zum Unterhalt der Missionspriester angelegt, die Stiftungsurkunde ausgestellt und ein Haus, genannt das „Kollegium der guten Kinder,“ gestimmt. Vinzenz wurde zum Vorstand der neuen geistlichen Genossenschaft ernannt; aber Geistliche wollte sich nicht herbeilassen, in die Genossenschaft zu treten, denn sie verlangte von ihren Mitgliedern, dass sie ganz unentgeltlich dem armem Landvolke ihr ganzes Leben hindurch das heilige Evangelium predigen und den armen Galeerensträflingen und Gefangenen die Tröstungen der heiligen Religion bringen sollten. Doch Vinzenz verzagte nicht, einen eifrigen Gehilfen hatte er schon, mit dem er in Gesellschaft noch eines Teilnehmers von Ort zu Ort ging und mit evangelischer Einfalt, ohne jemand zur Last zu fallen, dem armen Volke predigte. Bald aber sendete ihm Gott neue und zahlreiche Gehilfen, mit denen er das schöne Kloster St. Lazarus in Paris bezog, woher sie dann den Namen Lazaristen erhielten. Vinzenz war Ihre Oberer, aber eigentlich der Diener Aller. Die größte Armut herrschte in der Versammlung dieser eifrigen Priester, der ärmste von allen war Vinzenz. Sein Zimmer war ein kleines, gewöhnlich im Winter ungeheiztes Stübchen, darin ein hölzerner kleiner Tisch, zwei Strohsesseln und ein ärmliches Bett. Seine Kleidung war reinlich, aber ganz gemein und oft geflickt. Seine liebsten Speisen waren die Überbleibsel der Brüder. Oft verreiste er ohne Geld und bettelte dann sein Stücklein Brot. Je größer seine Sparsamkeit für sich und seine Brüder, desto freigebiger war seine Barmherzigkeit gegen die Armen.
„Das Vermögen des Hauses, sagte er oft zu seinen Genossen, ist das Vermögen der Armen, wir sind nur Verwalter und nicht Herren davon.“ Wollte sich ein Priester in die neue Versammlung aufnehmen lassen, so musste er sich entschließen, wie ein armer Pilger auf Erden zu leben und arm zu sein wie Christus. Deshalb ruhte denn auch Gottes Segen sichtbar auf der Versammlung dieser armen Missionspriester. Wohin sie nur kamen, weckten sie den Sinn für Religion und Tugend, die großen Sünder wurden erweicht, die Ketzer schworen Ihren Irrtum ab und allgemeine Beichten zählten man zu Tausenden. Noch zu Lebzeiten des heiligen Vinzenz wurden mehr als 700 Missionen in ganz Frankreich gehalten und Vinzenz arbeitete noch in einem Alter von 80 Jahren mit an dem Heile der Seelen.
Wo die Religion aus dem Herzen weicht, da weicht auch der Segen Gottes und mit der Liederlichkeit geht dann allgemeine Verarmung Hand in Hand. Vinzenz suchte diese Übel zu heben. Durch die heiligen Missionen suchte er den heiligen Glauben und die christliche Liebe in die Herzen zu pflanzen und durch nimmer verfliegende Barmherzigkeit suchte er der Verarmung abzuhelfen und der allgemeinen Not zu steuern. Er sah ein, dass nur durch vereinte Kräfte Hilfe geschafft werden könne, und Gott sendete in der Person der frommen, von heiliger Nächstenliebe entflammten Witwe le Gras, geborne Louise Marillac, eine eifrige Gehilfin. Durch Ihre Mitwirkung gelang es ihm, einen Verein von Frauen zu gründen, welche die Notleidenden, besonders die verschämten Hausarmen, unterstützen und mit dem Almosen auch die Herzen für Gott zu gewinnen suchten. Heutzutage wird er zum Segen von Tausenden in Deutschland und Frankreich fort.
Orden der barmherzigen Schwestern
Das schönste Werk aber, das Vinzenz mit Hilfe dieser frommen Witwe stiftete, ist der weltberühmte Orden der barmherzigen Schwestern zur Pflege der Kranken. Anfangs bestand dieser Orden nur aus einigen frommen Mädchen, welche sich unter der Leitung des Heiligen und der Frau le Gras, dem Dienste der Kranken in den Häusern der Stadt Paris widmeten. „Sie hatten, sagt der Heilige selbst, nur die Häuser der Kranken als Kloster, ein dürftiges Zimmer war Ihre Zelle, Ihre Kapelle war die Pfarrkirche, Ihr Kreuzgang waren die Straßen der Stadt, Ihre Klausur war der Gehorsam, Ihr Gitter die Furcht Gottes und die heilige Bescheidenheit Ihr Schleier.“ Sie suchten selbst die armen Kranken auf, brachten ihnen die nötige Nahrung und Wäsche, bettelten für sie bei den Reichen und Vornehmen, und pflegten sie Tag und Nacht mit liebevoller Sorgfalt. Nach und nach entstand aus diesem wenigen Dienerinnen der Armen, wie sie sich selbst nannten, der große klösterliche Verein der barmherzigen Schwestern, der sich jetzt über die ganze Erde verbreitet hat und zum Troste der leidenden Menschheit unsäglichen Segen verbreitet. Selbst die schreckliche Revolution in Frankreich, welche alles Heilige zu vernichten drohte, schonte der barmherzigen Schwestern und auch die Ungläubigen bewunderten diese Engel in Menschengestalt. Der Orden der barmherzigen Schwestern ist das schönste Werk des heiligen Vinzenz, die lieblichste Blume im Garten der heiligen katholischen Kirche.
Anstalt der Versorgung von Findelkindern
Noch ein anderes Werk der Liebe des heiligen Vinzenz muss ich hier erwähnen: Es ist die Anstalt der Versorgung von Findelkindern. Ihre Entstehung ist folgende:
Vinzenz ward einst in der Nacht zu einem Kranken gerufen; ein Bruder des Klosters begleitete ihn mit einer Laterne. Während sie so in dunkler Nacht hinwandelten, hörten sie an einer Gassenecke ein starkes Geschrei. Als Vinzenz näher kam, hörte er die Stimme einer Mutter, welche flehend zu einem anderen Weibe sagte, sie möchte ihr doch ihr Kind lassen und sein unschuldiges Blut nicht zu gottlosen Zaubereien missbrauchen. Als Vinzenz hinzu trat, wollte das Weib entfliehen, er aber hielt es zurück und fragte, was es da gebe. Die trostlose Mutter erkannte an der Kleidung, dass Vinzenz ein Priester sei und gestand ihm, dass die Not sie gezwungen habe, ihr Kind auf die Straße zu setzen. Nun habe sie gehört, dass jene Frau, Landry mit Namen, mit der sie geredet, diese ausgesetzten Kinder aufnehme und zum Gebrauche gottloser Zauberei verkaufe. Ich wollte nun heute von dieser Frau mein Kinde wieder zurück haben, allein vergeblich; sie hat es eben davon getragen. Ich eilte ihr nach, bat sie und flehte um mein Kind, aber vergeblich. Vinzenz ließ sich von der jammernden Mutter zur Frau Landry den Weg zeigen, wo er durch strenge Nachforschung und durch sein großes Ansehen die Wahrheit obiger Aussage erfuhr. Er erhielt das Kind und da er bei dieser gottlosen Frau noch mehrere kleine Kinder in der hilflosesten Lage sah, machte er bei sich das Gelübde, diesen unglücklichen kleinen Findlingen zu helfen.
Am folgenden Morgen zeigte er die ganze Sache dem Magistrate an: die lasterhafte Frau mit ihren Genossen wurde strenge bestraft, Vinzenz aber sann auf Mittel, wie die bei diesem Weibe befindlichen und täglich auf der Straße von Paris ausgesetzten Kinder gerettet und christlich erzogen werden könnten. Er berief die zur Wohltätigkeit vereinten Frauen zu einer Versammlung, stellte ihnen die traurige Lage dieser armen Findlinge vor und sprach so eindringlich, dass die Frauen alles, was sie an Schmuck und Geld bei sich hatten, hergaben und so zur Gründung eines Findelhauses den Grund legten. Die barmherzigen Schwestern übernahmen die Pflege der armen Kindern. Aber nun brach der Krieg aus, die Not und das Elend erreichten einen hohen Grad; arme Eltern und gefallene Mädchen setzten ihre Kinder zahlreich auf die Straßen und bald ward die Menge der gefundenen Kinder so groß, dass Vinzenz sie nicht mehr nähren konnte. In dieser Not wandte er sich wieder an die wohltätigen Damen der Stadt, stellte ihnen mit den lebhaftesten Farben das Schicksal dieser verlassenen Kinder vor und sagte Ihnen, dass sie nur die Wahl hätten zwischen dem Tode und dem Leben dieser armen Kleinen, von denen schon viel anfingen, Gott zu dienen und für das Heil Ihre Wohltäter zu beten.
Seinen rührenden Worten konnte kein Herz widerstehen und als er nun eine Türe öffnete, welche in eine anstoßende Kapelle führte und hier nun auf die versammelten kleinen Kinder hinwies, denen Ihre Wärterinnen die kleinen Händlein zum Gebete falteten, da blieb kein Auge trocken, alle Damen weinten und gaben, was sie vermochten; Das große Findelhaus war nun fest gegründet, die armen Kinder waren gerettet.
Die Stiftungen der Missionspriester, des Ordens der barmherzigen Schwestern und des Rettungshauses der armen Findelkinder waren zwar die größten, aber nicht die einzigen Werke der Liebe des heiligen Vinzenz. Er war der Erneuerer und das geistliche Oberhaupt mehrerer von seinem heiligen Freunde Franz von Sales gestifteter Klöster vom Orden Mariä Heimsuchung.
Er verpflanzte die Genossenschaft des heiligen Karl Borromäus für Bettler und Notleidende nach Frankreich, stiftete das Magdalenen-Kloster für gefallene Weibspersonen, er gründete Häuser zu Priesterversammlungen, um die Geistlichen für Ihren Beruf zu heiligen; er stiftete das große Seminarium und ein Spital zu Paris, den Verein der Jungfrauen des heiligen Kreuzes für den Unterricht und das Seelenheil der weiblichen Jugend, die Töchter der Vorsehung für hilflose Mädchen, eine Gesellschaft zu Vermehrung des Glaubens, eine Genossenschaft von Jungfrauen für weiblichen Unterricht, ein Spital für arbeitsunfähige Handwerker, eine Anstalt für Wahnsinnige, eine ähnliche Anstalt für ungeratene Jünglinge und dann noch ein allgemeines Spital für alle Arme und Kranke der Stadt Paris.
Du staunst mit Recht, lieber Leser, über diese Werke eines einzigen heiligen Mannes, aber du wirst noch mehr staunen, wenn ich dir sage, dass Vinzenz zu all diesen großen, kostbaren Stiftungen selbst keinen Kreuzer Geld besaß. Er war arm, dagegen groß sein Vertrauen auf die heilige Vorsehung und gute Menschen gelang ihm auch das Schwierigste. Es schien, als hätte Gott ihn zum Helfer und Tröster aller Notleidenden in damaliger jammervoller Zeit gemacht. Es wütete der Krieg, es wütete die Hungersnot und die Pest, und mitten unter den Tausenden und Tausenden von Unglücklichen, welche in der Stadt Paris, auf dem Lande in den Provinzen des Reiches, ja in den angrenzenden Ländern um Hilfe riefen, stand der heilige Vinzenz helfend, ratend, tröstend und segensspendend.
In Lothringen, wo Pest, Hunger und Krieg hausten, zeigte sich Vinzenzens Liebe am schönsten. Er sammelte überall für die Unglücklichen Almosen und sandte durch einen Bruder, der drei und fünfzig Reisen dahin machte, im Ganzem ungefähr 14 Millionen Gulden dahin. Wunderbar waltete Gottes Hand mit dem Boten, der dieses Geld mitten durch herumschweifendes Gesindel und plündernde Soldaten tragen mußte und jeder Gefahr glücklich entging.
Ich habe Dir nun, lieber Leser, in wenigen Zügen das bisherige werktätige Leben dieses großen heiligen Mannes gezeigt; Alles, was er zur Ehre Gottes und zum Heile der Seelen Großes geleistet, ist nicht möglich zu erzählen, ein großes Buch reichte nicht hin. Vernimm nun zu Deiner Erbauung und zu Nachahmung einigens von seinen Tugenden.
Tugenden des hl. Vinzenz
Bei all den erstaunlichen Werken, die er vollbrachte, blieb Vinzenz immer demütig. Er betrachtete sich immer nur als ein armseliges Werkzeug in der Hand Gottes und niemand wunderte sich mehr, als er selbst, wenn Gott irgend ein heilsames Werk durch ihn vollbrachte. Von Königen und hohen Herren hoch geehrt, von seinen Ordensgenossen geliebt, von den Amen fast angebetet, vergaß er doch nie, dass er von einem armen Bauern abstamme, und einst die Schafe gehütet habe. Wenn ihm jemand lobte, so fühlte er darob tiefen Schmerz und gar oft wies er die Ehre mit den Worten von sich: „Ich bin nur der Sohn eines armen Bauern und ein Schafhirt gewesen.“ Sein Wahlspruch war immer „Nicht mir, o Herr, nicht mir, sondern Dir allein gebührt die Ehre.“
Neben der Demut schmückte Ihn auch große Sanftmut; er war von Natur aus hitzig, aber dennoch brachte er es durch fortdauernden Kampf so weit, dass ihn kein Hindernis, keine Beleidigung aus seinem Gleichmut bringen konnte. Sein Antlitz war immer ruhig und heiter, immer war er freundlich und zuvorkommend und wenn er Jemand zurechtweisen musste, so waren seine Worte nie hart und verletzend. Wenn er irgend einen Entschluss ausführen wollte, so unterließ er es nie, zuerst Gott um Rat und Hilfe zu bitten. Ganze Stunden lag er auf den Knien vor dem hochwürdigsten Gute und bat um Licht und Kraft; dann erst legte er Hand an das Werk, aber nie übereilt, sondern bedächtig und beharrlich und er brachte es dann mit der Hilfe Gottes, die ihm niemals fehlte, sicher zu Stande, mochten auch noch so große Hindernisse in den Weg sich stellen.
Er war ein Mann des Gebets. Neben seinem Breviergebete pflegte er lange Betrachtungen und Bußübungen anzustellen. Er begnügte sich nicht, den Armen, Kranken, Gefangenen leiblich zu helfen, er betete oft und inbrünstig für das Seelenheil derselben. So oft er ausging, warf er sich zuvor in der Kapelle vor den Tabernakel hin, und bat Jesum demütig um seinen Segen; kam er nach Hause, so trat er zuerst in die Kapelle und dankte seinen Heilande für die Gnaden, die er ihm verliehen. Traf er auf seinen Reisen eine Pfarrkirche, so ging er hinein und verrichtete die Anbetung vor dem Allerheiligsten. Wo er über Nacht oder Mittag einkehrte, war gleichfalls sein erster Gang in die Kirche, um da dem Könige des Himmels zu huldigen.
Sein Vertrauen auf die göttliche Vorsehung war unerschütterlich, er hielt es für eine Beleidigung derselben, ängstlich zu sorgen, Eines Tages trat der Verwalter des Hauses mit betrübter Miene in Vinzenzens Zelle und sprach: „Herr, ich habe keinen Kreuzer mehr!“ Der Heilige aber erwiderte: „O welch' gute Nachricht! Gott sei gepriesen, jetzt können wir zeigen, ob wir der Vorsehung vertrauen.“ Der Verwalter aber wollte sich nicht trösten lassen. Deshalb fuhr Vinzenz fort: „Nun, mein Herr, was tun sie in solchen Fällen? Nehmen Sie Ihre Zuflucht zu Gott?“ „Ja, zuweilen,“ erwiderte derselbe. „nun sehen Sie, bemerkte Vinzenz lebhaft, das bewirkt eben die Armut; sie macht, dass wir an Gott denken und unser Herz zu Ihn erheben. Es liegt in dieser Armut eine Gnade verborgen, welche wir nicht kenne.“ „Aber, erwiderte der Verwalter, sie tun andern Armen Gutes und setzten die Ihrigen hintan.“ „Ich bitte Gott, antwortete Vinzenz, dass er Ihnen diese Worte verzeihe, ich sehe wohl, Sie haben sie unüberlegte Weise ausgesprochen! Wissen Sie aber, dass wir nie reicher sein werden, als wenn wir Christo gleich sind!“ Vinzenzens Vertrauen wurde nicht zu Schanden; für die letzten fünfzig Taler, welche er armen flüchtigen Edelleuten geschenkt hatte, so dass im Hause kein Kreuzer mehr war, wurden dem Kloster am andern tage tausend Franken von unbekannter Hand gesendet. Der Heilige pflegte daher oft zu sagen: „Die Schätze der göttlichen Vorsehung sind unerschöpflich, nur unter Misstrauen bringt Ihr Unehre.
Von der Liebe zu Gott und dem Nächsten, die in des heiligen Herzen immerdar brannte, geben seine Werke Zeugnis. Man kann sagen, dass die Liebe sein Herz verzehrte. Er suchte nichts anderes, als seinem geliebten, gekreuzigten Heilande ganz ähnlich zu werden und nie wollte er etwas anders, als was Christus wollte, nämlich, dass Gott überall und von Allen erkannt, geehrt, geliebt, verherrlichet und dass sein heiligste Wille erfüllt werde wie im Himmel, so auch auf Erden.
Diese Heilige Gottesliebe verlieh ihm auch Geduld in seinen vielen, mannigfachen Leiden. Schon im Hause des Grafen Gondi befiel in ein Übel an seinen Schenkeln und Füßen, das ihm sein ganzes Leben hindurch die größten Schmerzen verursachte. Als er das Missionshaus gründete, litt er an einem heftigen Wechselfieber, das acht Jahre dauerte. Mit heldenmütiger Geduld trug er das große Leiden und war dabei immer tätig. In seinem neunundsechzigsten Jahre beraubte ihm eine sehr peinliche Krankheit oft der Besinnung; aber während er von Sinnen war, sprach sein Mund die rührendsten Worte der Liebe zu Jesus. Als ihn ein Augenübel befiel, befahl der Arzt eine Taube zu schlachten und mit dem Blute die Augen zu bestreichen. Allein Vinzenz ließ das Tier nicht umbringen und sagte: „Dieses Täublein stellt die Unschuld Christi, des Herrn, dar, lasst es leben.“
Im Alter von 82 Jahren öffnete sich ein Geschwür an seinem rechten Fuß, sein ganzer Fuß wurde nun offen, auch nahmen die Schmerzen an den Knien alle Tage zu, so dass er das Haus nicht mehr verlassen konnte. So lange er es aber vermochte, ging er in die Kirche, um das heilige Opfer zu feiern und die Versammlungen zu leiten. Zwei Jahre darnach versagte ihm die Füße den Dienst gänzlich, und er konnte zu seinem größten Leidwesen die heilige Messe nicht lesen. Er verlangte, sie wenigstens anzuhören und schleppte sich mühsam auf Krücken und von Priestern geführt in die Hauskapelle. Während er am ganzen Leibe von den heftigsten Schmerzen gefoltert war, blieb er doch heiter und freundlich und wenn man ihn seiner Schmerzen wegen bedauerte, sagte er: „ Meine Leiden sind mit den Leiden Christi gar nicht zu vergleichen;“ er brach dann kurz ab und redete von andern Dingen.
Vinzenz wir zu Gott gerufen
Allmählich nahte nun der Tod, aber er war ihm nicht unerwartet. - Er hatte seine Lenden bereits gegürtet und seine Lampe war mit Öl gefüllt, um den Bräutigam zu erwarten. „Seit achtzehn Jahren, sagte er zu einem Priester seines Hauses, habe ich mich nie niedergelegt, ohne mich so vorzubereiten, als müsste ich dieselbe Nacht noch sterben.“ Öfters sprach er zu den Seinigen: „An einem dieser Tage wird der elende Leib dieses armen Sünders zur Erde bestattet werden, und ihr werdet ihn mit Füßen treten.“ Einige Tage vor seinem Tode überfiel ihn eine tiefe Schlafsucht; er sah in derselben den Vorboten des Todes und sagte lächelnd: „Der Bruder ist gekommen, um die Schwester (den Tod) zu erwarten.“ Noch am Tage vor seinem Ende ließ er sich in die Hauskapelle tragen, um dort die Messe zu hören und die heilige Kommunion, wie gewöhnlich, zu empfangen. In das Zimmer zurückgebracht, empfing er das heilige Sakrament der letzten Ölung.
Einer der frömmsten Priester von St. Lazarus trat in das Zimmer und bat den kranken Diener Gottes für sich und alle Brüder um den letzten Segen und flechte ihn an, dass er Gott bitten möge, dass der Geist, den er Ihnen eingeflößt, fortan auf ihnen ruhen möge. Der Heilige antwortete: „Der das gute Werk angefangen, wird es auch vollenden.“ Dann begann er die Worte des Segens zu sprechen und während dessen entschlief er angekleidet, im Sessel sitzend ruhig im Herrn, am 27. September 1660. Er hatte ein Alter von beinahe 85 Jahren erreicht. Sein Körper bleib nach dem Tode so geschmeidig und biegsam, wie er vorher war, sein Angesicht war eher das eines Schlafenden, als das eines Toten, voll Heiterkeit und Sanftmut. Wenige Menschen sind nach ihrem Tode so beweint worden, als der heilige Vinzenz. Die ganze Kirche Frankreichs trauerte; am meisten aber weinten die Armen, die Kranken und die Gefangenen, denen er so unsäglich viel Gutes getan.
Im Jahre 1712 wurde auf Befehl des Papstes sein Leib erhoben und man fand ihn vollkommen unversehrt. Im Jahre 1729 wurde nach sorgfältiger Prüfung der vielen Wunder, welche auf die Fürbitte des Heiligen geschahen, von Benedikt XIII. Feierlich seine Heiligsprechung der Welt verkündet.
Schlusswort
Viele von denen, welche den Heiligen im Leben lieb hatten, schätzten sich glücklich, einige Reliquien von ihm zu erhalten, und die Königin von Polen freute sich ungemein, da ihr der Rosenkranz und das Kruzifix zugestellt wurde, deren sich der Heilige in seinem Leben bedient hatte. Die kostbarstes Reliquie aber sind seine Werke, von denen viele heute noch bestehen, und seine rührenden Ermahnungen, welche er gegeben hatte, von denen ich einige hieher setzt, auf dass du Sie, lieber Leser, zu Herzen nehmest!
Es bedarf nicht viel zur Heiligkeit! Das beste und fast einzige Mittel ist, dass man sich gewähnt, den Willen Gottes in allen Dingen zu tun.
Durch wen Gott verherrlicht werde, darin liegt wenig, wenn es nur geschieht.
Gott liebt die Armen, also auch die Liebhaber der Armen.
Am Lebensende nimmt Gott denen, welche die Armen geliebt haben, die Furcht vor dem Tode.
Das Paradies ist nichts anderes, als die Liebe.
Das Paradies ist nichts anderes, als die Liebe.
Der Anhauch eitler Ehre vergiftet die Werke der Tugend.
Dem Teufel ist jedes Holz gut genug, Pfeile zu machen, um Seelen zu töten.
So viel Selbstverleugnung , so viel Wachstum in der Tugend.
Erwarte nie viel von einem Menschen, der die Unterhaltung mit Gott nicht liebt.
Hätte Jemand einen Fuß schon im Himmel, vernachlässigte er aber die kurze Zeit, da er den andern auch dahin setzen wollte, die Selbstverleugnung, so geriet er noch in Gefahr.
Die wahre Demut zeigt, dass wir so gar nichts sind!
(Quelle: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Regensburg 1884)