Die christliche Familie

Aus FJM-Ritter
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Nachdem Gott im alten Bunde seinem auserwählten Volke Israels das Gesetz gegeben hatte, berief er den Moses zu sich auf die Spitze des Berges Sinai, um ihm eine genaue Vorschrift zu geben über das Zeichen des Bundes, die Bundeslade und die gottesdienstliche Ordnung. Nachdem Moses 40 Tage und 40 Nächte auf dem Berge verweilt hatte, entließ ihn Gott, um zu seinem Volke herabzusteigen, und sprach:

„Schau und mach es nach dem Bilde, das dir auf dem Berge gezeigt ward.“ 2. Mos. 25, 1-40]

Als Gott den Neuen Bund der Vollkommenheit durch seinen eingeborenen Sohn auf Erden begründen wollte, ließ er ihn als Sohn der Jungfrau Maria und des heiligen Josef zu Nazareth wohnen, um der ganzen Welt ein Muster aufzustellen, nach welchem die Familie, die Grundlage für das Glück und Heil der Menschheit, ihr Leben einrichten sollte. In der heiligen Familie zu Nazareth hat Gott der Welt ein Muster zur Nachahmung vorgestellt und ruft allen (christlichen) Familien zu:

„Schaut und macht es nach dem Bilde, das euch in Nazareth gezeigt ward.“

Heilig war die Familie zur Nazareth; heilig soll und muß nach ihrem Muster jede katholische Familie sein, und zwar: in ihrem Entstehen; in ihrem Bestehen.

Die Familie, d.h. die Gemeinschaft der Eltern und Kinder hat zu allen Zeiten als die vornehmste Grundlage aller gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung gegolten, und wohl kein einziger staatlicher Gesetzgeber hat es gewagt, das Recht der Eltern auf die Kinder anzutasten. Es darf ruhig behauptet werden, daß die Anschauung die Völker über die Rechte und Heiligkeit der Familie und daß die Art und Weise, wie die Heiligkeit der Familie praktisch verwirklicht wird, geradezu den Maßstab für die Kulturhöhe eines Volkes abgibt. Es ist unstreitig ein großer Verdienst der katholischen Kirche, daß sie mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln der Erziehung des Unterrichtes und der Seelsorge zu allen Zeiten die Heiligkeit der Familie angestrebt hat, sowohl in ihrem Entstehen als in ihrem Bestehen.

Soll die Familie heilig sein und dem Muster der heiligen Familie zu Nazareth gleichen, dann muß auch schon der Brautstand heilig sein. Zur Heiligkeit des Brautstandes aber gehören drei Erfordernisse:

a) Bekanntschaften sollen nicht angeknüpft werden gegen den Willen Gottes;

b) der Brautstand muß sittsam geführt werden;

c) aus dem Brautstande in den Ehestand muß getreten werden nach einer guten Generalbeichte.

a) Soll die Familie in ihrem Entstehen heilig sein, dann dürfen Bekanntschaften nicht gegen den Willen Gottes angeknüpft werden. Gott ist es allein, der jedem Menschen seinen Stand und Beruf zuteilt; Gott beruft daher auch zum Ehestande, und er allein ist es, der die Gnaden gibt, daß die zueinanderpassenden Personen sich finden. Damit junge Leute, welche Bekanntschaft anknüpfen wollen, diese Gnade der richtigen Wahl von Gott erhalten, sollen sie in der Freundschaft Gottes, in der Furcht des Herrn wandeln; wie der alte Tobias seinen Sohn ermahnte: „Nimm die Jungfrau in der Furcht des Herrn zu dir.“ (Tob. 6,22). Wie der liebe Gott aber alle Gnaden und Gaben, so hat er auch die Gnade einer richtigen Standeswahl, die Wahl der richtigen Lebensgefährtin an das Gebet geknüpft; darum ermahnt der Apostel Paulus: „In allen Dingen lasset euer Anliegen im Gebete Gott kundwerden.“ (Phil. 4,6.) Darum forderte der junge Tobias seine erwählte Jungfrau zum Gebete auf und sprach zu ihr: „Sara, steh auf und lass uns Gott bitten heute und morgen und übermorgen, denn wir sind Kinder der Heiligen und können nicht zusammenkommen wie Kinder der Heiden die Gott nicht kennen. (Tob. 8,4. u. 5.) Gegen den Willen Gottes aber sind ganz gewiss alle diejenigen Bekanntschaften, bei welchen dem einen oder dem anderen Teile Gefahren für die Tugend und Unschuld, Gefahren für die Religion, Gefahren für den heiligen katholischen Glauben drohen. Bekanntschaften, welche nur Rücksicht nehmen auf Schönheit und Vermögen und Tugend und Religion weniger hoch anschlagen, sind ganz sicher gegen den Willen Gottes; Bekanntschaften, angeknüpft mit Personen, die entweder gar keinen Glauben oder einen falschen Glauben haben und demnach den anderen Teil in Gefahr bringen, im Glauben gleichgültig zu werden oder den Glauben zu verlieren, sind ganz gewiß gegen den Willen Gottes, und aus solchen Bekanntschaften kann eine heilige Familie nicht entstehen. b) Soll die Familie in ihrem Entstehen heilig sein, dann muß die angeknüpfte Bekanntschaft sittsam geführt werden. Christliche Brautleute sollen sich gegenseitig achten und ehren wie Tempel des Heiligen Geistes, die sie ja wirklich sind; sie sollten sich wohl hüten, etwas zu wünschen oder etwas zu reden, etwas zu sehen oder zu hören, irgend etwas zu tun, was der zarten Schamhaftigkeit zuwider ist oder was die Heiligkeit des Tempel Gottes verletzen könnte. Darum ermahnt so eindringlich der Apostel Paulus: „Ich bitte euch, Brüder, um der Erbarmungen Gottes willen, daß ihr euere Leiber als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer darbringt.“ (Röm. 12,1.) Besonders wirksame Mittel, die Bekanntschaft, den Brautstand sittsam zu führen, sind stete Wachsamkeit und fleißiges Gebet, wie unser Heiland so oft ermahnt: „Sehet zu, wachet und betet.“ (Mark. 13,33.) Das vorzüglichste und wirksamste Mittel für Brautleute, sittsam zu bleiben, ist die öftere heilige Kommunion, denn diese bewahrt vor Todsünden und gibt Lust und Kraft zum Guten. c) Soll endlich die Familie in ihrem Entstehen heilig sein, dann sollen die Brautleute, bevor sie in den Ehestand treten, eine gute Generalbeichte ablegen. Die Eheleute treten in einen ganz neuen Lebensabschnitt, in einen ganz neuen Berufskreis ein, der ganz neue Pflichten, ganz neue Beschwerden, ganz neue Gefahren bringt. Da ist es nützlich und heilsam, daß durch eine Generalbeichte das Herz und Gemüt von allen Vorwürfen des Gewissens, von allem Druck, von aller Unreinigkeit aus dem früheren Leben vollständig befreit und gereinigt wird. Dann wird mit um so größerer Freude und Bereitwilligkeit, mit frischem Mute und Gottes Gnade ein ganz neues, gottgefälliges, tugendhaftes Leben begonnen in treuer Erfüllung der neuen Standespflichten. II. Ist so die neu gegründete Familie geheiligt in ihrem Entstehen, dann wird sie auch geheiligt bleiben in ihrem Bestehen. Zur Heiligkeit der Familie in ihrem Bestehen gehören vorzugsweise drei Erfordernisse: a) Die Eheleute müssen sich gegenseitig heiligen; b) die Eltern müssen die Erziehung der Kinder heiligen; c) heilig muß das Betragen der Kinder gegen die Eltern sein. a) Soll die Familie in ihrem Bestehen heilig sein und heilig bleiben, dann müssen die christlichen Eheleute sich gegenseitig heiligen durch gegenseitige Achtung, durch gegenseitige innige Liebe, durch gegenseitige unverbrüchliche Treue, durch gegenseitiges Ertragen ihrer Schwächen und Fehler. Heiligen müssen sich christliche Eheleute in ihrer täglichen Arbeit, indem sie das Tagwerk nicht anders anfangen als im Namen Jesu, mit der guten Meinung. Heiligen müssen sich christliche Eheleute durch treue Erfüllung ihrer religiösen und ihrer Standespflichten. Heiligen müssen sich christliche Eheleute durch öfteren, würdigen, gemeinschaftlichen Empfang der heiligen Sakramente. Das Beispiel von Maria und Joseph soll ihnen stets vorschweben. „Schaut und machet es nach dem Bilde, das euch in Nazareth gezeigt ward.“ b) Soll die Familie heilig sein in ihrem Bestehen, dann müssen die Eltern heiligen die Erziehung ihrer Kinder. Die Kinder sind Geschenke von Gott, sind edle, kostbare Perlen, die Gott der Herr dereinst von den Eltern zurückfordern wird, darum ist es die heiligste Pflicht der Eltern, ihre Kinder in Heiligkeit, Tugend und Sittsamkeit zu erziehen. Die ganze große Kunst der guten, heiligen Kindererziehung fasse ich zusammen in folgende drei Grundsätze: 1. Eigenes gutes Beispiel; 2. sorgfältige Wachsamkeit; 3. eifriges Gebet.

1. Ohne eigenes gutes Beispiel können Eltern ihre Kinder nicht heilig erziehen; sehen und hören die Kinder von ihren Eltern nichts Gutes, dann kann man nicht erwarten, dass sie gut und heilig werden. O darum, christliche Eltern, führt selbst ein tugendhaftes, frommes, gottgefälliges Leben, dann werdet ihr tugendhafte fromme, gottgefällige, sittsame Kinder erziehen; wie der Heiland selbst ermahnt; „So leuchte euer Licht vor den Menschen, auf daß sie euere guten Werke sehen und den Vater preisen, der im Himmel ist.“ (Matth. 5,16.)

2. Ohne sorgfältige Wachsamkeit können die Eltern weder die bösen Neigungen ihrer Kinder im Innern wirksam bekämpfen, noch die sittlichen Gefahren von außen her von ihren Kindern abwenden. Beides aber ist in gleicher Weise notwendig, damit das Kind in Sittsamkeit, Tugend und Gottesfurcht heranwachse. O darum, christliche Eltern, habet Sorge und wachet über die sich schon früh bei eueren Kindern entwickelnden bösen Neigungen, damit ihr sie von frühester Jugend an unterdrücket und den wachsenden guten Eigenschaften der Kinder ein fruchtbares Feld zubereitet. Ebenso habet Sorge und wachet über die Gefahren und Gelegenheiten der Sünde, über die Versuchungen und Verführungen, welche euren Kindern von außen her bereitet werden, damit nicht der Same des Unkrautes, den ihr meint ausgerottet zu haben, durch die Verführung aufs neue in die Herzen euerer Kinder gesäet wird.


3. Ohne eifriges Gebet wird die Erziehung der Kinder nicht gelingen und nicht gedeihen. Darum muß den Eltern zum Werke der Erziehung ebenso dringend das eifrige Gebet um Gottes Beistand und Gnade empfohlen werden, wie den jungen Leuten zur rechten Standeswahl und zur Bewahrung der Sittsamkeit im Brautstande. Darum mögen auch vorzüglich die Eltern bei dem verhängnisvollen Werke der Erziehung die Mahnung des Apostels Paulus nicht vergessen: „In allen Dingen lasset euer Anliegen im Gebete Gott kund werden.“ (Phil. 4,6.)

c) Das dritte Erfordernis für die Heiligkeit der Familie ist das heilige Betragen der Kinder

gegen ihre Eltern. Das heilige Betragen der Kinder gegen ihre Eltern regelt das vierte Gebot Gottes, indem es den Kindern vorschreibt,  den Eltern Ehre, Liebe und Gehorsam zu erweisen, und ihnen dafür verspricht, dass es ihnen gut gehen und sie sich eines langen Lebens erfreuen sollen. Das war schon im Alten Bunde so bestimmt. Wie sehr Gott daran gelegen ist und wie notwendig es für das Wohl und Glück der Menschen ist dass dieses Gebot möglichst vollkommen erfüllt wird, geht daraus hervor, daß Gott im Neuen Bunde seinen eingeborenen Sohn dazu bestimmte, selbst Kind menschlicher Eltern zu werden, um allen christlichen Kindern ein vollkommenes Muster und Beispiel zu sein, wie sie ihren Eltern Ehre, Liebe und Gehorsam erweisen sollen.

(Q: Das dreifache Reich Gottes aus den Rundschreiben P. Pius X. Impr. 1911)