Mariä Geburt

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Das Fest der Geburt der allerseligsten Jungfrau Maria

Die heiligen Eltern Joachim und Anna mit Maria

8. September

Was die Schmerzen eines Kranken noch größer und unerträglicher macht, das sind die langen kalten Winternächte, die sich wie ein finsterer schwarzer Mantel über seine Lagerstätte breiten. O wie sehnsüchtig zählt jeder Kranke die Schläge der Uhrglocke, wie oft seufzt, wie oft fragt er, ob es nicht bald Tag werde? Und wenn nun die Dämmerung anbricht, wenn allmählich im Morgenrot die Wolken erglänzen, o mit welch freudigen Gefühlen begrüßt der leidende Kranke die nahenden Zeichen der leuchtenden Sonne, des hellen Tages? Nun wie ein Kranker, in unsäglichen Schmerzen, lebte 4000 Jahre lang die Menschheit. Eine lange dunkle Nacht des Unglaubens, der Verirrung und Verblendung, der Lüge und des Truges hatte sich über die Menschheit ausgebreitet; alle seufzten nach jener Sonne der Wahrheit und Gerechtigkeit, welche aufgehen sollte aus der Höhe und hinweg nehmen sollte die Finsternis; Alle seufzten in banger Erwartung nach dem verheißenen Erlöser der Welt und nach derjenigen gottbegnadigten Jungfrau, die ihm wie die aufgehende Morgenröte vorangehen und ihn gebären, die das Licht der Welt bringen sollte. Und als die Stunde endlich erschien und das süße Morgenrot am Himmel zu leuchten begann, als die gebenedeite Jungfrau Maria von ihrer begnadigten Mutter Anna im Hause zu Nazareth geboren ward, welch geheimnisvolle Freude durchdrang Himmel und Erde, wie jubelten die Engel, wie jauchzten die heiligen Altväter in der Vorhölle, mit welch freudigen Gefühlen begrüßten die Menschen die Stunde dieser gnadenvollen Geburt!!!!

Mit Recht singt daher die heilige katholische Kirche am heutigen Tag:

„Deine Geburt, o Gottesgebärerin, hat der ganzen Welt Freude verkündigt, weil aus Dir die Sonne der Gerechtigkeit aufgegangen ist, Christus unser Gott.“

Wie der holde Morgenstern, wie das goldene Morgenrot den Aufgang der Sonne verkündet, so die Geburt der allerseligsten Jungfrau die Ankunft des Heilands. Sie kam ja nur deshalb so rein und unbefleckt zur Welt, damit sie uns den Erlöser gebäre, und ihre Geburt ist nach dem Ausspruch des heiligen Petrus Damianus der Anfang der Erlösung des Menschengeschlechtes und der Ursprung aller übrigen Feste.

Ihre Eltern waren Joachim, aus dem Stamme David's und Anna, aus der Familie Aaron's des Hohenpriesters. Aus Furcht vor Herodes, der sich vorgenommen, alle Abkömmlinge David's aus dem Wege zu räumen, verließen sie ihren Stammort Bethlehem und wanderten nach Nazareth, einem kleinen Städtchen in Galiläa, am Fuße des Berges Karmel. Redlich nährten sie sich von ihrer Hände Arbeit und wandelten vor Gott mit einem vollkommenen Herzen; nur Eines fehlte ihrem Glück: sie hatten kein Kind, zur selbigen Zeit die größte Schande einer jüdischen Familie. Viele Jahre flehten beide zu Gott, dass er diese Schmach von ihnen nehme. Endlich im hohen Alter fand ihr Gebet Erhörung. Anna gebar ein Töchterlein, hold und lieblich anzuschauen, und Engel umschwebten unsichtbar die arme Wiege dieses hochbegnadigten Kindes und huldigten ihm als ihrer Königin, und einer dieser himmlischen Geister teilte der hocherfreuten Mutter Anna mit, was für eine unschätzbare Gabe ihr Gott an diesem Kind geschenkt habe. Da dankte sie laut durch folgenden Lobgesang, den uns die Überlieferung aufbewahrte, Gott dem Herrn:

„Ich werde ein Loblied singen meinem Herrn, der mich heimgesucht und von mir genommen den Schimpf meiner Feinde und reiche Früchte der Gerechtigkeit mir gegeben hat in seinem Angesicht. Wer wird den Söhnen Rubens verkünden, dass Anna säuget ein Kind? Höret doch, ihr zwölf Stämme Israels: Anna säuget ein Kind!“

Nachdem ich Dir nun, lieber Leser, erzählt, mit welch heißer Sehnsucht die Geburt der hoch begnadigten Jungfrau erwartet wurde und Dir die Umstände dieser Geburt dargestellt habe, so möchte ich Dir auch den Grund angeben, warum unsere heilige Kirche uns heute zuruft:

„Lasset uns Marias Geburtstag mit Freuden begehen!“

Und warum? Weil er der Geburtstag der Mutter des Sohnes Gottes und auch unserer Mutter ist. Was tun aber gute Kinder am Geburtstage Ihrer Mutter? Sie wünschen Ihr Glück, ehren Sie auf alle mögliche Weise und geloben, Ihr durch Frömmigkeit und Gehorsam immer recht viele Freude zu machen. Auch wir sollen Maria unsere heilige, gütigste Mutter, am heutigen Tage aus allen Kräften ehren und erfreuen, und dies sollen wir nicht bloß heute, sondern allezeit tun, denn dazu fordert uns auf die Ehre Gottes selbst und unser eigenes Heil.

Maria sagt in Ihrem Lobgesang: „Magnificat“ selbst, dass Gott an Ihr Großes getan hat. Er hat Sie auserwählt aus allen Ihres Geschlechtes zur Mutter seines Sohnes. Er hat Ihr in dem Augenblick Ihrer Empfängnis eine solche Reinheit, Heiligkeit und Gnade gegeben, dass Sie die Königin der Engel und Heiligen geworden. Der Gottessohn Jesus, nannte Sie seine Mutter, ließ sich von Ihr nähren, erziehen und war Ihr Untertan. Noch im Sterben sorgt er für Sie, und als Sie von dieser Erde schied, nahm er Sie mit Leib und Seele in den Himmel, erhob Sie zu des Himmels Königin und teilte, wie die Väter sagen, gleichsam sein Reich mit Ihr.

Konnte Gott die hochbegnadigte Jungfrau noch höher ehren? Und wenn nun Gott selbst, die höchste Majestät, Maria so hoch ehrt, müssen wir nicht auch Maria ehren, und verherrlichen wir dadurch nicht auch Gott?

Alle Ehre, die wir der seligsten Jungfrau erweisen, gehört Gott, der Sie so groß, so mächtig, so liebevoll gemacht hat. Ja Maria selbst legt alle Ehre und Liebe, die wir Ihr erweisen, vor dem Throne Gottes nieder, und freut sich, wenn wir es erkennen, was Gott Großes an Ihr getan hat. Aber nicht bloß die Ehre Gottes fordert es, dass wir Maria kindlich verehren und lieben, sondern auch unser eigenes Heil. Unser Endziel ist der Himmel, ist die ewige Seligkeit. Aber der Weg dahin ist steil, gefährlich, von Feinden umstellt, so dass unsere Seele allein, ohne Mithilfe, ohne Kampfgenossen das Ziel nicht erringt. Wir müssen uns also umsehen, um solche Hilfe, um solchen Schutz, um Genossen unserer Mühen und unseres Kampfes und da gibt es nun außer Jesus keinen Stab, der fester, keine Heilsquelle, die reicher, kein Herz das treuer wäre, keinen Stern der heller leuchtet, keinen Genossen, der stärkere Hilfe uns böte, als Maria, auf Ihrem Gnadenthron im Himmel, mit ewigen Sternen gekrönt, und mit der Sonnen wie mit einem Kleide geziert. Sie ist die große Mutter der Menschheit, der Ölbaum der Barmherzigkeit auf dem Felde der Welt, Sie ist die Schatzmeisterin der Gnadenkammer Gottes und zu Ihr blickest Du nicht umsonst, seufzest Du nicht umsonst, hebst Du die Hände nicht umsonst empor; denn Sie liebt, wie die Schrift sagt, die Sie lieben und wer Sie findet, findet das Leben. Sie hat Ihr Freude daran, von den Schätzen Ihrer Gnaden reichlich mitzuteilen, Sie ist begieriger, wie der heilige Alphons Liguori sagt, uns Gnaden mitzuteilen, als wir eifrig sind, Sie zu verlangen, weswegen es auch unerhört ist, das verlassen wäre, wer zu Ihr flieht. Ja große, recht große Schätze erwirbt sich jede Seele, die sich Maria kindlich ergibt! Solltest Du lieber Leser, träge in der Verehrung und Liebe zu dieser mächtigen Frau und Mutter sein? O dies hieße die Ehre Gottes und Dein Heil vernachlässigen. So ehre Maria, liebe Sie und vertrau Dich Ihr kindlich an. Gott will es, Dein Seelenheil verlangt es.

Zum Schluss gebe ich Dir noch einen guten Rat: Bist Du nämlich in irgend einer Not oder Trübsal, in einer Versuchung oder Gefahr, so bete recht andächtig das nachfolgende Gebet des heiligen Bernhard, „Memorare“ genannt. Tausende haben die Kraft und Süße diese Gebetes schon erfahren, auch Du wirst es erfahren.

Das Memorare des heiligen Bernhard

Gedenke, gütigste Jungfrau Maria!

Wie es niemals ist erhört worden, dass einer von denen, die um deinen Schutz flehten, Deinen Beistand anriefen und zu Dir ihre Zuflucht nahmen, jemals verlassen worden wäre. Von dieser Hoffnung belebt, fliehen wir zu Dir, o Jungfrau der Jungfrauen, Maria, Mutter Jesus Christi; zu Dir kommen wir, zu Dir eilen wir, vor Dir knieen wir seufzend und zitternd da. Verschmähe doch unsere Bitte nicht, o Gebieterin der Welt und Mutter des ewigen Wortes, sondern neige Dein Ohr und höre unser Flehen in diesem Tal der Tränen. Stehe uns bei in all unseren Nöten, jetzt und allzeit, und besonders in der Stunde unseres Todes, o gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria! Amen.


Siehe auch: Marienfeste


(Quelle: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes. Regensburg 1884)