Kevelaer

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Unsere Liebe Frau von Kevelaer

Kevelaer, ein als Wallfahrtsort weit und breit bekanntes ansehnliches Dorf, liegt im Bistum Münster, in der Rheinprovinz Düsseldorf. Im Spätmittelalter gehörte es zum Niederamt Geldern der Grafschaft Geldern und zum Bistum Roermond und war damals ein höchst unbedeutender Ort. Gerade aber diesen unbedeutenden Ort wählte Gott zur Verherrlichung seiner glorwürdigen Mutter und zur Verleihung von tausenden von Gnaden durch die Hände derselben; denn gerade das Kleine wählt Gott oft aus, um Großes zu vollbringen.

Im Jahre 1641 lebte in Geldern ein unbemittelter Bürger, namens Heinrich Buschmann, der sich und seine Frau durch einen kleinen Handel nährte und dabei fromm und tugendhaft lebte. Dieser kam vor Weihnachten geschäftlich von Weeze über die Kevelar'sche Heide, wo damals ein sogenanntes Hagel- oder Schauerkreuz stand. Bei diesem Kreuz mag er wohl recht innig gebetet haben! Hier hörte er, ohne jemanden in der Nähe zu sehen, eine Stimme, die ihm zurief:

"Hier sollst Du mir ein Heiligenhäuschen bauen."

Als er nach Verlauf von mehreren Tagen bei derselben Gelegenheit und unter denselben Umständen abermals und zum drittenmal diese Stimme und die nämlichen Worte hörte, beschloss er fest, täglich von seinem geringen Verdienste etwas zurückzulegen, um endlich im Stande zu sein, ein solches Häuschen zu bauen. Damit verging der Winter. Im Frühling, als Buschmann bereits eine kleine Summe erspart hatte, bekam seine Frau eine nächtliche Erscheinung, sie sah auf einmal ihr Zimmer, wo sonst um diese Zeit nie Licht war, hell erleuchtet und in demselben ein Heiligenhäuschen mit einem Muttergottesbild, ähnlich demjenigen, welches sie einige Zeit vorher in den Händen eines hessischen Soldaten gesehen hatte. Es hatten nämlich zwei von Luxemburg kommende Soldaten zwei papierne Bilder, Abbildungen von dem Muttergottesbild, welches zu Luxemburg unter großem Zulaufe frommer Pilger hochverehrt wird, für den zu Kempen gefangenen Leutenant der Kompanie Machewitz mitgebracht.

Wegen Mangels an Geld hatten sie eines der Bilder der Frau Buschmann gegen ein und einen halben Silbergroschen angeboten, was ihr damals bei ihrer Sparsamkeit zu viel war. Jetzt aber als Herr Buschmann, durch mehrere Umstände von der Erscheinung, die seine Frau gehabt, sich überzeugt hatte und darin eine gänzliche Übereinstimmung fand mit derjenigen, die ihm selbst zu Teil geworden, fing er an das Heiligenhäuschen zu bauen und schickte seine Frau fort, die Soldaten aufzusuchen und eines der genannten Bilder zu kaufen. Die Soldaten hatten aber dieselben den nunmehr in Freiheit gesetzten Leutnant ausgehändigt, welcher sich anfangs gar nicht geneigt zeigte, eines der Bilder abzugeben, endlich jedoch, als Frau Buschmann gar nicht nachließ, darum zu bitten, und ihm die Ursache ihres Begehrens erklärt hatte, ihr die Wahl zwischen beiden Bildern überließ.

Hochbeglückt eilte die Frau mit dem genannten Bild nach Geldern zu ihrem Mann, der sich nicht wenig erfreute und nun bald sein Ziel erreichen zu können glaubte. Er ließ ein hölzernes Täfelein machen und das Bild darauf heften, damit es desto besser in dem Heiligenhäuschen ausgestellt werden könne. Dieses Alles wurde bald in Geldern bekannt und kam zu den Ohren der geistlichen Schwestern des Karmeliter Ordens, welche dieses Bild zu sehen wünschten. Sie erhielten dasselbe auch durch denjenigen, der das Täfelein verfertigt hatte, und behielten es mit aller Ehrfurcht über Nacht.

Des anderen Tages waren die geistlichen Schwestern nicht sehr geneigt, das Bild zurückzugeben; allein Buschmann machte sein Eigentumsrecht geltend und trug es selbst nach seinem Hause zurück. Unterwegs schon entstand ein großer Zulauf von Leuten, die gegen seinen Willen dasselbe mit großem Opfer an Geld und Wachs beschenkten.

Buschmann, der dieses nicht suchte, sah sich daher genötigt, das Bild zu verbergen und brachte es den Kapuzinern, bei denen es bis auf den dritten Tag in der Kirche blieb. Der Zulauf von Menschen dauerte auch hier fort, und die Patres forderten, dass es zu dem Ort seiner Bestimmung gebracht werde. Als nun mittlerweile das Heiligenhäuschen nach der Form, welche die Frau Buschmann des Nachts bei der Erscheinung gesehen hatte, fertig geworden war, holte der Pfarrer von Kevelaer, Johannes Schäck, am letzten Tag des Monats Mai, Samstag abends, das Bild in der Stille ab und stellte es am 1. Juni 1642 in das Heiligenhäuschen. An demselben Tag schon strömte eine Menge Menschen aus Geldern und der Umgebung nach Kevelaer herbei und es geschahen einige Wunder, von denen später die Rede sein wird. Ob dieser Wunder nahm auch der Zulauf der Menschen, welche hier die Gottesmutter verehren wollten, immer mehr zu, so dass es bald an Mitteln fehlte, die geistlichen und leiblichen Bedürfnisse der Pilger zu befriedigen. Die Pfarrkirche war zu klein und ein Pfarrer ohne Hilfsgeistliche konnte für den Beichtstuhl und für den Gottesdienst nicht ausreichen und ebensowenig konnten die vorhandenen wenigen Bauernhäuser die vielen Tausende von Menschen aufnehmen. Indessen für Alles war schnell gesorgt. Die bischöfliche Behörde zu Roermond, die sich dieser Andacht der Wallfahrer vom Anfang sehr annahm, sandte vorerst für den Sommer zwei Priester, welche mit dem Pfarrer und den Geistlichen der Nachbarschaft die nötige Aushilfe leisteten; bald fing man auch an, auf dem Feld, zur Aufnahme der Pilger, Häuser zu bauen, und noch kein Jahr war verlaufen, als man beschloß, bei dem Heiligenhäuschen eine größere Kirche (jetzt die große Kapelle genannt), zu bauen. Schon am 22. Oktober 1643 ward der Grundstein gelegt und die Kirche innerhalb zwei Jahren vollendet. Der hochwürdigste Weihbischof von Münster, Johann von Sternenberg, weihte sie feierlich ein.

Weil aber die Sorge für die immer zahlreicher herbeiströmenden Pilger immer größer wurde, hielt es der Kapitular-Vikar des Bistums, Antonius Bossman, für gut, die Sorge für die Wallfahrt zu Kevelaer der Kongregation des hl. Philipp Neri, Oratorianer genannt, zu übertragen. Aus dem reichlich fließenden Opfer baute man für sie eine Wohnung und am 15. Juni 1647 wurde sie von ihnen bezogen. Bisher stand das Heiligenhäuschen noch so, wie es von Buschmann erbaut war, und in demselben das wundertätige Muttergottesbild, um welches die Gläubigen zu Tausenden sich versammelten.

Im Jahre 1654 aber bauten die Oratorianer um dasselbe die jetztige, sechseckige, kleine Kappele, jedoch so, dass das alte Heiligenhäuschen stehen blieb, und das Bild den Platz erhielt, den es früher einnahm. Dasselbe war noch immer auf dem anfangs verfertigten Täfelein gehefet.

Im Jahre 1664 ließen es der Pfarrer von Eindhofen, Herr Bormeer, und der Goldschmid von der Laer aus Herzogenbusch mit einem silbernen, vergoldeten Rahmen einfassen und siebzehn Jahre später schenkte dazu der Reichsgraf Wolfgang von Ottingen eine große silberne, mit vergoldeten Figuren verzierte Platte, die das vorgenannte Täfelchen ganz bedeckt. Noch jetzt befindet sich das wundertätige Bild in der Mitte dieser Platte und jenes Rahmens.

Unterdessen wurde der Zudrang der Pilger immer größer, und selbst Personen von hohem und erhabenem Stand kamen, um der Gottesmutter zu huldigen, ihre Fürbitte anzurufen und ihre Opfergaben ihr zu Füssen zu legen. So kam im Jahr 1662 der Bischof von Roermond, Herr Eugenius Albert d'Allemont, mit einer großen Prozession 10 Stunden weit zu Fuß hierher. Im Jahre 1693 machte der Churfürst von der Pfalz in einer schweren Krankheit ein Gelübde, und als er genesen war, löste seine Gemahlin dieses Gelübde und schickte eine 16 Pfund schwere silberne Lampe zum Geschenk. Im Jahre 1700 kam der Erzbischof von Köln, Joseph Klemens, mit einem großen Gefolge und hielt am Tage nach Mariä-Geburt zur Erbauung aller Anwesenden seine Andacht.

Im Jahre 1714 besuchte der protestantische König Friedrich Wilhelm I. von Preußen unerwartet Kevelaer; er durchwanderte die Kapelle, betrachtete mit Ehrfurcht das wundertätige Gnadenbild, erkundigte sich nach den geschehenen Wundern, begehrte Rosenkränze und opferte eine Wachskerze, die er sich aus den vorhandenen auserwählte und wandte sich danach zu dem Superior der Oratorianer mit den Worten:

"Ich will gnädig sein Pater, begehren Sie was Sie wollen."

Der Superior, erstaunt über die große Gnade des Königs, bat demütigst, seine Majestät mögen geruhen, die Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria und alle katholischen Religionsübungen zu schützen, zu begünstigten und die Privilegien der Kevelaer zu bekräftigen und zu erhalten.

Der König versprach dieses sogleich mit den Worten: "Protegam, fovebo, manutenebo", "Ich werde sie schützen, begünstigen, erhalten."

Er schickte auch im Jahre 1728 eine weiße Wachskerze von 50 Pfund und zugleich sein Wappenschild, welches unter dem Leuchter, auf welchem die Kerze brannte, aufgehängt wurde, und der sich noch jetzt an der nämlichen Stelle befindet. Derselbe König kam im Jahre 1738 wieder nach Kevelaer mit den zwei ältesten Prinzen und einem großen Gefolge, besah die Kappelle und verteilte Rosenkränze, die er an einer Bude gekauft hatte, unter katholischen Soldaten.

Hundert Jahre waren nunmehr verflossen und ununterbrochen waren in jedem Jahre Schaaren von Menschen herbeigeströmt, und es mag wohl kein Jahr vergangen sein, wo die Zahl der Pilger nicht 100.000 überstieg. Zum Andenken an das hundertjährige Bestehen der Wallfahrt wurde im Jahre 1742 ein Jubiläum gehalten. Unzählige Pilger eilten herbei, an einem Tage zählte man oft mehr als 30.000, und Gnaden aller Art wurden denselben zuteil.

Doch sollte die segensreiche Wallfahrt nicht immer ruhigen und ungestörten Fortgang haben. Es kam das Jahr 1792 und mit ihm die schreckliche französische Revolution. Die Franzosen brachen über die Gegend von Kevelaer herein und machten Erpressungen jeder Art; sie störten die Bittgänge und Prozessionen; Soldaten trieben die Betenden auseinander, wer öffentlich betete, wurde ins Gefängnis geworfen, und endlich wurde die Kapelle von Kevelaer geschlossen, ihre Güter für Eigentum des Staates erklärt, und die Kongregation der Oratorianer aufgehoben. Doch der Herr wachte über den Gnadenort seiner gebenedeiten Mutter. -

Die heiligen Kappellen blieben verschont, das Gnadenbild erhalten, und als unter Kaiser Napoeleon I. die Franzosen ihren Haß gegen die Religion immer mehr ablegten, nahm auch die Zahl der Wallfahrer mit jedem Jahre zu, sodass im Jahre 1810 wieder mehr als 100.000 Menschen Kevelaer besuchten. Die Aushilfe im Beichtstuhl leisteten die noch nicht angestellten Geistlichen der aufgehobenen Klöster und die benachbarten Priester.

Im Jahre 1815 kam Kevelaer wieder an die Krone Preußen, und der Friede, der nun eintrat, hatte zur Folge, dass die Zeiten der alten Frömmigkeit wiederkehrten und Wallfahrerzüge sich wieder aus Nah und Fern nach Kevelaer bewegten. Um diese Zeit kamen 204 Prozessionen, namentlich aus Westfalen und Holland, herbei und mehr als 67.000 Pilger empfingen die heil. Kommunion. Seit dieser Zeit dauerten die Wallfahrten ununterbrochen fort und erreichten ihren höchsten Punkt, als der hochwürdigste Bischof Kaspar Maximilian von Münster durch einen eigenen Hirtenbrief vom 5. April 1842 das zweihundertjährige Jubiläum verkünden und unter der größten Feierlichkeit abhalten ließ.

Die Zahl der Pilger, welche die heil. Gnadenzeit benützten und in Kevelaer der Himmelskönigen ihre Huldigung darbrachten, belief sich über 200.000, und 248 Prozessionen kamen mit Kreuz und Fahnen aus Nah und Fern und verherrlichten durch ihre Andacht die schöne Feier.

Seitdem hat die Liebe und Verherrlichung zur Trösterin der Betrübten, unter welchem Titel die Gottesmutter in Kevelaer angerufen wird, nicht abgenommen, und Trost und Hilfe finden noch immer die Tausende von Pilgern, welche alle Jahre zu diesem Gnadenorte ziehen (Die Wallfahrt zu Kevelaer, Köln 1843.)


(Quelle: Digitalisiert von Google (Google Bücher) / nach Marianum: Legende von den lieben heiligen und gottseligen Dienern unserer lieben Frau und den berühmten Gnadenorten der hohen Himmelskönigin / Georg Ott, Pustet, 1859, von FJM überarbeitete Fassung)