Bernhard von Clairvaux

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Fest

20. August

Lebensbeschreibung

Bernardus, Abbas et Ecclesiae Doctor. Aus dem Altd. = nach Wachter: Der tapfere Mann; nach Schwenck = Bärenstark. - Das Wunder und die Zierde des 12. Jahrhunderts war der hl. Bernhard, erster Abt von Clairvaux in Burgund, aus dem Zisterzienserorden, Kirchenlehrer und unter den Theologen als der »honigfließende Lehrer« (Doctor mellifluns) bekannt. Er wurde im Jahre 1091 auf dem Schloss Fontaines bei Dijon geboren und stammte sowohl von väterlicher als mütterlicher Seite von sehr vornehmem Geschlechte ab, das mit den Herzogen von Burgund in verwandtschaftlicher Beziehung stand. Sein Vater hieß Tesselin (Thesselin, Tecelin) und bekleidete einen hohen Rang im Heere der burgundischen Fürsten; seine Mutter aber hieß Aletha (Alays, Alaysia, Aalys, Elisabeth), eine ausgezeichnete Persönlichkeit, die Tochter Bernhards, Herrn von Mombard (Mont-bar = Mons Barrus) in Burgund. Sie gebar ihrem Manne sechs Söhne und eine Tochter, worunter der hl. Bernhard, dem sie den Namen ihres Vaters gab, der drittgeborene Sohn war. Noch ehe er das Licht der Welt erblickte, hatte sie einen Traum, worin sie in ihrem Leibe ein Hündlein erblickte, welches bis auf den schwarzen Rücken ganz weiß war und mit allem Eifer bellte. In ihrer Angst erholte sie sich Auskunft bei einem frommen Manne, der sie völlig getrost sein hieß, indem sie einen Sohn gebären werde, welcher ein treuer Wächter der Kirche sein und mit Macht seine Stimme wider ihre Feinde erheben würde. Kaum hatte sie den hl. Bernhard zur Welt gebracht, als sie ihn nicht nur wie die übrigen Kinder dem Herrn opferte, sondern ganz der Kirche weihte und ihn von dieser Stunde an nur mehr als Eigentum des Herrn betrachtete. Sie brachte daher ihr Söhnlein, an dem sie mit doppelt zärtlicher Liebe hing, sobald er etwas herangewachsen war, nach Chatillon an der Seine, um ihn hier den weltlichen Chorherren zu übergeben, welche eine Lehranstalt hatten. Unter der geistlichen Pflege dieser Lehrer wuchs der Heilige zu den schönsten Hoffnungen heran, und erregte nicht wenig ihr Erstaunen über seinen eindringenden und lebhaften Geist, sowie über die ungewöhnlichen, sein Alter weit übersteigenden Fortschritte, die er in jeder Beziehung machte.

Hier war es auch, wo er das erste Mal himmlischer Erscheinungen gewürdigt wurde. Denn als er einst in der Christnacht vor der Mette, wie es scheint, in einen leisen Schlummer verfallen war, da zeigte sich ihm das Jesuskind in lieblichem Glanze und offenbarte ihm das Geheimnis seiner Geburt. Der Anblick davon entzückte ihn dergestalt, dass er den dabei gewonnenen Eindruck nie mehr vergaß, und man will bemerkt haben, dass er von jenem Tage an von der zärtlichsten Andacht für das Geheimnis der Menschwerdung erglüht gewesen sei, und diese Glut hauptsächlich in seinen späteren Predigten über dieses Geheimnis ausgesprochen habe. Von der himmlischen Richtung seines Gemüts in der frühesten Jugend zeugt auch die Tatsache, dass er einst, als er wegen heftiger Kopfschmerzen das Bett hüten musste und man ihm zur Abwendung derselben abergläubische Mittel, wie es scheint, anriet, diese mit allem Abscheu zurückwies und lieber die Schmerzen ertragen wollte als sich der angebotenen Mitteln bedienen.

Während seines Aufenthaltes in Chatillon starb seine vortreffliche Mutter, welche von den Schriftstellern des Zisterzienserordens zu den »Seligen« gerechnet wird, und bei deren Tod er nach den einen 14, nach den andern 19 Jahre alt war. Bernhard, der an's Sterbebett seiner Mutter nach Fontaines zurückgekehrt war, blieb sich nun selbst überlassen, zumal sein Vater seiner Geschäfte wegen beim Kriegsheer sein musste und über seinen Wandel nicht wachen konnte. Er trat nämlich in die Welt, mit allem ausgeschmückt, was einem Jünglinge von Stand schmeicheln und ihm die Liebe der Menschen erwerben konnte. Die herrlichen Vorzüge des Geistes und Leibes, womit er begabt war, hätten aber ebensoviele Fallstricke werden können, wenn er nicht sorgfältig über sich gewacht und das Andenken seiner trefflichen Mutter treu bewahrt hätte. Einmal geschah es, dass er auf eine weibliche Gestalt aus Neugierde seine Augen heftete; da er aber von der Versuchung ergriffen wurde, bestrafte er sich sogleich dafür, indem er in einem nahen Teich, dessen Wasser sehr kalt war, sich stürzte, und das unreine Feuer, das seine Unvorsichtigkeit angefacht hatte, wieder auslöschte. Ein anderes Mal ging ein von schändlicher Leidenschaft hingerissenes Weib soweit in der Unverschämtheit, dass sie des Nachts in sein Schlafgemach kam; aber sogleich, wie er ihre Anwesenheit merkte, sprang er auf und rief aus voller Kehle: »Räuber, Räuber!« Auf seinen Ruf lief alles im Hause herbei, fand zwar nichts, aber die schändliche Person war verschwunden. Aus diesen und andern Versuchungen ersah der hl. Jüngling, wie viele Gefahren im Umgang mit der Welt verbunden seien, und mehr als je erwachte in ihm der Gedanke, der endlich zum Entschlusse heranreifte, die Welt zu verlassen, und in den damals neu gegründeten, im großen Rufe stehenden Zisterzienserorden zu treten (gegründet durch Abt Robert im J. 1098).

Er hatte wegen dieses seines Entschlusses viele Kämpfe mit seiner Familie und seinen Freunden durchzumachen; auch in seinem Innern erhoben sich Schwierigkeiten; allein das Andenken an seine liebe Mutter, die ihm öfter vor Augen schwebte und ihm zu sagen schien: »Ich habe dich nicht für die Welt geboren und erzogen«, half ihm alle Schwierigkeiten so sicher überwinden, dass er nicht bloß seinen Oheim, Galdrich, Herrn von Touilion bei Autun, und seine Brüder Guido, Gerhard, Bartholomäus und Andreas zum Eintritt in genannten Orden vermochte, sondern auch viele seiner Studiengenossen und Freunde, so zwar, dass im Ganzen bei dreißig aus dem Adel sich ihm anschlossen.

Auch sein jüngster Bruder Nivard, der bei seinem Eintritt in's Kloster noch sehr jung war, verließ später alles, was er hatte, und trat in den Orden.

Rührend ist in den Akten, welche darüber auf uns gekommen sind, die Art und Weise zu lesen, wie er seine Brüder zur Verlassung der Welt bewog, und die Gewalt, die er damals schon über die Gemüter ausübte, war so groß, dass Väter und Mütter ihre Söhne, Gattinnen ihre Männer, Geschwister ihre Brüder von seinem Umgange zurückzuhalten suchten, um sie der vermeintlichen Gefahr zu entreißen, von ihm zum Eintritt in's Kloster bewogen zu werden. Zu Chatillon bewohnte Jahr lang (bis zur Bereinigung ihrer zeitlichen Angelegenheiten) unter den heiligsten Übungen ein eigenes Haus, und trat dann nach Verfluß derselben mit seiner heiligen Schaar seine Reise nach Citeaux (Cisterz) an, wo sie alle, auf die Erde hingeworfen, im Jahr 1113 unter Tränen um Aufnahme flehten, die ihnen vom Abt Stephan mit Freuden gewährt wurde. Von dem Augenblicke seines Eintritts in den Orden war der hl. Bernhard der Welt gänzlich abgestorben und hatte für das, was er aß, so wenig Interesse, dass es ihm genügte, schwarzes Brot in Wasser getaucht zu genießen, und er einmal aus Versehen Öl statt Wasser trank, ohne es zu bemerken. Damit sein Eifer nicht erkalten möge, sagte er oft nach dem Beispiele des hl. Arsenius: »Bernhard, warum bist du hierher gekommen?« und übte alles das, was er denen zu sagen pflegte, die sich in der Folge zur Clairvaux seiner Leitung übergaben: »Wenn ihr in diesem Hause leben wollt, müsst ihr eure Leiber verlassen; hier gehen nur Geister ein.« 

Nachdem die Prüfungszeit verflossen war, legte er mit den Genossen seiner Einsamkeit im Jahr 1114 die Gelübde in die Hände des hl. Abtes Stephanus ab. Allein nicht lange sollte er in der Einsamkeit von Citeaux ein mit Christus in Gott verborgenes Leben führen, da er zu höherer, ausgebreiteter Wirksamkeit berufen war. Als sich nämlich die Zahl der Ordensgenossen daselbst beträchtlich vermehrte, bot Graf Hugo von Troyes dem Abte Stephan einen Platz auf seinen Ländereien an, um ein Kloster darauf zu bauen. Es war dies in dem sogenannten Wermutstal (vallis absinthialis), einem wüsten Orte im Bistum Langres mitten in einem Wald, der ein Aufenthalt von Räuber war, woher auch sein Name kommen mag. Hierher sandte der Abt Stephan zwölf Ordensmänner, mit dem hl. Bernhard an der Spitze, und gründete im Jahre 1115 das so berühmt gewordene Kloster Clairvaux (Clara vallis)' d.i. Leuchtental, vom Volke so genannt wegen der Tugend und Heiligkeit des hl. Bernhard und seiner Brüder, die aus demselben über die ganze Umgegend ausstrahlte. Merkwürdig war der Einzug in dieses Kloster. Sie zogen, Bernhard voran mit einem Kruzifixe, Psalmen singend von Cisterz aus, und schritten unter Gebet dem Orte ihrer Bestimmung zu.

Durch allzugroße Lebensstrenge und Mangel an Schlaf zog sich unser Heiliger schon im nächsten Jahre eine gefährliche Krankheit zu, aus welcher er nur dadurch gerettet wurde, dass sein Freund Wilhelm von Campeaux, Bischof von Chalons an der Marne, nach Darlegung des Sachverhalts sich den auf einer Versammlung vereinten Vätern des Zisterzienser-Ordens zu Füßen warf und sich erbat, den Heiligen ein Jahr lang fern vom Kloster unter seiner Aufsicht und Leitung halten zu dürfen. Nach einem Jahre, während dessen er auf Anordnung seines Freundes von aller zu großer Strenge sich enthalten musste, genesen, hatte er die Freude, unter die Ordensnovizen auch seinen Vater Tesselin aufzunehmen, den er dadurch zur Ergreifung des Ordensstandes gebracht haben soll, dass er Feuer in dessen Schloßhof anzünden ließ, und darauf hinweisend ihm bedeutet haben soll, wie das Holz, so werde er einmal in der Hölle brennen, wenn er sich nicht zur Verlassung der Eitelkeit der Welt entschließe, was auf Tesselin einen solchen Eindruck gemacht haben soll, dass er, alles im Stiche lassend, seinem Sohne nach Clairvaux gefolgt sei. Überhaupt war er weit entfernt von jener sinnlichen Verwandtenliebe, welche sich scheut, mit den Nächsten ein ernsthaftes Wort zu reden. Wie mit dem Vater machte er es mit seiner einzigen Schwester Humbelina, welche mit einem vornehmen Manne verheiratet, aber eine der Eitelkeit der Welt sehr ergebene Frau war. Als sie einst ihre Brüder zu Clairvaux besuchen wollte, und dabei im schönsten Putze und Gefolge an der Klosterpforte anklopfte, ließ ihr der hl. Abt wissen, er wolle sie nicht sehen; sie sei eines der Netze, welches der Satan ausgeworfen, die Seelen zu fangen und zu verderben.

Dies machte solchen Eindruck auf sie, dass sie sich von Stunde an bekehrte, und nach einiger Zeit mit Erlaubnis ihres Mannes in das Kloster Baillt oder Julli (Julleium) trat, wo sie Buße tat, und gottselig verstarb (am 21. Aug. 1141). Der hl. Bernhard hat an seinem Leibe selbst erfahren, wohin es führe, wenn man denselben einer zu großen Strenge unterwirft. Daher durch Erfahrung milder geworden, erschien er unter den Seinigen als ein zärtlicher Vater und sah sich dadurch bald an der Spitze von 700 Brüdern, die ihm auf den leisesten Wink folgten und mit Eifer die Wege der Tugend wandelten. Der Ruf seiner und seiner Brüder Heiligkeit drang überall hin, und von allen Seiten kamen Wünsche, Ableger seines Ordens in ihren Gegenden einzusenken. Er gründete schon im Jahr 1118 die Klöster Troies-Fontaines, Fontenai und das Kloster Tarouca in Portugal; dann im Jahre 1121 Foigny. Obwohl der innigste Freund der Einsamkeit, folgte er doch aus Liebe zu den Menschen dem Rufe, der an ihn erging, die Angelegenheiten der Fürsten und Völker zu ordnen, auf Kirchenversammlungen zu erscheinen, gegen Irrtum und Ketzerei sich zu erheben. Es ist mit Worten kaum zu schildern, was der hl. Bernhard in allen diesen Beziehungen getan, mit welchem Erfolge er allerorts gewirkt, und wie viel der christliche Erdkreis ihm zu verdanken habe.

Er war das »Orakel seiner Zeit.« Mit Eifer betrieb er im Jahre 1130 die allgemeine Anerkennung des Papstes Innozenz II. gegen den Gegenpapst Anaklet, versöhnte im nächsten Jahre die Genueser mit ihm, brachte im Jahr 1133 den Frieden zwischen Kaiser Lothar und den zwei Neffen Heinrich's V. zu Stande, bekehrte auf seinen Wanderungen durch Deutschland, Italien und Frankreich eine Menge Sünder und beruhigte die Stadt Mailand, wo er auch mit auffallenden Wundern leuchtete. Dabei war er die Bescheidenheit und Demut selbst, der stets nur gering von sich dachte, und alle Ehre zurückwies, die ihm erwiesen werden wollte. Aus lauter Demut schlug er mehrere Bistümer aus, die ihm angeboten wurden, wie das von Mailand, Langres etc., und Niemand wagte es, ihn zur Annahme zu zwingen. Daher konnte sein Biograph sagen, er selbst habe keinen Neid gehabt, noch sei er vom Neide Anderer verfolgt worden; in solch allgemeiner Bewunderung und Hochschätzung stand er bei Allen, mit denen er verkehrte. Kaum war er im Jahre 1134 wieder in seine stille Zelle und zu seinen vorigen Beschäftigungen zurückgekehrt, so erhielt er abermals einen Ruf nach Aquitanien, wo er den unbezähmbaren Herzog Wilhelm daselbst, über den der Kirchenbann ergangen war, in ein Lamm zu verwandeln wusste, das reumütig zur Buße griff. Vorzügliche Verdienste aber erwarb er sich durch die Bekämpfung und Ausrottung des Irrthums und der Ketzerei. Mit Eifer wirkte er gegen Peter Abaillard, sowie später gegen Arnold von Brescia und Gilbert von Porée, welche ketzerische Meinungen ausstreuten, durch Schriften und auf Konzilien. Als sein Schüler Bernardus von Pisa im J. 1143 Papst geworden unter dem Namen Eugen III., schrieb er eine Abhandlung (de Consideratione) an ihn, die demselben die ganze Verantwortlichkeit seines hohen Amtes klar vor Augen stellte. Diese Schrift, welche eines seiner bedeutendsten Werke ist, wurde vom hl. Bernhard nicht, wie einige wollen, auf einmal verfasst, sondern nach und nach, und stückweise an den Papst geschickt.

Das Stiften neuer Klöster setzte er fort und gründete in Allem während seiner Regierung 160. Der Zulauf nach Clairvaux war ein außerordentlicher, und selbst Fürsten, Grafen, Gelehrte und Soldaten kamen (einmal 100 an einem Tage), um aus seinen Händen das Ordenskleid zu empfangen. Auch für die Kreuzzüge war er tätig. Im Jahr 1145 predigte er auf dringende Einladung mit Macht den zweiten Kreuzzug und gab in Speyer selbst dem Kaiser Conrad III. das Kreuz. Er übte dabei durch Predigten und Wundergaben auf die Sitten Deutschlands großen Einfluss, und wenn er auch den Schmerz haben musste, diesen Kreuzzug erfolglos ablaufen zu sehen, so waren doch seine Bemühungen mit andern segensreichen Wirkungen begleitet. Während seines ganzen tatenreichen Lebens hatte der hl. Bernhard immerfort an einer gewissen Kränklichkeit zu leiden, und nie hatte er in demselben eine Stunde, wo er sich ganz gesund und wohl fühlte, was wohl von seiner strengen Lebensweise herkam. Zu Anfang des Jahres 1153 verschlimmerte sich jedoch sein Zustand zusehends, und er verlor gänzlich die Lust nach einer Speise. Allein trotz seiner großen Schwäche eilte er nach Metz, um die Einwohner dieser Stadt, welche gegen einen benachbarten Fürsten wegen der von ihm erlittenen Unbilden aufgeregt waren, zu beruhigen; doch kaum war er nach Clairvaux zurückgekehrt, als seine Krankheit sich verstärkte, von allen Zeichen der Todesgefahr begleitet.

Nachdem er seine geistlichen Söhne der göttlichen Barmherzigkeit empfohlen und durch Verdopplung seiner innigen Zerknirschung und Liebe zu seiner letzten Stunde sich vorbereitet hatte, entschlief er am 20. August, Vormittags zwischen 11 und 12 Uhr, im Jahr 1153 in seinem 63. Lebensjahre, nachdem er 38 Jahre Abt von Clairvaux gewesen, und wurde in seinem Kloster vor dem Altare der seligsten Jungfrau, zu der er eine ganz besondere Verehrung trug, beerdigt. Wie im Leben, so wurde er auch nach seinem Tode von Gott durch seine Wunder verherrlicht, und der Wunder geschahen so viele, dass dem Heiligen, wie die Lebensbeschreiber ausdrücklich sagen, gleichsam verboten werden musste, ein solches zu wirken, was wohl den Sinn haben dürfte, dass vor dem großen Zudrange der Leute sein Grab abgesperrt wurde, weil zu befürchten stand, wie als Grund beigesetzt wird, es möchte die klösterliche Stille und Einsamkeit durch denselben leiden. Die Anzahl der Wunder des Heiligen nehmen in den auf uns gekommenen Akten ganze Bücher ein, so groß ist dieselbe, abgerechnet die, welche nicht schriftlich auf uns gekommen sind.

Dies, sowie die Heiligkeit seines Lebens, und der allgemeine Ruf, in dem er bei Päpsten und Fürsten stand, war wohl der Grund, warum man sogleich nach seinem Tode zum Prozess seiner Kanonisation schritt, und wirklich wurde er nach 21 Jahren (nach Andern 12 Jahren), nämlich im Jahre 1174 vom Papst Alexander III. feierlich unter die »Heiligen« gesetzet. In der Schule galt der hl. Bernhard schon längst als Doktor, und aus der Kanonisationsbulle, sowie aus der für sein Fest angeordneten Missa geht hervor, dass er als Doktor Ecclesiæ verehrt werden dürfe, indem er in der früheren Oration geradezu Doktor genannt, und das Evangelium de Doctoribus genommen wurde; allein es scheint, dass er nur im Zisterzienserorden in dieser Qualität verehrt worden ist; wenigstens ist er wegen seiner salbungsvollen Schriften erst durch Papst Pius VIII. zum Doctor universalis Ecclesiæ erhoben worden mit Verleihung eines für immer geltenden jährlichen vollkommenen Ablasses für jeden, der am Feste des Heiligen eine Klosterkirche des Zisterzienserordens besucht (Brev. Rom. ad 20. Aug.) Mabillon nennt ihn übrigens nicht bloß einen Doctor Ecclesiæ (Kirchenlehrer), sondern sagt von ihm, er schließe die Reihe der Kirchenväter (ultimus inter Patres), und weist aus seinen Schriften, besonders aber aus dem Umstande, dass der Heilige seine Wissenschaft nicht aus den Büchern geschöpft, sondern aus Eingebung des heil. Geistes, wie er denn selbst sage: quercus et fagos se magistros habuisse, seine Eigenschaft als Kirchenvater nach. Übrigens steht sein Name am 20. August nicht nur im allg. Mart. Rom., sondern auch in dem für die Orden des hl. Benedikt und für die Zisterzienser. Seine Reliquien sind fast auf der ganzen Erde verbreitet und wurden bald nach seinem Tode überall hin verschickt.

Antiphon Salve Regina

Vom hl. Bernhard kann man gar häufig lesen, die bekannte Antiphon Salve Regina rühre von ihm her, und wird dabei die Sache also erzählt: Als einst in einer Nacht, während alle schliefen, Bernhard wachend gewesen, habe er in der Kirche wunderliche Stimmen wie von Engeln gehört, welche die seligste Jungfrau lobten und priesen. Als er darauf sich in aller Stille in die Kirche begeben, um zu sehen, was es daselbst gebe, habe er die seligste Jungfrau von Engeln umgeben gesehen, und gehört, wie sie das Salve Regina sangen, welchen Gesang er im Herzen behalten, des andern Tages aufgeschrieben und an Papst Eugen III. zur allgemeinen Einführung in der Kirche gesendet habe. Wenn auch diese Erzählung aus den Lectionen der Kirche von Fontaines entnommen ist, so entbehrt sie doch aller historischen Wahrheit. Besser begründet jedoch, obwohl wir darüber bei den Bollandisten nichts finden konnten, dürfte die Erzählung sein, dass er im Dom zu Speyer, wo er den Kreuzzug predigte, beim Eintritte in die Kirche knieend die Worte sprach: »O clemens«, dann vorwärtsschreitend und wieder niederknieend die Worte beifügte: »O pia«, endlich wieder vorwärtsschreitend und zum Drittenmal niederknieend, mit den Worten schloss: »O dulcis Virgo Maria«, welche Worte sodann dem Salve Regina beigefügt wurden.

Andere Erzählungen - wie z.B. dass er in Speyer vor dem versammelten Volke die seligste Jungfrau dreimal gegrüßt und dann von dem Bildnis Mariä entgegengegrüßt worden: »Salve, Bernarde«; ferner, wie er ein anderes Mal der seligsten Jungfrau Stillschweigen geboten auf Grund des apostolischen Ausdruckes, dass die Frau in der Kirche zu schweigen habe; weiter, wie er an der Brust der seligsten Jungfrau getrunken und von daher seine honigähnliche Beredsamkeit erlangt habe, und endlich wie er gleichfalls von einem Bildnisse Mariens im Kloster Afflighem unweit Brüssel gegrüßt worden - beruhen auf keinem glaubwürdigen Zeugnisse und kommen in Ordenschroniken vor, die aus neuerer Zeit stammen und keine andere Gewährschaft haben, als eine unbegründete Volkssage; dagegen ist jene andere Erzählung historisch nachweisbar, wonach im Kloster Moris ein Kruzifixbild, vor dem der Heilige mit besonderer Andacht betete, die Arme über ihn ausgebreitet, ihn umfangen und geküsst habe. Bei den Bollandisten findet sich ein Bild seiner Person, das nach einem authentischen Berichte dem Original am nächsten kommen solle.



(Quelle: nach Vollständiges Heiligen-Lexikon von J.E. Stadler, F.J.Heim und J.N. Ginal, Augsburg 1858-1882, digitalisiert und mit freundlicher Genehmigung von Digitale Bibliothek, Verlag Directmedia Publisching GmbH, CD DB 106, http://www.zeno.org, von FJM überarbeitete Fassung)