Marienfeste
Marienfeste sind Feste im Gedenken und zu Ehren der Gottesmutter Maria.
Das Fest Mariae Vermaehlung, 23. Januar
Das Fest Mariae Reinigung oder Lichtmess, 2. Februar
Dieses Fest wird seit mehr als 1300 Jahren in der katholischen Kirche gefeiert und wurde im Abendland von Papst Gelasius deswegen eingeführt, um die Christen zu seiner Zeit von den schändlichen Feierlichkeiten der Heiden abzuhalten, welche im Monat Februar gewöhnlich stattfanden. – Es soll aber dieses Fest an ein zweifaches Geheimnis unserer heiligen Religion erinnern, nämlich an die Reinigung der allerseligsten Jungfrau und an das Opfer, welches sie mit ihrem Kind im Tempel dargebracht hat. Maria gehörte ihrer Abstammung nach dem Geschlecht der Juden an. Nun hatte aber Gott im alten Bund durch Moses den Juden befohlen, dass jede Frau, die ein Kind geboren hat, als unrein angesehen werden soll, so lange, bis sie von dem Priester als rein erklärt würde. Diese Zeit dauerte, wenn ein Knabe geboren wurde, 40, wenn aber ein Mädchen, 80 Tage, von dem Tag der Geburt an. Nach dieser Zeit musste die Mutter, welche sich bisher nicht öffentlich hatte sehen lassen dürfen, im Tempel erscheinen und war sie vermöglich, musste sie ein Lamm, war sie arm, zwei junge Tauben oder Turteltauben zum Opfer mitbringen. War das Opfer vollbracht, so wurde die Mutter für rein erklärt und in ihre vorigen Recht eingesetzt. Durch dieses Gebot wollte Gott den Juden zu erkennen geben, dass alle Nachkommen Adams von Geburt aus von der Sünde befleckt seien und nur durch das Opfer seines Sohnes gereinigt werden können. Mit diesem Gebot war noch ein anderes verbunden, welches forderte, dass die erstgeborenen Söhne der Juden im Tempel Gott, dem Herrn, geopfert werden und durch eine gewisse Summe Geldes losgekauft werden sollten. Dadurch wollte Gott die Juden erinnern, dass sie und ihre Kinder seinem Todesurteil wegen der Erbsünde unterworfen wären, durch den Preis des Blutes seines Sohnes aber losgekauft würden, zugleich auch, dass er die Erstgeborenen der Juden in Ägypten vom Tod errettet habe. – Maria, welche immer den Willen Gottes so gern und genau befolgte, unterwarf sich auch, nachdem sie ihr göttliches Kind geboren hatte, diesen Gesetzen mit aller Bereitwilligkeit. Sie wäre hiervon ausgenommen gewesen, denn sie hatte ja vom heiligen Geist den Sohn Gottes empfangen und war vor und nach der Geburt eine Jungfrau; allein sie wollte die Tugend der Demut und des Gehorsams üben, und wie ihr göttlicher Sohn sich in allem, die Sünde ausgenommen, den Menschen gleichstellen. Da siehst du, christliche Seele, an Maria eines der Hauptmerkmale der wahren Demut. Der Demütige ist zufrieden mit dem Wohlgefallen Gottes; er will keinen Vorzug vor anderen, er liebt die Verborgenheit, während der Stolze sich über andere immer erheben, immer besser als andere sein, alle übertrefen, immer vor den Augen anderer glänzen will. Auch siehst du an Maria die schöne Tugend des Gehorsams glänzen. – „Gott will es“, das war die Richtschnur ihres Lebens. O dass doch auch der Wille Gottes, sein heiliges Gebot immer dir vor Augen schwebten!
Maria, die holde Jungfrau, erschien also mit ihrem heiligen Kind im Tempel und da sie arm und die Mutter eines Kindes war, das arm geboren werden und arm leben und sterben wollte, so brachte sie auch das Opfer der Armen, zwei Turteltauben dar. – Um die Armut muss es doch etwas Großes sein, weil Jesus und Maria sie so liebten. So ist es auch; die Armen, welche in Geduld und Ergebung ihr Los ertragen, hat Gott lieb; diesen hat er das Himmelreich verheißen und dafür den Reichen, die ihr Herz ans Irdische hängen, mit dem Untergang gedroht. O christliche Seelen, liebet doch die Armut und verachtet die Armen nicht, sie sind die Lieblinge Gottes. Als nun Maria das heilige Opfer der Reinigung dargebracht hatte, legte sie auch ihr Kind Gott zum Wohlgefallen auf den Altar; sie weihte es ganz dem himmlischen Vater für das Heil der Welt. Hierauf bezahlte sie das Lösegeld und empfing das Kind aus den Händen des Priesters zurück, um es wie ein teuer anvertrautes Gut bis zu der Stunde zu bewahren, wo es der himmlische Vater zurückverlangen würde, damit es für die Erlösung der Menschen sterbe. – Heute könntest du auch im Geist dein Herz in die Hände der lieben Mutter Gottes legen und sie innig bitten, sie möge auch dir Mutter sein und Gott dein Herz darbringen zu einem vollkommenen Opfer. Aus den Händen der lieben Frau verschmäht Gott dein Herz gewiss nicht! Als nun Maria ihr Opfer vollendet hatte, da kam ihr ein Greis entgegen, Simeon mit Namen, der gerecht war und mit größter Sehnsucht auf den Erlöser wartete. Ihm hatte Gott verheißen, dass er nicht sterben würde, ehedenn er den Erlöser gesehen. Er nahm das göttliche Kind aus den Armen seiner Mutter, segnete es und stimmte den schönen Gesang an: „Nun lässt du, o Herr, deinen Diener im Frieden fahren nach deinem Wort; denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du bereitet hast allen Völkern, als ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.“ Hierauf vom Geist Gottes erleuchtet, ruft er weissagend der göttlichen Mutter zu: „Sieh! Dieser ist gesetzt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und als ein Zeichen, dem man widersprechen wird; und ein Schwert wird dein Herz durchdringen, damit die Gedanken vieler Menschen offenbar werden.“ Kaum hatte der Greis diese für Maria so schmerzlichen Worte geendet, als auch ein Weib von hohem Alter, die fromme Witwe Anna, herzutrat, das Kind auf ihre Arme nahm und dankend für die Gnade, den Erlöser noch vor ihrem Tod zu sehen, zum Himmel blickte. Zur Erinnerung an die Worte des Greises Simeon, dass Jesus ein Licht sei zur Erleuchtung der Heiden, werden an diesem Tag auch Wachskerzen geweiht und mit brennenden Lichtern Prozessionen gehalten. Die Wachskerze ist ein schönes Bild des göttlichen Heilandes. Das weiße Wachs bedeutet das reinste Fleisch der Menschheit Jesu Christi, welches eine Frucht des jungfräulichen Leibes Mariä war, wie das Wachs die Frucht der reinen Biene ist. Das Licht bedeutet Jesus, der sich selbst das Licht der Welt durch seine Lehre und sein Beispiel nennt, der alle Menschen erleuchten will und dem alle folgen sollen; der alle Menschen liebt und mit dem Feuer seiner Liebe alle Menschenherzen erfüllen will; der sich auch zu unserem Heil wie ein Licht verzehrt hat am Kreuze! Es bedeutet aber dieses Licht auch jeden Christen. Auch du, christliche Seele, sollst ein helles, klares Licht sein durch Wahrheit, Aufrichtigkeit, durch einen frommen Lebenswandel; du sollst allen deinen Mitmenschen durch ein gutes Beispiel voranleuchten und sollst dich im Dienste Gottes und des Nächsten gleichsam wie ein Licht verzehren. Tust du das, dann wird Jesus, das ewige Licht, dir einst im Himmel leuchten, d.h. du wirst sein Angesicht schauen und ewig mit ihm im Reich des Lichtes, im Himmel herrschen!
(Quelle: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Regensburg 1884)
Das Fest Mariae Verkündigung, 25. Maerz
Wenn du, lieber Leser, jahrelang in einem Gefängnis schmachten würdest, ganz in Finsternis begraben, an Händen und Füßen gefesselt, täglich dem Tod ausgesetzt, und wenn nun eines Tages ein Bote in dein Gefängnis treten und dir ankünden würde, dass ein großer, mächtiger König und Herr angekommen sei, der dich aus dem Gefängnis befreien, das Todesurteil von dir wegnehmen und dich selbst zum Königskind erheben würde, würdest du dich nicht freuen und immer, so lange du lebtest, den Tag ehren und segnen, wo dir diese freudige Botschaft gebracht worden?! Nun sieh, heute ehrt, segnet und feiert die katholische Kirche den Tag, wo nicht bloß dir, sondern allen Menschen eine solche Freudenbotschaft gebracht worden ist. Du weißt ja, dass nach der ersten Sünde im Paradies die Menschen alle in die schmachvolle Gefangenschaft des bösen Feindes fielen, dass alle Völker der Erde, bis auf das Volk der Juden, 4000 Jahre lang in Finsternis des Unglaubens wie begraben waren, und dass über alle Menschen das Urteil des ewigen Todes verhängt war. Du weißt auch, dass sich Gott über die gefallene Menschheit erbarmt und einen Erlöser versprochen hat. Dieses Versprechen hat auch Gott oft und oft durch seine Propheten wiederholt bis zur Zeit, wo der Erlöser wirklich kommen sollte. Am heutigen Tage nun, vor 1860 Jahren, wollte Gott sein Versprechen erfüllen, worauf die ganze Welt mit Sehnsucht harrte. 500 Jahre zuvor hatte der Prophet Jesaja vorausgesagt: „Sieh, eine Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sein Name wird sein Emanuel, d.h. Gott mir uns.“ (Jes 7,14) Diese Jungfrau nun, welche den Erlöser der Welt empfangen und gebären sollte, war Maria, die allerseligste Jungfrau. Sie lebte zu Nazareth, einem Städtchen im Gebirgsland Galiläa, arm und verborgen und wartete ebenfalls mit heißer Sehnsucht auf den verheißenen Erlöser. – Am 25. März befand sie sich gerade in ihrem stillen Kämmerlein im Gebet, als Gott der Herr einen himmlischen Boten, den Erzengel Gabriel, zu ihr sandte. In tiefster Ehrfurcht nahte sich derselbe der heiligen Jungfrau und sprach: „Gegrüßet seist du, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen.“ Noch nie hat ein Mensch einen so hohen Gruß empfangen als Maria. Gottes höchste Majestät war es selbst, in dessen Namen der Engel den Gruß überbrachte, und – wunderbar – ein guter Engel machte jetzt wieder gut, was einst ein böser Engel geschadet hatte. Denn der gefallene Engel Luzifer, der Teufel, war es, der die erste Eva verführte und die ganze Menschheit in das Unglück stürzte; nun aber sollte ein anderer Engel, Gabriel, der zweiten Eva, Maria, die frohe Botschaft bringen, dass sie zum Heil der Menschheit den Erlöser empfangen werde. Die Worte also: „Gegrüßet seist du Maria“ sind himmlische Worte; o sprich sie daher immer, christliche Seele, mit tiefer Ehrfurcht, mit inniger Freude aus! Dieser Gruß, sagt der heilige Alphons, ist der allerseligsten Jungfrau sehr wohlgefällig, und es scheint, als ob man ihr alsdann die Freude, die sie empfing, als der Erzengel Gabriel ihr verkündete, sie werde Mutter Gottes werden, erneuere, und der heilige Bonaventura sagt, dass Maria immer wieder auf diesen Gruß mit einer gewissen Gnade antworte. – Der Engel fuhr fort: „Du bist voll der Gnade.“ Kein Mensch hat die Fülle der Gnaden Gottes in so hohem Grad empfangen als Maria, denn sie war unbefleckt, ohne Makel der Erbsünde empfangen und sie gab, wie der heilige Petrus Chrysologus sagt, dem Himmel die Ehre, der Erde den Schöpfer, den Heiden das Glaubenslicht, den Lastern das Ende, dem Leben die Ordnung, den Sitten die Zucht. – Andere Heilige erhielten zwar Teilchen der Gnade, aber in das Herz Mariens goss sich deren ganze Fülle aus, die sich auch über uns verbreitet hat und noch verbreitet. Von ihrer Gnadenfülle erhalten auch wir; sie ist die Schatzmeisterin der Gnaden Gottes, durch ihre Fürbitte kannst du jede Gnade erlangen. – „Der Herr ist mir dir“. Hierüber sagt der heilige Bernard: „Der Herr war mit Maria nicht bloß dem Geist, sondern auch dem Fleisch nach. Er war zwar mit allen Heiligen, ganz besonders aber mit Maria; denn mit ihr hatte er eine so innige Gemeinschaft, dass er nicht nur ihren Willen, sondern auch ihr Fleisch mit sich vereinigte; und dann fährt der nämliche Heilige fort: Der Herr ist mit dir, wie ein Vater mit seiner Tochter, die er sorgsam beschützt, wie ein Bräutigam mit seiner Braut, die er einzig liebt, wie ein König mit seiner Königin, die er in hohen Ehren hält.“ O, bitte, christliche Seele, täglich Maria, dass sie dir helfe, dass auch Gott immer mit dir sei im Leben und Sterben! –
„Du bist gebenedeit unter den Frauen.“ Maria ist die Gesegnetste ihres Geschlechtes, ja die Glückseligste, denn sie allein wurde unter allen Frauen zur Gottesmutter auserkoren, sie allein ist Mutter und doch Jungfrau, sie hat durch den Sohn, den sie geboren hat, den Flucht Gottes über die Menschheit in Segen verwandelt; Eva war die Urheberin der Sünde, Maria die Urheberin der Gnaden, Eva hat uns verwundet, Maria hat uns geheilt. – Als nun Maria diese Worte des Engels hörte, erschrak sie und dachte nach, was dieser Gruß bedeuten sollte. Maria, sagt der heilige Ambrosius, erschrickt nicht über den Engel als himmlischen Geist, sondern weil ihr der Engel unter der Gestalt eines Jünglings erschien, noch mehr aber erschrickt sie über die Lobsprüche, welche sie hört. Sie war ja voll heiliger Unschuld und ihr Herz war das demütigste von der Welt. Darum dachte sie auch nach, welch ein Gruß dies sei. Sie hielt sich immer für eine arme, unbekannte Jungfrau; sie sah an sich nur lauter Mängel und Fehler; sie glaubte sich unwürdig aller Gnaden Gottes, darum erschrickt sie und fürchtet sich, als sie den hohen Gruß vernimmt. – Wie benimmst du dich, christliche Seele, wenn du Lobsprüche vernimmst? Hörst du sie gerne, gefallen sie dir, o dann folgst du Maria nicht nach, die alle Ehre und alles Lob Gott allein opferte; dann wird dich bald der böse Feind in seinen Schlingen fangen und weil du dich erhöhst, wirst du erniedrigt werden! – Willst du das? ... Als der Engel die Furcht der heiligen Jungfrau bemerkte, sprach er zu ihr: „Fürchte dich nicht, denn du hast Gnade gefunden vor Gott.“ Und nun kündigt er ihr die hohe Freudenbotschaft, die Menschwerdung des Sohnes Gottes in ihrem Leib an: „Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären und sollst seinen Namen Jesus heißen. Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden; Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben und er wird herrschen im Hause Jakobs ewiglich, und seines Reiches wird kein Ende sein.“ Bei diesen Worten durchströmt eine süße Freude das Herz der heiligen Jungfrau; aber sie schweigt und denkt nach über die Bedeutung dieser Worte: Sie soll Mutter werden, aber sie will Jungfrau bleiben, wie sie Gott versprochen hat. Was soll sie tun? Endlich öffnet sie den Mund und spricht: „Wie wird dies geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Sie will sagen: Ich will ja Jungfrau bleiben, was wird also Gott der Herr tun, um meine Reinigkeit zu bewahren, wenn ich Mutter werden soll? Der Engel antwortete ihr nun: „Der heilige Geist wird über dich herabkommen und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten, darum wird auch das Heilige, welches aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden; ... denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Nun war das Bedenken der reinsten Jungfrau gehoben, und nun spricht sie in tiefster Demut die Worte, auf welche Himmel und Erde mit Sehnsucht warten: „Sieh, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.“ In diesem Augenblick wurde Maria in himmlische Verzückung erhoben und der Sohn Gottes verließ den Schoß des ewigen Vaters und stieg nieder in den Schoß der Jungfrau, - Gott wurde Mensch, um die Menschheit zu retten vom ewigen Verderben; ein Gott verschließt sich in den Schoß einer Jungfrau, um der Erde den Frieden zu geben, den Himmel zu verherrlichen, das Verlorene zu retten, den Toten das Leben wieder zu geben, zwischen Himmel und Erde einen Bund zu schließen und gleichsam einen Verkehr zwischen der Gottheit und der menschlichen Natur zu begründen.
Heute feiert also die Kirche zwei Feste: ein Fest des Sohnes Gottes und ein Fest Mariä, der heiligsten Jungfrau; denn heute wurde der Sohn Gottes aus unendlicher Liebe zu uns ein Mensch und Maria wurde zu unserer Freude und zu unserem Trost Mutter Gottes. – Heute ist das Wort, das immer bei Gott war, der Sohn Gottes, Fleisch geworden. O christliche Seele, falle nieder zur Erde und bete an, und verherrliche und lobe die ewige Liebe des Sohnes, der herabgekommen ist vom Himmel in diese Erde voll Jammer und Elend, die Liebe des heiligen Geistes, der das Geheimnis der Menschwerdung im Leib der Jungfrau vollbrachte. O falle nieder und danke dem Herrn, der um deinetwillen im dunklen Schoß der Jungfrau ein kleines Kind geworden ist, damit er dich aus der Gefangenschaft des Satans in die Freiheit der Kinder Gottes, aus der Finsternis des Unglaubens in das Licht des wahren Glaubens versetze! Aber freue dich auch und frohlocke, denn heute hast du eine hohe, süße, mächtige, barmherzige Mutter erhalten, die dich liebt, die dir immer helfen kann und will, die dich nie verlässt, auf welche du in aller Angst und Not dein Vertrauen setzen kannst, und diese Mutter ist – Maria! Sie ist Mutter Gottes; kannst du diese Würde begreifen? Wie hoch musst du sie also ehren! Und diese Mutter ist auch deine Mutter, wie sehr sollst du sie lieben! Weißt du aber, wodurch du dieser hohen Mutter und lieben Frau die größte Ehre und Liebe erweisen kannst? Wenn du ihre Tugenden nachahmst, wenn du sanftmütig, demütig, keusch und rein, gehorsam, stillschweigend ... wirst wie sie; wenn du in allem den Willen ihres Sohnes tust; wenn du auch eine besondere Andacht zu ihr hast. Einen besonderen Wert legt Maria auf den englischen Gruß oder das Ave; weil er sie, wie schon gesagt, an die Freude erinnert, die sie fühlte, als sie von dem Engel Gabriel erfuhr, dass sie die Mutter Gottes werden sollte. Derjenige, welcher Maria grüßt, wird auch von ihr begrüßt werden, und der Gruß Mariä wird immer das Zeichen einer Gnade sein. Die Mutter Gottes, sagt ein frommer Geistesmann, kann dem nichts verweigern, der zu ihr mit den Worten des Ave Maria kommt. Es besteht aber die Übung der Andacht des Ave Maria darin, 1. dass man alle Tage beim Aufstehen und Niederlegen drei Ave Maria mit dem Angesicht auf der Erde oder wenigstens auf den Knien betet und zu jedem Ave das kurze Gebet fügt: „O Maria, reinige durch deine reine und unbefleckte Empfängnis mein Herz und meine Sinne!“ 2. dass man das „Angelus Domini“ oder „den Engel des Herrn“ morgens, abends und mittags spricht. Der Papst Urban II. war es, der im Jahr 1095 verordnete, dass man alle Tage dreimal mit der Glocke zum Gebet des Angelus Domini das Zeichen gebe, um den Schutz Mariä auf die Kreuzzüge herabzurufen, die stattfanden, um das heilige Grab zu Jerusalem den Händen der Türken zu entreißen. Diejenigen, welche mitzogen, hefteten nämlich ein weißes oder rotes Kreuz auf ihre Kleider und daher hieß man die Heereshaufen Kreuzzüge. Diese heiligen Kriege sind vorüber, allein unser Leben ist ja auch ein Kreuzzug gegen die Feindes unseres Heiles, und wir bedürfen daher immer der Hilfe Gottes, die uns aber am sichersten Maria durch ihre Fürbitte erlangen kann. Bete daher recht gern und andächtig den Engel des Herrn; wenn du dies täglich auf den Schall der Glocke tust, so kannst du alle Monate, wenn du reumütig die heiligen Sakramente empfängst, einen vollkommenen Ablass gewinnen und einen Ablass von 100 Tagen, so oft du reumütig dieses Gebet verrichtest. – So verordnete der Papst Benedikt XIII. im Jahr 1724.
Gebet O mein Gott, der du ganz Liebe bist, ich danke dir von ganzem Herzen, dass du deinen göttlichen Sohn hast Mensch werden lassen und mir Maria, seine heiligste Mutter, zur Mutter gegeben hast. Verleihe mir die Gnade, dass ich nicht aufhöre, dich, meinen Gott und Herrn, zu lieben und Maria, meine Mutter, zu ehren und anzurufen. Amen.
Link: Loretto
Das Fest Mariae Heimsuchung, 31. Mai
Maria bei Elisabeth
[Lk. 1,39-56]
39 Maria aber machte sich in diesen Tagen auf und ging eilends in das Gebirge in eine Stadt Judas. 40 Sie trat in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. 41 Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, da hüpfte das Kind in ihrem Leib, und Elisabeth wurde erfüllt von Heiligem Geist, 41 erhob laut ihre Stimme und rief: »Gebenedeit bist du unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes! 43 Woher geschieht mir dies, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? 44 Denn siehe, als der Klang deines Grußes an meine Ohren kam, hüpfte frohlockend das Kind in meinem Leibe. 45 Selig, die geglaubt hat, daß in Erfüllung gehen wird, was ihr gesagt worden ist vom Herrn.« 46 Und Maria sprach: »›Hochpreist meine Seele den Herrn‹, 47 und ›mein Geist frohlockt über Gott, meinen Heiland‹; 48 ›er schaute gnädig herab auf die Niedrigkeit seiner Magd‹; denn siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter. 48 ›Großes tat an mir‹ der Mächtige, und ›heilig ist sein Name‹. 50 ›Sein Erbarmen gilt von Geschlecht zu Geschlecht denen, die ihn fürchten‹. 51 Er übte Macht aus ›mit seinem Arm‹; er ›zerstreute, die hochmütig sind in ihres Herzens Sinnen‹. 52 ›Gewalthaber stürzte er vom Thron und erhöhte die Niedrigen‹. 53 ›Hungrige erfüllte er mit Gütern‹, und Reiche schickte er leer von dannen. 54 ›Er nahm sich Israels an, seines Knechtes‹, ›zu gedenken seines Erbarmens‹, 55 wie er zu unseren Vätern sprach, für Abraham und ›seine Nachkommen auf ewig.‹« 56 Maria blieb bei ihr etwa drei Monate und kehrte zurück in ihr Haus.
Das Fest der Himmelfahrt Mariens, 15. August
Kaum waren die Verfolgungen und Verwirrungen, welche die Feinde Gottes in der heiligen Kirche in den ersten Jahrhunderten anrichteten, vorüber, als die Christen schon anfingen, den seligen Hingang der heiligen Jungfrau und Mutter Gottes Maria zu feiern. Anfangs wurde das Fest am 18. Januar gefeiert, bis im Jahr 582, auf Bitten des Kaisers Mauritius, der 15. August in der ganzen Kirche des Morgen- und Abendlandes hierzu bestimmt wurde. Seit dieser Zeit wird dieses Fest unter dem Namen „der Himmelfahrt“ oder der „Aufnahme“ der seligsten Jungfrau auf die feierlichste Weise begangen, weil keines von den Marienfesten die Herrlichkeit, die Größe und den Triumph der Mutter des Herrn so schön uns vor Augen stellt. Die heilige Kirche begeht nämlich an diesem Tag die glorreiche Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele und ihren triumphierenden Einzug in das Reich ihres göttlichen Sohnes. Nach dem Tod des Heilands und seiner Himmelfahrt blieb Maria in der Stadt Jerusalem bis zur Zeit, als die furchtbare Verfolgung, die im Jahr 44 n. Chr. ausbrach, sie zwang, mit den Aposteln zu flüchten. Der Apostel Johannes, ihr Pflegesohn, führte sie nach Ephesus. Dort brachte sie ihre Tage im beständigen Gebet für das Gedeihen der jungen Kirche und das Heil der Menschen zu. Ihr Herz war immer im Himmel bei ihrem göttlichen Sohne; mit ruhiger Ergebung ertrug sie den Schmerz der Trennung von dem Geliebten ihres Herzens und ihr einziger Wunsch war, mit ihm auf ewig vereint zu sein. Von allem, was ihrem Herzen und ihrem Blut verwandt war, blieb der heiligen Jungfrau niemand mehr als der heilige Johannes, der sie auf das Zärtlichste liebte und jeden ihrer Winke befolgte. Gewiss muss der blühende Zustand der ersten Christengemeinde zu Ephesus und das Lob, welches der Apostel Paulus ihrer Frömmigkeit erteilt, den Bemühungen der seligsten Jungfrau zugeschrieben werden. Da der heilige Johannes nicht immer in Ephesus blieb, sondern um der Ausbreitung und Befestigung des Glaubens willen mehrere Reisen machte, begleitete ihn die heiligste Jungfrau, und die tiefe Erkenntnis in den Geheimnissen Gottes, welche in seinen heiligen Schriften herrscht und der Geist der wundersamen Liebe, der daraus hervorleuchtet, weisen auf den Beistand hin, den die Mutter der himmlischen Weisheit und der schönen Liebe ihm geleistet hat. Mittlerweile hatten die heiligen Apostel den guten Samen des heiligen Wortes auf allen Punkten des römischen Reiches ausgesät; schon blühten überall fromme Gemeinden und Maria meinte nun, ihr Tagewerk auf Erden sei vollendet, die Kirche werde sich nun aus eigener Kraft erhalten können und die Sehnsucht, das Angesicht ihres göttlichen Sohnes zu schauen, verzehrte ihr Herz. Jesus kannte den Wunsch seiner geliebten Mutter und wollte ihn nun auch erfüllen. Der Erzengel Gabriel brachte ihr die freudige Nachricht, dass ihr Gebet Erhörung gefunden habe. Doch ehe sie von dieser Erde schied, wollte sie noch einmal das Land besuchen, wo sie seit den Tagen ihrer Geburt gelebt, wo die Füße ihres göttlichen Sohnes gewandelt hatten. Mit dem heiligen Johannes fuhr sie zu Schiff in das heilige Land und begab sich nach Jerusalem, wo sie sich in das Haus auf dem Berge Sion zurückzog, in welchem der heilige Geist am Pfingsttag auf sie und die Apostel niederstieg. Freudig eilte der heilige Apostel Jakob, der erste Bischof von Jerusalem, herbei, um die göttliche Mutter zu begrüßen und alle Gläubigen drängten sich herzu, um sie zu sehen und ihr ihre Huldigung darzubringen. Endlich war der Tag und die Stunde gekommen, wo der Himmel sich öffnen sollte, um seine Königin aufzunehmen. Wohl hätte Maria, die von der Erbsünde frei geblieben war und auch niemals sich einer Sünde schuldig gemacht hatte, von dem Tod befreit sein müssen, der ja nur eine Strafe der Sünde ist. Doch wie ihr göttlicher Sohn Jesus sich freiwillig dem Gesetz des Todes unterworfen hatte, um dadurch den Menschen das ewige Leben zu gewinnen, so wollte auch seine hochheilige Mutter, die ihm in allen Stücken als seine getreueste Nachfolgerin ähnlich geworden war, gleichfalls von diesem Gesetz nicht ausgenommen sein. Da sie aber auch in so vielen Stücken vor allen Menschen ausgezeichnet und begnadigt war, so war auch ihr Tod nicht, wie bei anderen Menschen, die Folge einer körperlichen Krankheit, sondern, wie die heiligen Väter lehren, vielmehr eine Folge der Liebe, welche sie verzehrte. „Entweder“, sagt der heilige Ildephonsus, „musste Maria nicht sterben, oder sie musste vor Heftigkeit der Liebe sterben!“ Das Feuer dieser Liebe war so heftig, sagt der heilige Bernard, dass die Erhaltung ihres Lebens ein beständiges Wunder war. Als daher die Stunde ihres Todes nahte, hielt Jesus die verzehrende Gewalt dieses Feuers nicht mehr zurück, und so verlosch das Leben der reinsten Jungfrau wie ein Licht, verzehrt von der Flamme. Arm und demütig, aber schön, wie sie stets gewesen, saß sie im ärmlichen Bettlein, in ihr einfaches Gewand gehüllt. Die Gläubigen konnten sich nicht satt sehen an ihrem wunderschönen Antlitz. Es war, als dürfe die Alles zerstörende Zeit diesen jungfräulichen Leib nicht berühren, der den Allerhöchsten getragen, und zu einer glorreichen Unsterblichkeit bestimmt war. Wie eine alte, ehrwürdige Überlieferung berichtet, waren alle Apostel, Thomas ausgenommen, in der letzten Stunde der gebenedeiten Gottesmutter auf wunderbare Weise erschienen. Bereits war es Nacht geworden. Die Lampen waren angezündet; im stillen Schmerz versunken umstanden die Apostel und Jünger des Herrn das Ruhebett ihrer geliebtesten Mutter. Da öffnete Maria den Mund und himmlischer Trost fiel in das Herz der trauernden Apostel, als sie ihnen sagte, dass sie ihrer im Himmel nicht vergessen werde. Jetzt ertönten wunderbare Gesänge und ein glänzendes Licht erfüllte das Gemach. Die Apostel warfen sich auf die Knie und Maria breitete segnend ihre Hände über sie aus. Ihr schönes Auge erhob sie zu den Sternen, die draußen glänzten, sie sah den Himmel offen und den Menschensohn kommen auf einer Lichtwolke. Da strahlte ihr Antlitz von seliger Mutterliebe und in unaussprechlicher Entzückung schwang sich ihre heilige Seele in die geöffneten Arme ihres göttlichen Sohnes. Maria war nicht mehr, aber ihr Antlitz war so lieblich anzuschauen, dass es schien, als scheue sich der Tod, sie mit kaltem Hauch zu berühren. – Unter Weinen und Weheklagen der Gläubigen stimmten die Apostel heilige Gesänge an, und Kranke, Blinde und Presshafte, die sich dem Todbett der Gebenedeiten nahten, erhielten augenblicklich ihre Gesundheit wieder. Des andern Tages hüllte man den heiligen Leib in kostbare Leinwand und umgab ihn mit wohlriechenden Gewürzen. Auf einem Tragbett, mit einem schönen Schleier bedeckt, trugen die Apostel die teure Leiche auf ihren Schultern in den Garten Gethsemani und senkten sie in das schon bereitete Grab. Drei Tage lang wachten und beteten die Apostel mit den Gläubigen bei dem Grab, als der heilige Thomas erschien und mit Bestürzung vernahm, dass die heilige Mutter des Herrn verschieden sei und bereits im Grab ruhe. Ganz trostlos hierüber bat er seine Mitbrüder, das Grab zu öffnen, damit er das teure Angesicht der Hochbegnadigten noch einmal schaue. Seine Bitte wurde gewährt. Man wälzte das Felsstück, womit das Grab verschlossen war, hinweg, aber man fand nichts mehr als die Blumen, womit der Leichnam bedeckt, und die Leinwand, worin er gehüllt war. Der allerreinste Leib, der den Herrn der Unsterblichkeit geboren, sollte keine Speise der Würmer sein. „So lange sie lebte“, sagt ein frommer Verehrer der seligsten Jungfrau, „hatten Himmel und Erde gleichen Anteil an diesem erhabenen Wesen; nun sie hingegangen, hatte der Himmel alles genommen und alles verherrlicht“ – ihre Seele und ihren Leib! –
Eine schöne Kirche ist auf das Grab der heiligen Jungfrau gebaut worden. Man steigt auf einer sehr breiten Treppe von 50 Stufen hinunter. Daneben befindet sich auch das Grab des heiligen Joseph und der beiden Eltern der heiligsten Jungfrau, Joachim und Anna. Nun, lieber Leser, nachdem ich dir das Hinscheiden der gebenedeitesten Gottesmutter erzählt habe, erhebe mit mir deinen Blick in den Himmel und betrachte den Einzug und die Glorie der Königin des Himmels. – Als Jesus, sagt der heilige Alphons Liguori, durch seinen Tod das Werk der Erlösung vollendet hatte, seufzten die Engel nach seiner Rückkehr in den Himmel und wiederholten unaufhörlich in ihren Gesängen die Worte Davids: „Erhebe dich, Herr, zu deiner Ruhe, du und die Lade deiner Heiligung.“ Die Lade deiner Heiligung, das ist Maria, die göttliche Mutter, welche Jesus heiligte, indem er in ihr wohnte. Steig herauf zu uns, o Herr, so wollten die seligen Geister sagen, du unser König und Herr, und nimm auch mit dir deine Mutter, die du zu unserer Herrin bestimmt hast. Endlich wollte der Herr den Wunsch der Himmelsbewohner erfüllen und berief Maria in den Himmel. Aber welche Feder wird wohl den Triumphzug der Königin des Himmels beschreiben können? Mit unerhörter Pracht, und unter Gesang und Jubel führte David die Bundeslade nach Jerusalem; mit welcher Glorie wird wohl die wahre Bundeslade, Maria, in die ewige Stadt Jerusalem eingezogen sein? Es genügte nicht, dass eine Schar von Engeln ihr entgegenzog, um sie zu begleiten; nein, der König der Engel selbst ging ihr entgegen, richtete an sie die süßen Worte: „Komm vom Libanon, meine Braut, komm vom Libanon, komm! Du wirst gekrönt!“ (Hld 4) und führte sie mit sich in das Reich seiner Herrlichkeit. An ihres göttlichen Sohnes Hand erhebt sie sich in die Lüfte, durchschreitet die Wolken, schwingt sie sich empor über die zahllosen Sterne und gelangt zu den Pforten des Himmels; und die ewigen Tore tun sich auf und die Jungfrau und Mutter, die Königin des Himmels, tritt ein. Da erschallt tausendstimmiger Jubelgesang aus der Engel Mund und staunend rufen die Cherubim aus: „Wer ist diese, die sich von der Wüste erhebt, so strahlend von Anmut und Tugend, gestützt auf ihren Geliebten geht sie einher? Wer ist diese, die den Herrn selbst zu ihrem Führer hat? Und die Chöre der Engel antworten: Es ist die Mutter unseres Königs, es ist unsere Königin, es ist die Heilige der Heiligen, die Geliebte Gottes, die unbefleckte Taube, die schönste unter allen Kreaturen. Und siehe da, alle Chöre der seligen Geister, alle Patriarchen und Propheten, alle Heiligen des Himmels lobpreisen sie und legen ihre unsterblichen Kronen zu ihren Füßen. Aber diejenigen, welche ihr mit der größten Freude entgegeneilten, waren unsere ersten Eltern, Adam und Eva. Geliebte Tochter, sprachen sie zu ihr, du hast der Welt die Gnade wieder errungen, du hast der Schlange den Kopf zertreten, die uns besiegt hat; du hast uns gerettet, gebenedeit seist du! Und welche Freude empfanden wohl die Eltern dieser hochbegnadigten Königin, Joachim und Anna; welche Wonne durchströmte wohl den heiligen Joseph, als er seine geliebte Gattin, Maria, erblickte und ihre Glorie schaute! Doch noch hatte die Glorie der göttlichen Mutter den Höhepunkt nicht erreicht. Es sollte an ihr erfüllt werden, was ihr Sohn gesprochen: „Wer sich erniedrigt, wird erhöht werden.“ Maria, die erhabene, makellose Jungfrau, hatte sich aufs Tiefste erniedrigt, sie hatte an aller Armut und Schmach ihres Sohnes teilgenommen, sie sollte nun über alle Kreaturen Himmels und der Erde erhöht werden. Hingetreten zum Strahlenthrone der heiligsten Dreifaltigkeit empfängt sie der Vater als seine geliebte Tochter; umarmt sie der Sohn als seine geliebte Mutter; nimmt sie auf der heilige Geist als seine Braut. Der Vater ruft sie zur Teilnahme an seiner Macht, der Sohn an seiner Weisheit und der heilige Geist an seiner Liebe. Und anbetend hingeworfen vor dem dreimal heiligen Gott empfängt sie die strahlende Sternenkrone aus der Hand der drei göttlichen Personen, und durch den unendlichen Raum des Himmels erschallt eine Stimme, die ruft: Höret es, ihr Kreaturen alle, im Himmel und auf Erden: „Maria ist eure Königin!“ Als Königin Himmels und der Erde sitzt sie nun auf dem Thron zur Rechten ihres Sohnes Jesus; und was tut sie dort? Sie vertritt unsere Sache, sie bittet für uns, sie verteidigt uns, sie schützt uns, und aus dem unerschöpflichen Schatz, welcher ihr anvertraut ist, teilt sie reichlich aus, Segen und Gnade! Sie ist eine Königin, aber eine Königin der Barmherzigkeit; ihre Güte ist ohne Grenzen, und ihre Macht ihrer Güte gleich. Und was verlangt sie, damit sie uns Schutz angedeihen lasse? Darauf gibt Antwort der eifrigste Diener Mariens, der heilige Alphons Liguori: „Maria verlangt, dass wir ihr wahrhaft dienen!“ Ein wahrer Diener Mariens aber ist vor allem ein treuer Diener Jesu, den er liebt und dessen Stimme er hört. Ein wahrer Diener Mariens verehrt und liebt sie und sucht ihr nachzufolgen; er hasst die Sünde, und hat er das Unglück, in eine Sünde zu fallen, so ruft er zu Maria um Hilfe, und sucht sich von seinem Fall zu erheben. Ein solch wahrer, treuer Diener Mariens kann nimmermehr zu Grunde gehen, die mächtige Himmelskönigin wird ihn retten. – Willst du nicht ein Diener dieser gütigen und mächtigen Königin sein? ...
Gebet Ja, gütigste Frau und hohe Königin! Ich will dein Diener sein und bleiben bis zum Tod. Gebiete über mich; ich will tun, was du verlangst, nur verlass mich nicht, wenn ich wanke, richte mich auf, wenn ich falle, und hilf mir, dass ich zur glückseligen Anschauung deines Sohnes gelange. Amen.
Das Fest Mariae Geburt, 8. September
Das Fest Mariae Namen, 12. September
Das Fest der Opferung der allerseligsten Jungfrau Maria, 21. November
Dieses Fest wurde unter dem Namen „Einführung oder Eintritt der Jungfrau Maria in den Tempel“ in der morgenländischen Kirche schon im 4. Jahrhundert nach Christi Geburt gefeiert. Vom Morgenland verpflanzte es sich auch in das Abendland, wo es bereits im Jahr 1375 in Frankreich und Deutschland gefeiert wurde, bis es endlich durch Papst Paul II. förmlich für die ganze Kirche als Fest angeordnet wurde. Es hat aber dieses Fest zum Gegenstand jene lehrreiche Begebenheit, welche uns die heilige Überlieferung erzählt, gemäß welcher die allerseligste Jungfrau sich von ihrer zartesten Kindheit an dem Herrn im Tempel aufgeopfert und ihre Jungfrauschaft ihm geweiht hat. Es war den Juden von Gott geboten, ihre erstgeborenen Knaben in den Tempel zu bringen und dort ihm feierlich aufzuopfern zum Zeichen, dass sie sein auserwähltes Volk und ihm vor allen anderen Völkern geweiht und geheiligt seien. Aber viele fromme Juden begnügten sich nicht damit, sondern opferten ihre Kinder auf eine ganz besondere Weise Gott dem Herrn. Diese also geopferten Kinder blieben im Tempel, wohnten neben demselben in besonderen Gemächern und dienten den Priestern und Leviten bei ihren heiligen Amtsverrichtungen. Auch für Mädchen befand sich eine besondere Wohnung in den Tempelgebäuden, um dort sich dem Dienst Gottes besonders widmen zu können. Noch in zarter Jugend – etwa drei Jahre alt – wurde nun Maria von ihren Eltern, Joachim und Anna, aus göttlicher Eingebung Gott im Tempel dargestellt und seinen Diensten geweiht, daher in die Zahl der übrigen Jungfräulein aufgenommen, welche zu gleicher Bestimmung sich im Tempel befanden. Der Tag, wo dieses geschah, war ein Freudentag für die allerseligste Jungfrau. Schon lange hatte sie sich nach diesem Tag gesehnt. Sie war ein wunderbares Kind, überaus verständig, voll stillen Ernstes und flammend von Liebe zu Gott. Gott wollte sie ganz angehören, ihm ihr ganzes Leben weihen. – Der heilige Geist wirkte dies alles verborgen in ihrem Herzen. Wohl liebte sie ihre schon betagten Eltern, aber weit mehr noch den Vater im Himmel. Als daher der Tag kam, wo sie das elterliche Haus verlassen sollte, kam es ihr nicht schwer an. Auch ihre Eltern brachten Gott freudig das Opfer, welches sie ihm schon gelobt hatten. – Den weiten Weg nach Jerusalem machte Maria ohne große Beschwerden, die Liebe beflügelte ihre Schritte. Voll himmlischer Wonne stieg sie die Stufen zum Tempel hinauf, um dort vor Gottes Angesicht das wohlgefälligste Opfer darzubringen, welches je im Tempel dargebracht wurde.
Wende mit mir nun, lieber Leser, deine Augen auf die Personen, welche bei diesem Opfer tätig waren. – Die erste dieser Personen war die göttliche Majestät selbst. Gott hatte diese Jungfrau sich auserkoren, und sie in seiner Weisheit und Liebe aus dem Geräusch der Welt in sein Haus und zu seinem Dienst berufen und geführt. Sie, die einst werden sollte das lebendige Haus, da Gott Fleisch werden, und der lebendige Tempel, in dem er wohnen wollte, hörte in ihrem Herzen die Worte des Psalmisten: „Höre, Tochter, und schau und neige dein Ohr; und vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters! So wird der König nach deiner Schönheit verlangen.“ – Und Maria schaute und erkannte die Größe der Gnade Gottes, so ihr zu Teil geworden, sie neigte ihr Ohr zu horchen, vergaß gänzlich ihres Volkes und entsagte ihrem väterlichen Haus auf Erden, um sich ihrem Vater im Himmel, der sie seine Tochter nannte, wohlgefällig zu machen. Und so sehr wuchs durch diesen Gehorsam und diese Demut ihre innere Schönheit, dass die Liebe des Königs des Himmels und der Erde zu ihr noch höher stieg, und sich freute, sie zu seiner Mutter erwählt zu haben! – O christliche Seele, wenn dich Gott antreibt, irgendein Werk aus Liebe zu ihm zu verrichten oder in dir das heilige Verlangen rege macht, diese eitle Welt zu verlassen und dich seinem Dienst zu weihen, dann zaudere nicht lange. Ruft dich Gott, dann folge seinem Ruf schnell und freudig wie Maria, deine Mutter und dein Vorbild. Bringe Gott das Opfer, er wird es dir hundertfältig lohnen! Die zwei anderen Personen, welche bei diesem gottgefälligsten Opfer zugegeben waren und daran großen Anteil hatten, waren Joachim und Anna. Weit entfernt, dem Opfer ihrer einzigen und geliebten Tochter entgegen zu sein, freuten sie sich vielmehr, dass Gott sich würdige, von ihnen dieses Opfer anzunehmen, und schätzten sich glücklich, ihre Tochter seinem Dienst weihen zu dürfen. Wahrlich nicht geringer war bei dieser Handlung die Glut ihrer Andacht als die der Anna, der Mutter Samuels, gewesen, als dieselbe ihren Sohn zum Dienst Gottes in den Tempel brachte, überzeugt, dem Herrn ein wohlgefälliges Opfer dazubringen. Sie legten, ganz ergeben in Gottes Willen, ihre Hände segnend auf das Haupt ihres Kindes und sprachen: „Nimm hin, o Herr, unser Gott, diese Frucht unseres Leibes, die du in unendlicher Hund bewahrt hast vor jedem Flecken der Sünde. Dein Werk ist sie, dein Eigentum soll sie sein und bleiben.“ Maria aber, das holdeste und schönste der Mädchen, stand da vor dem Priester in engelreiner Unschuld. Ihr Antlitz strahlte von der Glut der Liebe, die in ihrem reinen Herzen flammte. Während das weiße Opferlämmchen auf dem Altar langsam verbrannte, kniete sie sich nieder, und opferte sich ganz und gar Gott dem Herrn zum Dienst, nicht für ein Jahr oder auf zehn Jahre, die die übrigen Jungfrauen, sondern auf immer. Ihr Wunsch und Wille war es, ihr ganzes Leben lang Gott in seinem Tempel zu dienen. O wie sehr gefiel Gott ein solches Opfer, wie gerne nahm er es auf! Ihr Opfer war das reinste, denn unbefleckt von jedem Hauch der Sünde war sie; es war das vollkommenste, denn alles ohne Ausnahme weihte sie dem Herrn: Ihren Leib, ihre Seele, ihre Jugend, ihr Hab und Gut; es war das bereitwilligste, denn ohne Verzug, ohne Widerrede, mit Freuden brachte sie sich Gott dar; es war das wohlgefälligste, denn Maria war ja das auserwählte Gefäß der Gnaden Gottes, sie war seine geliebteste Tochter! – O christliche Seele, bitte Maria, die benedeiteste Jungfrau, dass sie dir helfen mögen, Gott immer mit reinem Herzen zu dienen dein Leben lang, denn dies ist ja deine Bestimmung auf Erden! Nachdem die frommen Eltern Joachim und Anna ihr Opfer dargebracht und ihre Andacht verrichtet hatten, übergaben sie ihr Kind dem Priester. Wohl war der Abschied von ihrem geliebten Kind hart für ihr liebendes Herz, allein der Wille Gottes und der selige Friede, der aus den Augen ihrer heiligen Tochter leuchtete, versüßte ihnen die Trauer. Ruhig und Gott lobend gingen sie nach Hause. Maria dankte ihnen für alle Liebe, die sie ihr erwiesen, bat um ihren Segen und wandte sich dann an den Priester, damit er ihr die Wohnung anweise, wo sie von nun an fern von der Welt ihr Leben zubringen sollte. Und Zacharias, - denn dies war der Priester, - ihr Verwandter, der sich freute, dieses erhabene Opfer im Namen Gottes angenommen zu haben, führte sie in das Gebäude, wo die Gott geweihten Jungfrauen gemeinschaftlich lebten. Dort wuchs und nahm sie zu wie am leiblichen Körper, so auch am Geist vor Gott und den Menschen. In pünktlicher Befolgung der Gesetze Mose und der Gebräuche ihres Volkes erhob sie sich mit Tagesanbruch von ihrem Lager. Sie brauchte nicht lange zu ihrem Anzug; ein himmelblaues Unterkleid bedeckte ihre Glieder, darüber ein weißes Oberkleid, das ein einfacher Gürtel mit herabhängenden Enden zusammenhielt, ein langer Schleier, der ihr Gesicht verhüllte, und Sandalen mit Schnüren an die Füße gebunden, vollendeten ihre ganze Tracht. Nachdem sie sich in ihre Kleider gehüllt hatte, begab sie sich in das Oratorium, wo sie unter ihrem Schleier verborgen mit den übrigen Jungfrauen die 18 Morgenpsalmen sang. In tiefster Demut und mit glühender Andacht betete sie Gottes Majestät an und flehte mit ganz Israel zu ihm, dass er bald senden möge den Erlöser, den er schon lange verheißen. War das Gebet vollendet, dann kehrte sie mit ihren jungen Gefährtinnen wieder zu ihren täglichen Geschäften zurück. Einige drehten die Spindeln, andere stickten mit Seide und Gold. Die heilige Jungfrau, sagt der heilige Epiphanius, war Meisterin im Sticken und in der Kunst, den Flachs zu spinnen, und in Wolle und Gold zu arbeiten. Die Spindeln, deren sie sich bediente, wurden lange Zeit in der Kirche zu Jerusalem aufbewahrt. Während sie mit den Händen arbeitete, war ihr Geist bei Gott. Ihre Stimme war sanft, rührend und ihre Worte hatten etwas so Salbungsvolles, Tröstliches, was die Seele des Hörers mit heiliger Ruhe erfüllte. Sie war die erste bei den Nachtwachen, die pünklichste in Erfüllung des göttlichen Gesetzes, die demütigste, die vollkommenste in jeder Tugend. Alle Väter vereinigten sich im Lob ihrer ausgezeichneten Schönheit. Aber noch weit schöner und herrlicher war ihre Seele. Nicht der geringste Flecken einer Sünde zeigte sich darin. Ihr Herz kannte nur einen Hass, den Hass gegen die Sünde. Um sich davor zu bewahren, fastete sie häufig und streng. Unaufhörlich tötete sie sich ab; sie übernahm die härteste Arbeit, die beschwerlichsten Werke der Barmherzigkeit, schlief auf hartem Boden und betete unaufhörlich. Und wenn sie betete, dann war sie dieser Welt entrückt, ihre Seele ruhte in Gott. Das waren die Tugenden, das die Beschäftigungen Mariens im Tempel; sie glänzte dort unter ihren Gefährtinnen wie der Diamant unter den Edelsteinen, und galt für den höchsten Schmuck des heiligen Hauses Gottes. So sehr sich aber die allerseligste Jungfrau bemühte, das Opfer, welches sie Gott dem Herrn dargebracht, durch ein heiliges Leben immer vollkommener zu machen, so genügte ihr dies doch nicht. Sie brachte, während sie im Tempel von Tugend zu Tugend emporstieg, Gott ein neues, bisher unerhörtes Opfer dar, nämlich das Gelübde beständiger Jungfrauschaft. So groß war ihre Liebe zu Gott, dass sie verlangte, ihr Herz ihm ganz zu übergeben und ihn allein zu ihrem Bräutigam zu wählen. Ihr einziger Gedanke war, wie sie Gott wohlgefallen und nicht geteilt sein könnte, wie die, welche im Ehestand leben, es sein müssen. Sie wusste wohl, dass die Jungfrauschaft noch höheren Wert hat, wenn sie in Folge eines Gelübdes als in Folge eines einfachen Vorsatzes gehalten werde. Deshalb legte sie denn vor dem Angesicht Gottes das ewige Gelübde der Jungfrauschaft ab. O wie angenehm war Gott dieser reinste Garten, in welchem zugleich die schönsten Tugendblumen und Tugendfrüchte blühten und gediehen! – Er ließ daher auch seinen Trost und seine himmlischen Gaben wie in Strömen auf denselben herabträufeln und nahm ihn unter seine besondere Obhut. – O christliche Seele, möchte dieses herrliche Beispiel, welches die allerreinste Jungfrau dir gibt, auch in dir das Verlangen erwecken, immer und allezeit die standesmäßige Keuschheit zu bewahren und zugleich dich bewegen, Gott dich ganz zu weihen, die seligste Jungfrau aber zu deiner besonderen Beschützerin zu wählen.
Das Fest der unbefleckten Empfaengnis der allerseligsten Jungfrau Maria, 8. Dezember
Von dem heiligen Anselm, diesem innigen Verehrer der gebenedeiten Gottesmutter, wird die Veranlassung des heutigen Festes im Abendland, und zwar zuerst in England, folgendem Ereignis zugeschrieben: Der heilige Abt Celsinus war in Gefahr, auf dem Meer von den so stürmisch bewegten Wellen verschlungen zu werden. In seiner großen Not wendete er sich zu Maria, dem Meeresstern, und flehte im heißen Gebet um ihre Hilfe. Da wurde ihm der Befehl erteilt, er solle, um der Gefahr zu entgehen, ein Fest zu Ehren der Empfängnis der allerseligsten Jungfrau am 8. Dezember anordnen und damit das Offizium verbinden, indem nur das Wort „Geburt“ in den Ausdruck „Empfängnis“ umgewandelt werden dürfe. – Er versprach es und war gerettet. Dies geschah im 10. Jahrhundert. Das Fest wurde eingeführt und verbreitete sich bald im ganzen Abendland, während es im Morgenland schon seit dem 5. Jahrhundert gefeiert wurde. Es beruht aber die Feier dieses Festes auf einer doppelten Freude des katholischen Volkes: erstens, über den Augenblick, wo die heilige Mutter Anna aus besonderer Gnade Gottes in ihrem hohen Alter die allerseligste Jungfrau und Mutter unseres Herrn Jesu Christi empfangen hat; zweitens, dass die heilige Mutter Anna nicht bloß die allerseligste Jungfrau empfangen, sondern dass sie dieselbe auch unbefleckt, das heißt, frei von der Makel der Erbsünde, empfangen hat. – Schon seit den Zeiten der ersten Christen bildete sich unter den Gläubigen, in deren Herzen eine besondere Liebe und Verehrung zur heiligsten Jungfrau glühte, die so fromme Meinung, dass Maria niemals von der Makel der Erbsünde befleckt worden ist, wie alle übrigen Menschen. Sie konnten sich nicht denken, dass die Empfängnis derjenigen, welche Mutter des Sohnes Gottes werden sollte, je von der Sünde befleckt worden sei, dass die hochbegnadigte Jungfrau, welche auserwählt war, der Schlange den Kopf zu zertreten, jemals nur einen Augenblick unter der Gewalt des Teufels gestanden habe. Dieser Meinung huldigten die gelehrtesten und frömmsten Männer schon in den ersten Zeiten der Kirche. Die heiligen Kirchenväter und Kirchenlehrer geben der allerseligsten Jungfrau in Bezug auf ihre ganz sündenreine, makellose, unbefleckte Empfängnis die allerschönsten Ehrentitel, und sprechen von ihr in den erhabensten Ausdrücken. Sie nennen sie: ganz unbefleckt und ohen Makel, durchaus unberührt, vollkommen unverletzt – gänzlich unversehrt, durchaus unverderbt! Die allerreinste Jungfrau, die heilige, unbefleckte und unversehrte Maria! Die Makellose, die Unberührte, die Schuldlose, die Unschuldige, die Reine, die Schöne; die Schönheit der Unschuld, das Fundament der Heiligkeit, zehntausendfältig rein, überunschuldig, ganz und gar überunschuldig, alles Lob, alle Glorie, alles Wunderbare übersteigend. – Sie vergleichen sie mit den übrigen heiligen Menschen und sagen von ihr: Sie sei heiliger als die Heiligen, als die Patriarchen, als die Propheten, als die Apostel, die erste und die allererste unter den Heiligen; erhabener, schöner, strahlender, geheiligter als die Engel, reiner als die Cherubim und Seraphim, ausgezeichneter, reiner, heiliger, unschuldiger, glorreicher als alles, was geschaffen ist. – Sie nennen sie die Heiligkeit selbst, die Reinheit selbst, die Schönheit selbst, reiner als die Reinheit, schöner als die Schönheit, heiliger als die Heiligkeit, so rein, dass sich ihre Unschuld mit dem Verstand nicht fassen, noch durch Worte würdig genug ausdrücken lässt. Sie nennen sie ferner: Fülle des Lichtes, Aufenthalt des Lichtes, leuchtenden Palast, strahlendste Leuchte, ohne Schatten, unendlich reiner als die glänzende Sonne, Rosenzweig ohne Dornen, Lilie, unberührter Zweig, unberührte Blume, unschuldigste, heiligste, fleckenlose Taube, Tempel der Jungfräulichkeit, Gnadenhütte, Wohnung des heiligen Geistes, unverdorbenstes Gefäß, Purpurmantel von Gott selbst gewebt! – So sprechen die Väter und Lehrer der Kirche von Maria, der unbefleckten, ohne Makel der Erbsünde empfangenen, glorreichen Jungfrau. Kein Wunder, wenn das gläubige Volk von jedem Zweifel, ob Maria, die gebenedeite Gottesmutter, ohne Makel der Erbsünde empfangen worden, fern war und immer das Fest der unbefleckten Empfängnis mit höchster Freude und rührender Andacht feierte. – Doch fehlte es im Lauf der Zeit nicht an solchen, welche die unbefleckte Empfängnis in Abrede stellten und behaupteten, Maria sei bloß vor ihrer Geburt im Mutterleib geheiligt worden, wie Johannes der Täufer, aber nicht unbefleckt empfangen. Aber kaum war diese Behauptung aufgestellt worden, als sich auch von allen Seiten die frömmsten und gelehrtesten Männer erhoben und den frommen Glauben von der unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau mit allem Scharfsinn verteidigten. Lehrer auf den Hochschulen verpflichteten sich durch einen Eid, dieses erhabene Vorrecht der hochbegnadigten Gottesmutter zu lehren und in Schutz zu nehmen, und die berühmten Orden der Franziskaner, Jesuiten und Redemptoristen predigten überall mit höchstem Eifer dem christlichen Volk, dass Maria, die gebenedeite Mutter des Herrn, vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an ganz unberührt von der Erbsünde und auch jeder anderen Sünde geblieben, dass sie niemals, auch keinen Augenblick von einer Sündenmakel befleckt wordn sei. – So kam es, dass der Glaube an dieses hohe Vorrecht der allerseligsten Jungfrau in dem Herzen des Volkes immer tiefere Wurzel fasste und in immer weitere Kreise sich verbreitete! – Selbst die mächtigsten Fürsten rechneten es sich zur Ehre, die unbefleckte Empfängnis der Himmelskönigin zu verherrlichen. So Kaiser Ferdinand III., Kaiser Karl VII., König Ferdinand und König Philipp von Spanien. Bisher war aber der Glaube an die unbefleckte Empfängnis der gebenedeiten Jungfrau noch nicht ausdrücklich von der heiligen katholischen Kirche bestimmt, das heißt: es war die unbefleckte Empfängnis noch kein Glaubensartikel. Die Päpste und Bischöfe der Kirche ließen den frommen Glauben bestehen; sie selbst waren innige Verehrer der allerseligsten Jungfrau und sahen mit Wohlgefallen die Liebe und Verehrung zu dieser süßesten Mutter unter ihren Schäflein zunehmen; sie begünstigten und beförderten nach Kräften den frommen Glauben des Volkes und beeiferten sich, das Fest der unbefleckten Empfängnis überallhin zu verbreiten. Allein noch hatten sie nicht den feierlichen Ausspruch getan, dass Maria, die gebenedeite Mutter des Herrn, unter allen Menschenkindern das einzige Vorrecht besitze, unbefleckt von der Erbsünde empfangen zu sein, dass also jeder katholische Christ zum Glauben an die unbefleckte Empfängnis verbunden sei. Zwar wurden im Lauf der Zeit die Päpste, welche Jesus Christus zu Oberhirten seiner heiligen Kirche, zu Herolden und Wächtern des heiligen Glaubens bestellt hatte, mit Bitten bestürmt, die bisherige fromme Meinung zu einem Glaubensartikel zu erheben. Kaiser und Könige, Bischöfe und Äbte, ganze Orden sendeten deshalb dringend Bittgesuche an den päpstlichen Stuhl; jedoch die Päpste zögerten immer mit ihrer Zustimmung und Erklärung. Obgleich ihre kindliche Liebe und Verehrung zur heiligen Gottesmutter sie drängte, den letzten glänzenden Edelstein in ihre Strahlenkrone zu setzen, so wollten sie doch nicht in einer so hochwichtigen Sache übereilt zu Werke gehen und nur mit weiser Vorsicht handeln. Sie flehten und ließen unaufhörlich flehen zum Vater des Lichtes um die nötige Erleuchtung; sie ließen unaufhörlich forschen nach den zeugnissen, die von der unbefleckten Empfängnis seit den Zeiten der Apostel Kunde gaben, dieselben sorgfältig prüfen, und ließen nichts unversucht, um sich Gewissheit zu verschaffen, was hierin Gottes Wille sei. Endlich, nachdem der glorreiche Papst Pius IX. Die sämtlichen Erzbischöfe und Bischöfe der ganzen katholischen Kirche auf dem Erdkreise um ihre Ansicht und Erklärung befragt und aufgefordert, nachdem er die gelehrtesten Männer um ihren Rat angegangen und die bewährtesten Zeugnisse aus allen Jahrhunderten geprüft hatte, nachdem lange udn viel in der ganzen katholischen Kirche um göttliche Erleuchtung gefleht worden ist, erhob der heilige Vater am Feste der unbefleckten Empfängnis, am 8. Dezember des Jahres 1854, in Gegenwart von 150 Bischöfen und eines zahllosen Volkes, in der St. Peterskirche auf seinem Throne stehend, seine Stimme und erklärte feierlich: „Die Lehre, welche festhält, dass die allerseligste Jungfrau im ersten Augenblick ihrer Empfängnis, vermöge einer besonderen Gnade und Bevorzugung von Seite des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Jesu, des Erlösers des menschlichen Geschlechtes, von jeglicher Makel der Erbsünde frei bewahrt worden, ist eine von Gott geoffenbarte Lehre und muss deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft geglaubt werden.“ Der Papst hat aber mit diesem feierlichen Ausspruch nicht einen neuen Glaubensartikel aufgestellt, sondern er hat nur die uralte Lehre und den fortwährenden Glauben der Kirche im Betreff der unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau als eine von Gott wirklich geoffenbarte Lehre feierlich erklärt. Was aber Gott, die ewige Wahrheit, geoffenbart hat, muss der katholische Christ glauben, wenn er nicht sündigen und dem Gericht Gottes anheimfallen will. Unbeschreiblich war die Freude des katholischen Volkes in allen Ländern über diesen lngst ersehnten Ausspruch des obersten Hirten der Kirche; überall stiegen Dankgebet zum Himmel empor und von tausend und tausend Lippen ertönte das Lob der allerreinsten, unbefleckten Himmelskönigin Maria. Jetzt ist dein Glaube, lieber Leser, den du mit so vielen Millionen gläubiger Christen im Herzen tragest, gesichert und verdienstlich, jeder Zweifel ist gehoben und du kannst sagen: „Ich habe eine heilige Mutter im Himmel, die an Unschuld und Reinheit alle Engel übertrifft und welche die Macht hat, mir zu helfen, dass auch ich rein und unschuldig wandle vor Gottes Angesicht! Doch du könntest fragen, oder auch die Frage hören: „Ist denn die unbefleckte Empfängnis der allerseligsten Jungfrau gar so etwas Großes und Erhabenes, dass Himmel und Erde sich darüber freuen und deshalb sogar ein eigenes Fest in der katholischen Kirche gefeiert wird?“ Ich antworte darauf: „Freut es dich nicht, wenn die heiligste Dreifaltigkeit aufs Neue verherrlicht wird? Nun ist daber die unbefleckte Empfängnis der allerseligsten Jungfrau eine Verherrlichung des himmlischen Vaters, der Maria erschaffen, von Ewigkeit her zur Mutter seines Sohnes bestimmt, und sie deshalb auch in seiner unendlichen Gnade vor jeder Befleckung der Sünde bewahrt hat. – Es ist die unbefleckte Empfängnis eine Verherrlichung des göttlichen Sohnes Jesus, dessen glorwürdige Mutter Maria ist, und durch dessen unendliche Verdienste Maria das einzige Vorrecht, von jeder Makel der Erbsünde rein und unversehrt zu bleiben, empfangen hat. Es ist die unbefleckte Empfängnis eine Verherrlichung des heiligen Geistes, dessen Braut und Tempel Maria, die heiligste Jungfrau, ist, und der sie schon im ersten Augenblick ihres Daseins geheiligt, und mit der Fülle seiner Gnaden bereichert hat, weswegen der Engel sie auch begrüßte: „Du Gnadenvolle!“ – Freut es dich ferner nicht, wenn deiner Mutter, die du herzlich lieb hast, eine recht große Ehre erwiesen wird? Nun ist aber Maria, die Mutter des göttlichen Heilands, auch deine Mutter. Jesus hat sie dir am Kreuz zur Mutter gegeben. Diese deine gebenedeite Mutter ist sie dadurch, dass sie den Sohn Gottes geboren, Königin des Himmels und der Erde geworden; ihre Würde übersteigt alel Glorie der Engel und Heiligen. Aber in ihrer Krone war bisher noch ein glänzender Edelstein verdunkelt, er konnte seinen Strahlenglanz noch nicht in seiner ganzen Schönheit entfalten, denn der Glaube, dass Maria im Augenblick ihrer Empfängnis rein und makellos, ganz unbefleckt, ganz schön und heilig gewesen sei, dieser Glaube war noch nicht als eine Offenbarung Gottes von der heiligen Kirche dargestellt, es war noch nicht feierlich erklärt, dass dieser Glaube in der ganzen Kirche mit Herz und Mund bekannt werden müsse. Aber jetzt muss jeder katholische Christ, so fern er ein Kind der heiligen Kirche bleiben und selig werden will, fest glauben, dass Maria niemals von der Erbsünde verunreingit, niemals auch nur einen Augenblick unter der Gewalt des Satans gestanden sei. Jetzt stehet Maria, unsere gebenedeite Mutter, da im hellen Glanz der höchsten Heiligkeit, der unversehrtesten Reinheit, als ein fleckenloser, leuchtender Spiegel der allerreinsten Unschuld, an der auch nie ein Schatten der Sünde gewesen! Freut es dich nicht, dass doch wenigsten eine Seele von der allgemeinen Befleckung durch die Erbsünde, in Kraft der Verdienste Jesu Christi, ausgenommen worden ist, während alle Menschen mit der Erbsünde befleckt, ein Gegenstand des Zornes Gottes, auf die Welt kommen, und dass diese reine, unbefleckte Seele, die Seele deiner gebenedeiten liebsten Mutter ist! O wie schön steht nun vor den Augen der Welt Maria, die Königin des Himmels und der Erde, da, umkleidet von dem schneeweißen Kleid der Unschuld, die Lilie unversehrter Jungfräulichkeit in der Hand, das Haupt von einer Sternenkrone umflossen, das Antlitz zum Himmel gerichtet, die Schlange, den Teufel, unter dem Tritt ihres Fußes. So wird die unbefleckte Empfängnis von frommen Malern im Bild dargestellt. O schaue dies himmlisch schöne Bild recht an: wie trostreich, wie lehrreich ist es für dich! Auf der Weltkugel stehend, den Blick zum Himmel gerichtet, steht sie da, die hochbegnadigte Jungfrau. Sie blickt zum Himmel, denn dahin war immer die Sehnsucht und das Verlangen ihres Herzens gerichtet. Dahinauf sollst auch du verlangen, nach dem Himmel soll all deinen Sehnen gehen, in den Himmel zu kommen, sollst du dich mit allen Kräften bestreben. Maria steht auf der Weltkugel. Von der Welt wollte sie nichts wissen; ihr Tun und Treiben ekelte sie an; sie hielt es nicht mit ihr und ihren vergänglichen Freuden. So sollst auch du die Welt nicht lieben, sollst ihre sündhaften Freuden und Lüste verachten, sollst sie unter die Füße treten. Tust du es nicht, so zieht sie dich hinab in das Verderben. Wohl richtet Maria ihren Blick auch auf die Erde nieder und streckt ihre Hände segensvoll über sie aus. O sie hat Mitleid mit ihren Kindern, die auf der Welt leben, streiten und kämpfen, leiden und sterben. Sie will so gerne allen helfen, allen Gnade spenden, so viele zu ihr flehen! Flehe auch du zu ihr in aller Trübsal, Angst und Not, sie will und kann dir helfen. – Einen Lilienstrauß hält sie in der Hand, ein schneeweißes Kleid umhüllt ihren reinen Leib. So ist sie ein Spiegel für alle, welche das Kleinod der Unschuld und Jungfräulichkeit auf Erden, und wenige besitzen mehr unversehrt das Kleid der Unschuld, und ist doch die Lilie der Jungfräulichkeit so wunderschön, ist doch das Kleid der Unschuld so herrlich und kostbar! Um keinen Preis der Welt kann das Verlorene wieder erkauft werden. Hast du dieses Kleid noch, o bewahre es als dein höchstes Kleinod. Stelle dich unter den Schutzmantel der allerreinsten Jungfrau, höre nicht auf, sie um Hilfe anzurufen; Maria lässt dich nicht fallen, so lange du nicht selbst die Gefahr aufsuchst, so lange du die böse Gelegenheit fliehst, so lange du demütig wandelst vor Gottes Angesicht. – Eine Strahlenkrone von zwölf Sternen umglänzt das Haupt der Himmelskönigin, das sind ihre schönen Tugenden, die sie geübt, das sind die hohen Gaben, mit denen Gott sie ausgestattet. O ahme ihre schönen Tugenden nach; ihre Demut, ihren Gehorsam, ihre Geduld, ihre Friedfertigkeit, ihr herzliches Erbarmen, ihre Keuschheit, ihre Andacht, ihre Zurückgezogenheit, ihre Liebe zur Armut, ihr Vertrauen auf Gott, ihre Liebe zu Gott. – Tritt hinein in ihre Fußstapfen; Maria geht voran, sie leuchtet dir, sie leitet dich, sie führt dich himmelan!
Gebet des heiligen Alphons Liguori, am Festtag der unbefleckten Empfängnis O meine unbefleckte Königin Maria, ich freue mich mit dir, dass Gott dich mit so großer Reinigkeit gesegnet hat. Ich danke unserm Schöpfer, und nehme mir vor, es immer zu tun, dass er dich von aller Sündenmakel befreit hat. Ich bin fest von dieser Wahrheit überzeugt und bin bereit, mein Blut dafür zu vergießen. Ich wünschte, dass dich die ganze Welt kennen und preisen möchte als jenes schöne Morgenrot, welches immer mit dem göttlichen Licht geziert ist, als jene vollkommene, unbefleckte Taube, für welche dein göttlicher Bräutigam dich selbst erklärt hat, als jene weiße Lilie, welche zwischen den Dörnern, nämlich den Kindern Adams, wächst, welche alle von der Sünde befleckt, in der Feindschaft Gottes geboren werden, indes du allein ganz rein, ganz heilig, aufs innigste von deinem Schöpfer geliebt, geboren wurdest. O meine süßeste, meine liebenswürdigste, meine unbefleckte Jungfrau Maria, o wie schön erscheinst du deinem Gott selbst, o blicke mit deinen barmherzigen Augen auf die schrecklichen Wunden meiner armen Seele. O Maria, die du vom ersten Augenblick deines Lebens an ganz rein und ganz schön vor den Augen Gottes erschienen bist, erbarme dich meiner, der ich nicht nur in der Sünde geboren, nein, der ich sogar nach der Taufe meine Seele durch Sünden befleckt habe. O unbefleckte Jungfrau Maria! Du musst machen, dass ich selig werde. Mache, dass ich immer an dich denke, dich nie vergesse, und vergiss auch mich nicht. Die Zeit wird mir so lang, und es scheint mir, als wäre es noch tausend Jahre, ehe ich deine Schönheit im Himmel erblicken werde, wo ich dich noch weit mehr loben und lieben werde, meine Mutter, meine Königin, meine geliebte, meine schönste, meine süßeste, meine reinste und unbefleckte Jungfrau Maria!
(Quelle: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Regensburg 1884)
Fest Mariae Erwartung, 18. Dezember
Das heilige Weihnachtsfest hat nicht bloß einen Tag der Vorfeier, sondern eine ganze Woche. Wie andere Feste eine Oktave zur Nachfeier haben, so hat dies erhabene Fest zugleich eine Oktav als Vorfeier. Diese beginnt mit der Vesper des 17. Dezembers, dem Vorabende von Maria Erwartung, welches den 18. Dezember gefeiert wird. Wir haben hier die nämliche Feier wie am Feste Maria Verkündigung. Die heilige Messe beginnt mit dem Rufe der Sehnsucht:
Das Gebet der Kirche aber ermuntert uns, mit kindlichem Vertrauen zur Gottesgebärerin unsere Zuflucht zu nehmen.
Es wird dieselbe Epistel und dasselbe Evangelium gelesen, welches auf den Mittwoch in der Quatemberwoche trifft und welches man auch am Feste Maria Verkündigung liest.
Das sehnsuchtsvolle Liebesverlangen nach dem Erlöser spricht die Kirche ganz besonders in diesen letzten sieben Tagen vor der heiligen Nacht durch die sieben Antiphonen in der Vesper aus. Dieselben beginnen alle mit O. Man nennt sie darum die sieben großen O, oder die großen Antiphonen. Heilige Lehrer haben sie mit den sieben Gaben des heiligen Geistes verglichen, welche den Gläubigen durch die Menschwerdung des Eingebornen vom Vater zu Teil geworden.
- „O du Weisheit, die du aus dem Munde des Allerhöchsten hervorgehst, von einem Ende zum andern reichest und mit Macht und Lieblichkeit Alles ordnest, komm, um uns den Weg der Klugheit zu lehren."
- „O Herr und Führer des Hauses Israel, der du dem Moses im Feuer des brennenden Dornbusches erschienen und ihm auf dem Sinai das Gesetz gegeben hast; komm, um uns zu erretten mit deinem ausgestreckten Arme."
- „O Wurzel Iesse, aufgestellt zum Feldzeichen der Völker, vor der die Könige ihren Mund verschließen, und die Völker anbeten, komm, um uns zu befreien, und verzögere nicht mehr länger!"
- „O Schlüssel Davids und Zepter des Hauses Israel; du öffnest und Niemand schließt; du schließest und Niemand öffnet; komm und führe den Gefangenen aus dem Hause des Gefängnisses, ihn, der da sitzt in der Finsternis und im Todesschatten."
- „O Aufgang, Glanz des ewigen Lichtes und Sonne der Gerechtigkeit, komm und erleuchte diejenigen, die da sitzen in Finsterniß und im Todesschatten."
- „O König der Völker, von ihnen lang ersehnter Hauptgrundstein, der du Beide, Juden und Heiden, in Eines verbindest, komm und mache selig den Menschen, den du aus Erde gebildet."
- „O Emmanuel, unser König und Gesetzgeber, Erwartung der Völker und ihr Heiland, komm, um uns zu erretten, Herr unser Gott!"
Die letzten neun Tage vor dem Weihnachtsfeste werden in manchen, insbesondere in Klosterkirchen, durch eine neuntägige Andacht gefeiert. Da wird jedesmal vor Tagesanbruch ein Hochamt gehalten. Der Hochaltar ist mit zahllosen Lichtern beleuchtet. Das gesamte Volk singt das „Heilig, heilig" beim Segen. Alles ist voll Andacht und man nennt diese Feier selbst nur die „Andacht."
Der Vorabend vor dem heiligen Feste ist ein Fasttag. Die heilige Messe wird an diesem Tage wie an allen Sonntagen des Adventes in der blauen (Buß) Farbe gelesen. Die Kirche ruft im Eingange der Messe den Gläubigen die Worte zu, welche Moses zum Volke Israel sprach, als er es auf die Gesetzgebung auf Sinai vorbereitete.
Dann erinnert sie an die Macht des Herrn in den Worten:
Im Gebete der Messe gedenkt sie der freudenreichen Ankunft des Erlösers in der Menschennatur, und der Wiederkunft desselben, als des künftigen Richters.
Dann wird der Anfang des Briefes an die Römer gelesen, worin der Apostel von der Menschwerdung des Sohnes Gottes und von seiner Auferstehung von den Toten Zeugnis gibt. Das Evangelium aber verkündet uns die Belehrung des Ioseph über die Menschwerdung des Sohnes Gottes aus der seligsten Iungfrau durch einen Engel.
Wer kirchlichen Sinn und kirchliches Leben hat, der sucht in den hier angedeuteten Geist der kirchlichen Adventfeier einzudringen und durch Buße und Gebet auf die hochheilige Nacht sich vorzubereiten. Zu diesem Zwecke hört er die Verkündung des göttlichen Wortes mit besonderem Eifer und aufrichtigem Verlangen nach Erleuchtung und Besserung des Lebens an. Mit der festen Überzeugung, dass der Erlöser nur in reinen Herzen Wohnung nehme, reiniget er sein Gewissen durch aufrichtige Buße und Beichte.
Wer nur guten Willens ist, wird dem Iesuskinde eine ihm wohlgefällige Wohnung in seinem Herzen bereiten. Wo kindliche Liebe zu Iesus und Abscheu vor der Sünde ist, da ist die rechte Vorbereitung auf Weihnachten, wenn man auch vom alten Testamente wenig versteht. Der Herr sieht auf das Verlangen des Herzens und ist den einfältigen, kindlichen Seelen immer nahe. Diesen offenbaret er seine Geheimnisse, diese erfüllet er mit seiner heiligen Liebe. Dann geht ihnen auch das Verständnis der hochheiligen Wahrheiten des Christentumes auf, und sie hören jedes Wort Gottes mit größter Begierde und mit innigster Freude an. Wenn sie auch Anfangs nur die Geheimnisse des freudenreichen Rosenkranzes kennen und diese mit Andacht beten, so werden sie allmählich bessere Erkenntnis und tiefere Einsicht gewinnen. Die Hauptsache, die sie wissen müssen, ist dies, dass der eingeborne Sohn Gottes den Schoß seines himmlischen Vaters verlassen hat und als ein armes Kindlein auf die Welt gekommen ist, um den Menschen den Himmel zu verdienen und zu eröffnen.
Das muss allen Gläubigen, Gelehrten und Ungelehrten, ganz gewiss sein. Da lernt man dann die ewige Liebe schätzen. Da wird das Herz entflammt zur Gegenliebe. Man gewinnt eine Einsicht in das Elend jener Menschen, die gelebt haben, ehe dieses so trostvolle Geheimnis der ewigen Liebe geoffenbaret war. Man lernt Gott danken für die Offenbarung dieses Geheimnisses. Jetzt lernt man einsehen, welch ein schrecklich Übel die Sünde ist, um derentwillen der Sohn Gottes solches Elend auf sich genommen. Jetzt lernt man die Sünde hassen und verabscheuen aus Liebe zu Jesus.
So ist die Seele, wo der Heiland kommen und bei ihr Wohnung nehmen will, auf diese seine Ankunft bereitet, wie es die Völker waren, als Er, „die Erwartung der Völker", erschien. Sie kennt ihre ganze Hilflosigkeit und erfasst mit beiden Armen den Erlöser, der als holdseliges Kindlein zu ihr kommt. Sie kennt die Schmach ihrer Sklaverei unter der Fremdherrschaft der Leidenschaften und Gelüste,wie die Nachkommen Abrahams sie gefühlt hatten unter dem Zepter der Römer, und eilt voll Sehnsucht entgegen dem Befreier von aller Schmach, der in Windeln eingewickelt und in der Krippe liegend die Sklavenfesseln unserer Sünden zerbrochen und uns aus dem elenden Zustande der Sklaverei in die edle Freiheit der Kinder Gottes versetzt hat. An der Krippe ihres Heilandes selbst zum Kinde geworden, beginnt die Seele nun mehr ihr neues Leben, das Leben eines Kindes im Vaterhaus, unbekümmert um die ganze Welt, einzig und allein darauf sehend, dass sie würdig wandle des hohen Berufes der Kindschaft Gottes im Hause ihres Vaters. Diese ihre Sorgfalt offenbaret sich ganz besonders in der Weihnachtsfeier, wie wir sie in ihrem ganzen Verlaufe jetzt beschreiben wollen.
Wollte man gegen diese Erklärung des Adventes einwenden, die Kirche habe in der frühesten Zeit kein Weihnachtsfest gefeiert, somit auch keine solche Vorbereitung auf diese Feier durch Verdemütigung und Fasten gekannt; es sei dies Alles erst in den spätern Jahrhunderten so angeordnet worden; so antworten wir darauf Folgendes.
So lange die Gläubigen nur durchweg den Weg der Selbstverleugnung wandelten, sich auf dieser Erde als Fremdlinge und Pilger erkannten und nur in der Erwartung ewiger, himmlischer Freuden sich erquickten, so lange waren besondere Vorschriften für Fasten und Abtödtung ganz überflüssig. Das war nun der Fall in den Zeiten der Verfolgung, wo Herden und Hirten, unablässig bedroht mit den schrecklichsten Martern, wirklich als Verbannte auf dieser Welt lebten und nur nach Gottes Willen mit kümmerlicher Nahrung ihr armes Leben fristeten.
Noch mehr! So lange die Gläubigen fortwährend in den heiligen Geheimnissen der Erlösung lebten, in ihren Betrachtungen nur die unendliche Erbarmung Gottes in Christo Jesu ihrem Geistesauge vor hielten, und so lange sie jedesmal am Sonntage, das heiligste Sakrament empfangend, den Tod des Herrn verkündeten, so lange waren selbst die jährlichen Gedächtnisse dieser heiligen Geheimnisse nicht notwendig. Oder welche Bedeutung hat ein Gastmahl für einen Menschen, der Jahr aus Jahr ein alle Tage die glänzendsten Gastgelage gibt? Oder welchen Zweck hätte die auferlegte Buße des Stillschweigens für einen Ordensmann, der, seiner Regel zufolge, den ganzen Tag kein Wort redet außer seinem memento mori und seinem Psalmengesang?
Die Entwicklung des kirchlichen Lebens in vorgeschriebenen äußerlichen Übungen hat ebenso in dem Verfall der Christenheit, in dem Nachlass des heiligen Eifers ihren Grund, wie die Feststellung der katholischen Lehre im bestimmten Dogma ihren Grund hatte in den häretischen Bekämpfungen der überlieferten Wahrheit. Allein wie die Aufstellung und bestimmte Formulierung der Kirchenlehre von dem Geiste der Wahrheit zeuget, der die Kirche belebt und leitet, ebenso zeuget die Ordnung des religiösen Lebens in kirchlichen Übungen von einer unaufhörlich frischen und unverwelklichen Triebkraft des innern Lebens der Kirche, von einer organischen Entwicklung dieses Lebens aus einem innern Grunde.
Die Irrlehrer gaben Anlass zur bestimmten Fassung der Glaubenssätze; der Geist der Wahrheit schuf den entsprechenden Ausdruck für den Glauben der Kirche. Die lauen Christen waren Ursache, dass die Kirche durch Gebote zu den Übungen des christlichen Lebens verpflichten musste. Die innere Lebenskraft der Kirche schuf immer wieder entsprechende Übungen, und die von ihr verliehene Macht brachte es dahin, dass ihren Gesetzen Folge geleistet und die eingeführten Übungen von den Gläubigen zu ihrem Heile und Segen beobachtet wurden. Der Tag des Herrn ward gefeiert vom ersten Anfang der Kirche an. In ihm vereinigten sich alle Geheimnisse der Erlösung, So lange die Gläubigen so ganz in das Leben des Erlösers sich hinein lebten, dass sie mit dem Apostel sagen konnten:
war eine besondere Vorschrift für die Feier dieser Geheimnisse nicht notwendig. Erst als dies innige Leben in Christo nachließ, ward eine Zeitfolge für die Feier der einzelnen Geheimnisse festgesetzt.
Würden wir somit in den ersten Jahrhunderten der Kirche weder vom Advente noch von Weihnachten eine Nachricht finden, so dürften wir deshalb nicht denken, die Christen hätten dazumal die Geburt des Erlösers nicht gefeiert. All' ihre Feier galt Christo dem Gekreuzigten. Im Gekreuzigten anbeteten sie den für das Heil der Welt Menschgewordenen, den Auferstandenen, den zur Rechten des Vaters Verherrlichten.
Indessen können wir uns kaum denken, dass selbst die besondere Feier des Geheinmisses der Menschwerdung des Eingebornen vom Vater nicht bald in der Kirche wäre eingeführt worden. Wollen ja einige von den Gelehrten die Fasten, welche in der Zeit vor Weihnachten in der Kirche beobachtet worden, auf eine Anordnung des Apostels Petrus zurückführen. Gewiss ist, dass im vierten Jahrhunderte die Feier des Weihnachtsfestes samt der vorbereitenden Adventzeit in der abendländischen Kirche eine allgemeine war.
(Quelle: Digitalisiert von Google (Google Bücher) / nach Das kirchliche Leben des katholischen Christen: ein Unterrichtsbuch für das christliche Volk / Magnus Jocham, Verl. des Kathol. Büchervereins, 1859, von FJM überarbeitete Fassung)