Allerseelen
Gedächtnistag aller verstorbenen Christgläubigen
Fest: 2. November
Am gestrigen Tage hat uns die katholische Kirche aller Heiligen und Seligen des Himmels vorgestellt, damit wir uns befleißen ihnen gebührende Ehren zu erweisen, sie mit Vertrauen anzurufen und in deren Fußstapfen durch emsigen Nachahmung ihrer Tugenden zu treten. Heute stellt sie uns jene Seelen vor, welche zwar einst ganz gewiss im Himmel sich ewig erfreuen werden, aber noch im Fegefeuer zu leiden haben; und sie will dadurch uns ermuntern, denselben in den Himmel zu verhelfen, soviel uns möglich ist. Um dieses recht zu verstehen muss man wissen, was der Glaube darüber lehrt. Er lehrt erstens, dass es einen Ort gebe, den wir das Fegefeuer nennen; zweitens, dass die daselbst sich befindenden Seelen von uns, die wir noch auf der Welt leben, Trost und Hilfe erhalten können; und drittens, was uns dazu bewegen soll.
Schon im zweiten Buche der Makkabäer im altem Testament finden wir den Glauben an einen Reinigungsort in den Worten: „Weiter hatte er im Auge, dass jenen, die in Frömmigkeit zur Ruhe eingehen, der herrlichste Gnadenlohn aufbewahrt ist: ein heiliger und frommer Gedanke! Darum ließ er für die Gefallenen das Sühnopfer darbringen, damit sie von der Sünde erlöst würden.“ [2. Mak. 12,45 + Fußnote]
Im Buch Jesus-Sirach heißt es: „An alle Lebenden verteile Gaben, und selbst dem Toten sollst du Liebe nicht versagen!.“ [JSir 7,33]
Der hl. Apostel Paulus schreibt: „Hält das Werk stand, das einer baute, wird er Lohn empfangen; wessen Werk aber niederbrennt, der wird Schaden erleiden, er selbst jedoch wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch. [1. Kor. 3,14-15]
Von der Dauer des Fege- oder Reinigungsfeuers lehrt Jesus nach der Erklärung dieser Worte durch die heiligen Väter also: „Wahrlich, ich sage dir: Du kommst nicht heraus von dort, bis du bezahlt hast den letzten Heller.“ [Mt. 5,26]
Der heilige Epiphanius hat schon im vierten Jahrhundert den Arius für einen Irrlehrer erklärt, weil er das Fegefeuer leugnete. Schon Tertullian schrieb im Anfang des dritten Jahrhunderts, dass die Christen seiner Zeit ein jährliches Gedächtnis der Seelen im Reinigungsort gehalten haben. Der so genannte Allerseelentag verdankt seine Einführung dem heiligen Benediktinerabt Odilo von Clugny, der denselben 998 zunächst in den ihm unterstellten Klöstern in Übung brachte. Dann fand er durch die Bischöfe allmählich in der ganzen Kirche Geltung, und sohin wird das Gedächtnis aller abgestorbenen Christgläubigen jährlich am 2. November abgehalten.
Die Mittel, durch die wir die Leiden der Seelen im Reinigungszustand verkürzen und mildern können, sind nach der Lehre der Kirche folgende:
Vor allem das heilige Messopfer, das Gebet, die Zuwendung von Ablässen und etwaigen eigenen Verdiensten, der heiligen Kommunion, guter Werke, besonders des Fastens und der Almosen. Durch alle diese Mittel können wir aber den leidenden Seelen im Fegefeuer nur dann Hilfe verschaffen, wenn wir im Zustande der Gnade Gottes sind.
Der Jesuit P. Hunold sagt in seinen Predigten, dass ein Vater nach dreißigjährigen Leiden im Fegefeuer seinem Sohne erschienen sei und sich beklagt habe, dass er ihn ohne Hilfe lasse. Als der Sohn sagte dass er immer für ihn bete und die jährlichen öfteren Kommunionen und gute Werke Gott für ihn aufgeopfert habe, sagte der Vater, „Alle für mich bisher dargebrachten Almosen, Gebete und Kommunionen haben mir keine Linderung der Peinen gebracht, weil du ohne wahre Reue und Lebensbesserung die heiligen Kommunion immer unwürdig empfangen hast.“
Wie trostreich und heilsam es aber sei, wenn man im Zustande der Gnade Gottes zum Trost der armen Seelen bete und gute Werke Gott aufopfere, liest man in vierten Buche der Offenbarungen der heiligen Witwe Brigitta. Sie hörte, schreibt sie, einst aus dem Fegefeuer diesen Ruf:
Die unfehlbare Gerechtigkeit Gottes will, dass sie durch das Fegefeuer gereinigt werden, oder durch Werke der Gläubigen früher Erlösung erlangen. Hierauf hörte sie ein gemeinschaftliches Rufen der im Fegefeuer leidenden Seelen:
Außer dem Gesagten soll uns die Größe der Peinen im Fegfeuer zum Mitleid und zur Hilfe bewegen. Augustin Calmet erzählt, dass ein im Jahre 1306 Verstorbener und im Reinigungsort Leidender erschienen sei, und gesagt habe: „Ich muss einiger Sünden wegen noch im Fegefeuer leiden, welches ein übernatürliches Feuer ist.“ Der heilige Augustin sagt: „Das Feuer im Reinigungsort verursacht bei vielen so große Qualen, als in der Hölle.“ Zur hl. Gertrud sagte Jesus, wie der Karthäuser Dionysius erzählt:
(Quelle: Goldene Legende: Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres Wilhelm Auer, Matthäus Vogel,1904 nach FJM überarbeiteter Fassung)