Maria Taferl
Unweit dem Markt Marbach an der Donau liegt auf einem hohen Berge, von welchem man eine gar herrliche Aussicht in die weiteste Ferne genießt, der berühmte Wallfahrtsort,
genannt.
Entstehung und Wallfahrt zu unserer lieben Frau von Maria Taferl
Vor Zeiten stand mitten unter den Föhrenbäumen, welche die Spitze des Berges umgeben, ein großer Eichbaum, der seinen mächtigen Gipfel über alle Bäume erhob. An diesem Baum hing das Bildnis unseres gekreuzigten Heilands und hierher ist alljährlich am Ostermontag die Pfarrgemeinde von Klein Pöchlarn gekommen, um Fruchtbarkeit der Felder zu erbitten und ein gesungenes Evangelium anzuhören. Da aber diese Andacht von Morgen bis Abend gedauert, wurde auf einem runden Steine, den die Natur wie einen Tisch gebildet, das Mittagsmahl gehalten. Zu dessen Gedächtnis ist dieser steinerne Tisch noch jetzt vor der Kirchtür zu Mariataferl eingemauert zu sehen. Von dieser steinernen Tafel hat auch nach aufgekommener Wallfahrt der Gnadenort den Namen Mariataferl erhalten.
Es hat sich aber i. J. 1633 begeben, dass Thomas Pachmann, ein Hirte aus dem nahen Dorfe Krummnußbaum diese Eiche, welche damals bis auf zwei kleine Ästlein abgedorrt war, abhauen und als Brennholz gebrauchen wollte. Allein, als dieser Mann den ersten Streich auf die Eiche führte, ist die Hacke nur in die Rinde gegangen und wieder zurück, und auf dessen Fuß gefallen, nicht ohne ihn schmerzlich zu verwunden. Da er aber die Schmerzen wenig geachtet, so führte er von Neuem und mit verdoppelten Kräften einen Streich; allein auch diesmal wendete sich die Hacke ab, und verletzte den andern Fuß. Nun erhob der gute Mann seine Augen und erblickte in der Mitte des Baumes das Bildnis des gekreuzigten Heilands, erkannte sogleich seinen, wie wohl unwissend begangenen Fehler und bat Gott um Verzeihung, dass er einen Baum habe vertilgen wollen, der durch ein so heiliges Bildnis geweiht sei. Da stillte sich nicht nur das Blut von selber, sondern auch die Wunde heilte ohne ärztliche Hilfe. Die Eiche aber, welche vor dem bis auf zwei Äste abgedorrt war, fing wieder zu grünen und Eicheln zu tragen an, und als beständiges Denkmal bewahrt man noch heute in der Schatzkammer eine in Perlen gefasste Eichel.
Durch diese Begebenheit wurde allgemach die Eiche bekannt; der Urheber aller Gnaden aber hatte beschlossen, durch ein zweites Wunder die Heiligkeit des Ortes zu bestätigen. Alexander Schinnagel, Richter im Dorfe Krummnußbaum, litt seit sechs Jahren so heftig an einer schweren Gemütskrankheit, dass fortan die höchste Lebensgefahr ihm nahe stand. Da nun aller angewendete Fleiß und selbst der nach verständiger Ärzte nichts geholfen, ist er, nicht aus ungefähr, sondern aus Schickung Gottes, zu einem im Markt Klein-Pöchlarn wohnenden Schulmeister und Maler, mit Namen Franz Meuß, gekommen, der ihm das Vesperbild 1) Maria, so er in Farben zu fassen eben unter der Hand hatte, angeboten, und auch durch Kauf überlassen hat. Ein Bildnis, aus Lindenholz geschnitzt und einen Schuh hoch, vorstellend Maria, die schmerzhafte Mutter, auf dem Schoße ihren todesverblichenen göttlichen Sohn tragend, mit der rechten Hand sein heiliges Haupt, mit der linken seine rechte Hand ergreifend und mit über die Wangen herabrieselnden Tränen den Tod ihres geliebten Sohnes beweinend.
Eine Nacht nur hatte Schinnagel das Bild in seinem Hause. Denn als er dieselbe Nacht fast schlaflos zugebracht, hörte er eine Stimme, die so zu ihm sprach:
Bei anbrechendem Tage war auch dieser fromme Christ schon fertig, der himmlischen Mahnung zu gehorchen. Er eilte in Begleitung eines Zimmermanns den Berg hinauf, und setzte, nach geschehener Abnahme des alten, zerfallenen Kruzifixes, das neugefaßte Vesperbild in die Eiche hinein. Von dieser Zeit an erlangte er den Gebrauch seines Verstandes dergestalt wieder, dass er hierauf noch eine geraume Zeit seinem Richteramte mit Lob vorgestanden und endlich gottselig verschieden ist.
Das heil. Vesperbild blieb bei 16 Jahre den ungestümen Winden und scharfen Gewittern ausgesetzt; doch blieb es allezeit unverletzt in der Eiche erhalten. In den Herzen der umwohnenden Einwohner begann die Andacht zu wachsen; doch trug die hohe geistliche Obrigkeit noch immer Bedenken, den Ort als eine öffentliche Wallfahrt zu bestätigen, bis es endlich dem für die Ehre seiner göttlichen Mutter allzeit eifernden Gott gefallen, dem Zutrauen auf Mariataferl einen höheren Ursprung zu geben, und zu dem Ende seine heiligen Engel selbst als Wallfahrer zu diesem gebenedeiten Vesperbild abzuordnen, auch dasselbe sichtbarlich sehr oft mit himmlischen Prozessionen besuchen zu lassen. Dabei sind die Zeugen, welche diese Engelsprozessionen gesehen haben, alle überein gekommen, wie die heiligen Engel weiß gekleidet, mit weißen und roten Fahnen, darunter fast immer drei von besonderer Größe und Herrlichkeit, gleich wie Führer, vorangegangen, oberhalb des Weinberges neben dem Walde hinauf, dem heiligen Vesperbilde zugewendet gesehen worden seien. Daher denn auch bis auf den heutigen Tag dieser Weg den Namen Engelsweg führt. Und diese englischen Wallfahrten dauerten volle drei Jahre.
Unter den vielen Zeugen wurde auch ein Fräulein, die Tochter des Herrn Jung von Vehlerndorf, damaligen Besitzers der Herrschaft Krummnußbaum, verhört, welche, obschon sie in der lutherischen Lehre erzogen worden, doch aus Liebe zur Wahrheit Alles, was sie gesehen, frei ausgesagt hat, dass sie nämlich im Jahre 1659 an einem Sonntag bei Sonnenuntergang zwölf oder dreizehn schneeweiße Personen, eine nach der andern, mit einer weißen und roten Fahne zu der Eiche und dem heiligen Bilde hinaufsteigen sehen, dem ihr Herr Vater, welcher bei der öffentlichen Aussage seiner Tochter anwesend war, dieses beigefügt hat, dass noch sieben Personen aus seiner Dienerschaft eben diese Erscheinung gesehen zu haben erzählt und auf seine wiederholte Befragung allezeit mit gleichen Umständen bestätigt hätten. Überdies hat wohlgedachter Herr Jung selbst vor einer Kommission bekannt, dass er um Pfingsten zwei Tage nacheinander dergleichen englische Prozessionen beobachtet, welche bei zwanzig Personen stark durch die Weingärten zum heiligen Bilde gegangen sind. Auch hat ein anderer von seinen Dienstboten im Oktober desselben Jahres zwischen elf und zwölf Uhr Nachts, nicht weit von dem heiligen Vesperbild ein hellbrennendes Licht, gleich einer großen Wachskerze über eine halbe Stunde, und acht Tage darauf wieder gegen Mitternacht drei kleinere Lichter auf diesem Wunderberg gesehen, wodurch endlich die oben genannte Tochter sonder Zweifel auf die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau einen göttlichen Gnadenstrahl in ihrem Herzen empfunden, den lutherischen Irrtum abgeschworen, und sich nachmals zu der römisch-katholischen Kirche gewendet habe.
Als am 13. März 1660, auf Befehl des Bischofs von Passau, unter einem Zelte das erste hl. Meßopfer im Beisein einer großen Volksmenge bei der Eiche gehalten worden, hat ein Mann zwischen sechs und sieben Uhr oberhalb Klein Pöchlarn ganz deutlich zwei weiße Personen gesehen, welche in der Luft schwebten, sich hernach in vier, endlich in zehn vermehrt, und zuletzt unter zwei Fahnen in eine ganze Schar ausgedehnt haben. Dadurch sind nun die andächtigen Christen bewegt worden, in großer Menge nach Maria Taferl zu kommen, und es wurde am 25. April desselben Jahres der Grundstein zu einer Kirche gelegt. Da aber einerseits der Bauriß der Kirche gar groß entworfen worden, und anderseits nur die Opfer der Gläubigen zum Baue verwendet wurden, so schritt der Bau nur langsam vorwärts.
Im Jahre 1661 zählte man schon 36,169 Kommunikanten, und unter diesen nicht Wenige, welche Namhaftes zum frommen Werke beitrugen. Im Jahre 1676 kam Kaiser Leopold I. hierher, opferte zwei silberne Leuchter und 1000 Reichstaler, und da noch andere adelige Wohltäter große Opfer spendeten, stand endlich im Jahre 1747 die große schöne Kirche in allen ihren Teilen vollendet da.
Im Jahre 1734 erschienen bereits 427 öffentliche Prozessionen, und die Zahl derer, welche die heiligen Sakramente empfingen, betrug 103,004, und als 1760 das erste Jubeljahr gefeiert wurde, zählte man in der Zeit vom 19. März 1760 bis zum 19. März 1761 Kommunikanten 326,000 und Prozessionen 701.
Ununterbrochen dauern die Wallfahrten auch heute noch fort, Zeugnis gebend von der Liebe der österreichischen Völker zu Unserer L. Frau. (Kaltenbäck, Mariensagen.)
Große Wunder, so zu Mariataferl auf Fürbitte Unserer Lieben Frau geschehen.2)
Im Jahre 1758 am Feste der hl. Schutzengel ward plötzlich eine gewisse Klara Götz in der Stadt Weidhofen an der Mos durch Unsere Liebe Frau geheilt. Dieselbe lag 4 Wochen trank, der kalte Brand und eine Darmkolik drohten ihr den Tod. Die Ärzte verkündeten, dass sie bald sterben werde. Die Todkranke erkannte Niemanden mehr, sie konnte nicht mehr reden noch andere verstehen. Doch denken konnte sie noch, und mit ihren Gedanken war sie bei U. L. Frau zu Mariataferl. Sie gedachte, so ferne dieses ihre letzte Stunde sein sollte, möchte die schmerzhafte Mutter Gottes ihre arme Seele in Schutz nehmen. Da hatte sie eine wunderbare Erscheinung. Sie sah vor ihren Augen Maria, die schmerzhafte Mutter Gottes mit ihrem Sohne auf dem Schoße in unbeschreiblicher Schönheit, gleich der strahlenden Sonne, zwei Jünglinge standen bei ihr. Maria legt ihr einen Zettel in die Hand, in welchem sich ein Pulver befindet, das einzunehmen ihr die Mutter Gottes befiehlt. Klara nimmt alle ihre Kräfte zusammen, und sucht U. L. Frau ihren Dank zu erkennen zu geben und zu bitten, wie sie ihr denn ihre Dankbarkeit beweisen konnte. Doch Maria verlangt von ihr nichts Anderes, als dass sie nach Mariataferl wallfahre, wohin sie sich verlobt habe. Hierauf verschwand die Erscheinung. Die Kranke erholt sich, nimmt die himmlische Arznei mit größtem Vertrauen und in einer Viertelstunde erfolgt die Genesung.
Karl Oelhanns, Pfarrer in Lainbach, erzählte, das ihm eine glaubwürdige Person eidlich beteuert habe, sie sei in diesem Jahre 1760 zu Schiff nach Wien gefahren. An der steinernen Brücke sei das Schiff gescheitert und die Wellen der Donau hätten sie fortgerissen. Schon sei sie ins Wasser versunken, da habe sie noch die schmerzhafte Muttergottes von Mariataferl angerufen, und plötzlich sei sie von einer unsichtbaren Gewalt in die Höhe gehoben und wohlbehalten ans Gestade geleitet worden. Merkwürdig war, dass eine Frau, welche ebenfalls in den Wogen versank, die Erstgenannte ergriff, unter dem Wasser mit ihr fortgeschwommen und dann auch mit ihr gerettet worden. Ein dreijähriges Töchterlein, so in ein klaftertiefes Wasser gefallen, sodann fünfzehn Klafter weit unter dem Rade einer Sägemühle hindurch geschwommen, hierauf über einen Wasserfall vier Klafter hoch hinabgestürzt, dann sieben und vierzig Klafter weiter fortgeschwemmt worden ist, wurde endlich ohne Lebenszeichen aus dem Wasser gezogen. Man legte ihm vertrauensvoll ein Bildnis der Mutter Gottes von Mariataferl auf die Brust, und nach einer stundenlangen Frais ist das Kind vollkommen gesund gewesen.
Einem Knaben, der schon bis sechzig Klafter weit von den reißenden Wellen eines Flusses unter ein Mühlrad getrieben worden und von demselben würde zerquetscht worden sein, ist Maria sichtbar im roten Kleid und blauen Mantel erschienen, hat ihre gütige Hand unter gelegt und ihn vom bevorstehenden martervollen Tode befreit.
Eine Frau fiel von der Brücke ins Wasser und geriet unter zwei unterschlächtige Mühlräder, allwo nach Aussage des Müllers kein zweipfündiger Fisch ohne Zerquetschung hätte durchkommen können. Sie rief Unsere L. Frau von Mariataferl an, und siehe, mit ihrem Leibe hob sie das erste Mühlrad, welches nicht 6 starke Männer hätten aufhalten können, völlig aus dem Gründel, und brach von diesem 3, und von dem andern Mühlrad 2 starke Schaufeln ab, ohne dass sie im Mindesten ist verletzt worden. Eine Mutter begleitete mit ihrem halbjährigen, todkranken Kind den Wallfahrerzug der Erzbruderschaft des heiligen Rosenkranzes von Wien nach Mariataferl. Aber ihr Gebet um Genesung ihres Kindleins fand keine Erhörung. Das Kind verschied in ihren Armen. Grenzenlos war ihr Herzenleid. Vergeblich suchte sie der Wallfahrtspriester zu trösten. Nun setzt sie sich mit ihrem toden Kind im Schoße auf einen Seitenstuhl im Angesicht des Gnadenbildes und schreit voll Vertrauen: „Mein Kind muss ich wieder haben, mein Kind muss ich wieder nach Hause bringen; die schmerzhafte Mutter Gottes wird mein Bitten nicht unerhört lassen, meine Tränen ansehen, und mich nicht ungetröstet scheiden lassen." Dies wiederholt die arme Mutter, ehe der Zug abgeht, so oft und so jammervoll, dass alle, welche sie sahen, in Tränen zerflossen vor Mitleid, und ihr Gebet mit dem Gebet der trostlosen Mutter vereinigten. Da ward die Frau eines Zimmerpaliers innerlich angetrieben, der armen Mutter beizuspringen. Sie nimmt das tote Kind aus der Mutter Schoß, tragt dasselbe dreimal voll Vertrauens auf Mariens Macht und Hilfe um die Gnadenkapelle und legt es dann auf den Altar. Und sieh, als der Wallfahrerzug abgehen will, und der letzte Segen mit dem Allerheiligsten gegeben wird, schreit das Kind laut: „Mama, Papa!" Alles erstaunt. Alles jubelt und preiset die Güte und Macht der Himmelskönigin Maria!
Ein großer Sünder hatte es gewagt, in der Beichte seine Missetaten zu verschweigen und hierauf unwürdig zu kommunizieren. Er wollte nun mit einem doppelten Gottesraub auf dem Herzen die Kirche verlassen. Aber bei der Kirchtüre wird er von einer unsichtbaren Gewalt gehalten, so dass er nicht vorwärts schreiten kann. Zugleich ward er innerlich gerührt. Bestürzt eilte er zum Beichtstuhl zurück, entdeckt dem Priester nun aufrichtig seine Seelenwunden, und empfängt von Gott Gnade und Erbarmen durch die Fürbitte der Mutter Gottes, die wahrhaft eine Brücke der Sünder ist. Ein lutherischer Kavalier ließ sich zum Schein oder aus Vorwitz in die Bruderschaft zu Mariataferl eintragen und schrieb mit eigener Hand seinen Namen in das Register. Aber von dieser Stunde an hatte er keine Ruhe in seinem Gewissen mehr, bis er zum heiligen katholischen Glauben zurückgekehrt war. Sein leiblicher Bruder erscheint zu Mariataferl, erzählt den ganzen Verlauf der Bekehrung seines Bruders und unterzeichnet die Urkunde zum Zeugnis seiner Aussage mit seinem Namen Johannes von Binder, des hl. röm. Reiches Ritter u. Edler v. Krieglstein.
Ein Mann wollte sich aus Verzweiflung erhängen. Zu dem Ende geht er mit einem Strick in die Scheuer. Wie er den Strick um den Hals binden will, sieht er vor sich einen Hund stehen mit einem Stricke im Maul. Angst und Schrecken befällt ihn; er ruft Unsere L. Frau von Mariataferl an und sogleich verschwindet das Ungetüm. Er geht in sich, eilt nach Mariataferl, beichtet seine Sünden, versöhnt sich mit Gott und führt ein bußfertiges Leben.
(Beschreib. d. Jubelandachten a. Gnadenorte Mariataferl 1761).
1) Vesperbilder heißen Darstellungen der Abnahme des Leichnams Jesu vom Kreuze, und sein Ruhen im Schoße Mariens. Man heißt diese Darstellungen Vesperbilder, weil die Abnahme Abends geschah.
2) Diese Wunder wurden bei den Predigten während der Jubelfeier 1760 vor einer zahlreichen Volkesmenge erzählt, und sind größtenteils alten Urkunden entnommen.
(Quelle: Digitalisiert von Google (Google Bücher) / nach Marianum: Legende von den lieben heiligen und gottseligen Dienern unserer lieben Frau und den berühmten Gnadenorten der hohen Himmelskönigin / Georg Ott, Pustet, 1859, von FJM überarbeitete Fassung)