Erzengel Raphael

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NÄHERES ZU DEN HL. ERZENGEL UNTER: Erzengel

Der heilige Erzengel Raphael

Fest

29. September


Das Wirken des hl. Erzengels Raphael

Dieser heilige Erzengel hat sich selbst dem frommen Tobias, zu welchem er von Gott gesendet ward, kundgegeben: „Ich bin der Engel Raphael, einer aus den sieben, die vor dem Herrn stehen.“ Er wird wie der heilige Michael und der heilige Gabriel ein Erzengel genannt. Was wir von ihm wissen, findet sich im Buche Tobias. Der Hauptinhalt davon ist dieser. Als Tobias, der Sohn des alten Tobias, auf Verlangen seines Vaters nach Rages, einer Stadt in Medien, reisen wollte, um von dem Verwandten Gabelus eine Schuld einzufordern, sah er sich um einen Reisegefährten um, der ihn sicher an den bestimmten Ort führen und wieder zurück begleiten sollte. Er kam kaum auf die Straßen der Stadt Ninive, wo er wohnte, da traf er einen ansehnlichen Jüngling an, welcher schon umgürtet dastand, wie zur Reise fertig und bereit. Dieser Jüngling war, wie es der Ausgang zeigte, der heilige Raphael. Tobias fragte ihn, wer er wäre, und ob ihm der Weg nach Rages bekannt sei? Raphael antwortete, er wäre Azarias, der Sohn des großen Ananias, und wüsste den Weg nach Rages gar wohl, und hätte dort schon eingekehrt in dem Hause des Gabelus, eines Einwohners jener Stadt. Tobias, sehr erfreut, zeigte es seinen Eltern an, welche diesen Jüngling zu sich beriefen und gegen geziemende Belohnung begehrten, dass er ihren Sohn nach Rages begleiten und wieder zurückführen sollte. Raphael versprach in allem sein Bestes zu tun, und so traten sie die Reise an.

In der ersten Nacht blieben sie bei dem Flusse Tigris. Als Tobias abends in diesem Flusse seine Füße waschen wollte, fuhr unversehens ein ungemein großer Fisch aus dem Wasser empor, als wollte er ihn verschlingen. Tobias rief seinen Reisegefährten um Hilfe an, und Raphael sagte zu ihm, den Fisch mutig anzufassen und an das Land zu ziehen. Tobias tat es und ward dann von seinem Begleiter ermahnt, den Fisch zu töten, zu öffnen, das Eingeweide herauszunehmen und das Herz, die Galle und Leber desselben als sehr wirksame Arzneimittel mit sich zu nehmen. Darnach kehrten beide Reisende in dem Hause des Raguel ein, welcher ein Verwandter des Vaters Tobias war. Dieser hatte eine einzige, sehr reiche, schöne und keusche Tochter, Sara mit Namen. Der Engel Raphael befahl dem Tobias, diese Frau zur Ehe zu begehren. Tobias fürchtete sich, dies zu tun, weil er gehört hatte, dass Sara schon mit sieben Männern vermählt worden sei, welche aber alle der böse Geist in der ersten Nacht um das Leben gebracht habe. Raphael aber sprach: „Höre mich, und ich will dir anzeigen, wer diejenigen seien, über welche der Teufel Gewalt hat, nämlich diese: welche den Ehestand also antreten, dass sie Gott von ihrem Gemüte und Herzen ausschließen, und der Geilheit sich also ergeben wie ein Pferd und Maulesel, die keinen Verstand haben; über diese hat der Teufel Gewalt. Du aber, wenn du sie nehmen, und zu ihr in die Kammer gehen wirst, sollst dich drei Tage lang von ihr enthalten und mit ihr dem Gebete obliegen. Und in derselben Nacht, wenn du die Leber des Fisches anzündest, wird der Teufel verjagt werden. In der anderen Nacht wirst du in die Gemeinschaft der heiligen Patriarchen aufgenommen werden. In der dritten Nacht aber wirst du den Segen bekommen, dass gesunde Kinder aus euch geboren werden. Wenn die dritte Nacht vorbei ist, dann sollst du die Jungfrau in der Furcht des Herrn zu dir nehmen, und es soll dich vielmehr die Liebe zu Kindern, als fleischliche Lust dazu bewegen, damit du in deinen Kindern den Segen erlangest, der den Nachkommen Abrahams verheißen worden ist.“ [Tob 6,16-22] Tobias folgte in allem dieser merkwürdigen Unterweisung seines heiligen Reisegefährten. Er verlangte Sara zur Ehe, brachte nach geschehener Verehelichung drei Tage auf die von dem Engel vorgeschriebene Weise zu und blieb so unbeschädigt von jenem Höllengeiste, der die vorigen sieben Männer wegen ihrer ungeziemenden Gelüste erwürgt hatte. Während sich Tobias in dem Hause Raguels länger aufhielt, reiste der himmlische Führer nach Rages, begehrte von Gabelus das geliehene Geld, empfing es ohne Anstand und kehrte damit wieder zu Tobias zurück. Bei diesem verblieben sie noch einige Zeit; endlich aber führte Raphael den Tobias nach Ninive in das väterliche Haus zurück. Anna, die Mutter des Tobias, hatte indessen mit Sehnsucht und Schmerzen der Heimkehr ihres Sohnes geharrt. Sie ging täglich auf einen Berg und sah umher, ob ihr geliebter Sohn nicht bald ankomme. Da sie ihn nun an dem Tage seiner Rückkehr von fern sah, lief sie eilends zu ihrem Ehemanne und zeigte ihm ihres Sohnes Ankunft an. Dieser, weil er blind war, ließ sich von einem Knaben an der Hand führen und ging seinem Sohne entgegen. Anna tat ein Gleiches. Beide fielen demselben um den Hals, küssten ihn und brachen in Tränen aus. Sobald sie in ihre Wohnung gekommen waren, beteten sie demütigst zu Gott und dankten ihm wegen der so glücklich vollendeten Reise. Der Sohn nahm hierauf etwas von der Galle des Fisches, wovon oben gemeldet wurde, und bestrich damit die Augen seines blinden Vaters, wie ihm der Erzengel Raphael noch vor dem Eintritte in das Haus befohlen hatte. Ehe eine halbe Stunde verflossen war, wurde der blinde Vater wieder vollkommen sehend. Unbeschreiblich groß war die Freude des lieben alten Vaters, der Mutter, des ganzen Hauses und der ganzen Nachbarschaft. Als sie wegen dieser neuen Wohltat Gott gedankt hatten, erzählte Tobias seinen Eltern, welche Wohltaten ihm von seinem Reisegefährten erwiesen worden seien. „Er hat mich“, sprach Tobias, „gesund hin und her geführt; bei dem Gabelus hat er das Geld abgeholt; er hat mir eine Ehegattin verschafft, den bösen Geist von derselben vertrieben und ihren Eltern Freude bereitet; mich hat er von dem Rachen des Fisches errettet; dich hat er das Himmelslicht wieder sehen gemacht, und wir haben durch ihn sehr viel Gutes erhalten.“ Als Tobias seine Erzählung vollendet hatte, sagte er zu seinem Vater: „Wie können wir ihn würdig belohnen?“ Ohne des Vaters Antwort abzuwarten, machte er den Vorschlag, der Vater sollte dem so getreuen Reisegefährten den halben Teil von allem, was er mitgebracht, als Lohn anbieten. Der Vorschlag wurde ohne Anstand gebilligt. Vater und Sohn riefen den himmlischen Reisegefährten zu sich und ersuchten ihn, er wolle den halben Teil des mitgebrachten Gutes als wohlverdiente Belohnung annehmen.

Der heilige Erzengel hielt es nun für geeignet, sich zu erkennen zu geben. Darum sprach er: „Lobet den Gott des Himmels und danket ihm vor allen Menschen, weil er euch so große Barmherzigkeit erwiesen hat. Es ist zwar gut, des Königs Geheimnisse zu verbergen; die Werke Gottes aber offenbaren und loben, bringt Ehre. Das Gebet mit Fasten und Almosen ist besser, als Schätze von Gold aufzuhäufen; denn das Almosen errettet vom Tode, reinigt von Sünden und macht, dass man Barmherzigkeit finde und das ewige Leben. Welche aber Sünde und Ungerechtigkeiten begehen, die sind Feinde ihrer Seele. Als du mit Tränen dein Gebet verrichtetest, die Toten begrubst und deswegen von der Mahlzeit aufstandest, und die Toten bei Tag in deinem Hause verbargst, nachts aber sie zur Erde bestattetest: da brachte ich dein Gebet vor den Herrn. Und weil du Gott angenehm warst, so war es notwendig, dass die Versuchung dich bewähret. Nun aber hat mich der Herr gesandt, dich zu heilen und Sara, deines Sohnes Eheweib, von dem bösen Geiste zu befreien; denn ich bin der Engel Raphael, einer aus den sieben, die vor dem Herrn stehen.“

So sprach der heilige Erzengel. Der alte Tobias aber mit seinem Sohne erschrak; beide zitterten vor Furcht und fielen nieder auf die Erde. Der Erzengel Raphael aber befreite sie von der Furcht mit diesen Worten: „Der Friede sei mit euch; fürchtet euch nicht; denn da ich bei euch war, war ich durch den Willen Gottes bei euch. Lobet und preiset ihn. Nun ist es Zeit, dass ich wieder zurückkehre zu dem, der mich gesandt hat. Ihr aber preiset Gott, und erzählet alle seine Wunderwerke.“

Mit diesen Worten beendigte Raphael seine Rede und verschwand vor ihren Augen. Sie aber lagen drei Stunden lang auf ihrem Angesichte zur Erde anbetend, voll Verwunderung über die Güte Gottes, die ihnen einen so vornehmen Himmelsfürsten, zum Schutze, Troste und Heile gesendet hatte. Nachdem sie sich von ihrem Schrecken erholt, wiederholten sie ihre Danksagung gegen Gott und erzählten allenthalben die ihnen von Gott erzeigten Wohltaten.

Aus dieser eben so wahrhaften als wunderbaren Begebenheit schlossen verschiedene Schriftausleger nicht ohne Grund, dass der Erzengel Raphael mit großem Nutzen verehrt und angerufen werden könne, namentlich von jenen, die von dem bösen Geiste geplagt und versucht werden, mit Blindheit oder einer andern Krankheit behaftet sind, oder sich irgend wohin auf eine Reise begeben. Der Name Raphael selbst heißt so viel als die Arznei (Medizin) oder der Arzt Gottes, und zeigt an, dass dieser heilige Engel denen, die an Seele oder Leib krank sind, beistehen könne. Und die Kirche lehrt jene, die eine Reise anstellen, also beten: „Der Engel Raphael begleite uns auf dem Wege.“ Verehrungstag des heiligen Raphael ist der 29. September.


Beherzigung

1. Man lese die heilsamen Lehren, welche der heilige Raphael selbst gegeben, und welche der jüngere Tobias empfangen hat, wie und zu welchem Ziele und Ende man den Ehestand antreten, und was man besonders vorher vermeiden solle. Denkwürdig sind jene Worte, womit er die Ursache erklärt, warum die sieben Männer der frommen Sara in der ersten Nacht von dem Satan erwürgt wurden. Der Teufel erhielt über sie Gewalt, weil sie nur zur Befriedigung der Geschlechtslust sich verehelichten, um die heilige Sara von diesen Wollüstigen zu befreien. Noch vielmehr Gewalt hat er über jene, die unter dem Vorwande der künftigen Ehe arge Sünden begehen, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen, weil sie vorgeben, sie wären Eheleute vor Gott! Was ist aber zu erwarten von jenen, über welche der Teufel Gewalt hat? Können wohl solche Menschen sich selbst Glück und Segen in ihrem Ehestande auf dieser Welt, oder in jener die ewige Seligkeit versprechen, wenn sie nicht strenge Buße tun? Wie töricht und sündhaft handeln jene, welche ohne die kirchliche Trauung als vermeintliche Eheleute zu leben wagen! 2. Aus der zweiten Unterweisung, welche der heilige Raphael sowohl dem alten als jungen Tobias gegeben, lerne 1., dass man Gott für die von ihm empfangenen Wohltaten danken und ihn loben und preisen solle; 2. Wie angenehm Gott, wie heilsam dem Menschen das Gebet, Fasten und Almosengeben sei. Wer diese drei guten Werke eifrig vollbringt, der ist weit glückseliger als ein Mensch, der für sich die größten Schätze von Gold und Silber sammelt; denn weder Gold noch Silber kann jemand von dem ewigen Tode erretten, aber von Sünden reinigen und so selig machen; wie nach Aussage des Engels da Almosen und andere guten Werke den Menschen durch Erlangung der Bußgnade erretten und reinigen. 3. Bedenke, was der heilige Raphael von jenem Menschen spricht, der eine Sünde begeht: „Er ist ein Feind seiner Seele,“ die er doch nächst Gott am meisten lieben sollte. Er schadet ihr mehr, als alle Menschen und alle höllischen Geister ihr schaden können; und weil er ein Feind seiner Seele ist, so ist er auch ein Feind seines Leibes; denn wenn die Seele verloren geht, wo kommt der Leib hin? In den Himmel gewiss nicht. 4. Lerne, dass die guten Werke, welche ein Mensch verrichtet, von den heiligen Engeln Gott aufgeopfert werden. Endlich merke wohl, warum der fromme Tobias mit der Blindheit von Gott heimgesucht worden ist. „Weil du Gott angenehm warst,“ spricht der heilige Raphael, „so war es notwendig, dass die Trübsal dich bewährte.“ Die Widerwärtigkeit, welche den Frommen zustößt, ist eine Probe der Tugend, nicht ein Zeichen des göttlichen Zornes,“ spricht der heilige Papst Gregor. 3. Die Eltern der Sara gaben ihr beim Abschiede die schönsten Lehren: „Sie soll ihre Schwiegereltern ehren, das Gesinde regieren, das Haus verwalten und sich selbst tadellos betragen.“ [Tob 10,13].


(Quelle: Goldene Legende: Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, Wilhelm Auer, Matthäus Vogel,1904 nach von FJM überarbeiteter Fassung)