Magnus
Fest
Lebensbeschreibung
So berühmt der hl. Abt Magnus (auch Maginald, Maginold und Magnoald, im Munde des Volkes gewöhnlich St. Mang genannt) in den Annalen der Geschichte und in der Verehrung der Gläubigen ist: so ungewiss und verwirrt sind die einzelnen Nachrichten, die aus seinem Leben und Wirken auf uns gekommen sind. Lange Zeit stand zwar eine Vita, deren Verfasser zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert lebten, in großem Ansehen. Schon die Boll. haben ihr aber dieses Ansehen nicht mehr zuerkannt, im Gegenteil: sie schreiben geradezu von einer nur erschlichenen, in der Larve der Wahrheit versteckten Autorität (larvata autoritas). Gleichwohl war eben diese »Autorität« beinahe die einzige Quelle aller späteren Bearbeitungen. Man muss den Boll. Dank wissen, durch eine äußerst sorgfältige Sichtung des vorhandenen Materials eine solide Grundlage zu einer neuen, geschichtlich haltbaren Lebensbeschreibung geliefert zu haben. Dagegen hat Khamm (hierarch. aug. Auct. P. I. Cath. 33 seqq.) wieder eine ganze Menge Bedenken (dubia) geliefert, welche indessen durch das von Pertz herausgegebene Leben des hl. Gallus glücklich beseitiget worden sind. Wenn Burgener (Helv. S. II. 4) meint, erst die »neuere Kritik« hätte behauptet, Magnus sei nicht aus Schottland oder Irland, sondern ein Deutscher – er hätte hinzusetzen dürfen: Alemanne – gewesen, so ist er entschieden im Irrtum, denn schon die Boll., auf welche er sich doch selbst beruft, und Khamm haben diese Behauptung aufgestellt. Wenn Burgener (l.c.) fragt, wohin dann jener Magnoald gekommen sei, der als Schüler des hl. Columban von Allen angeführt werde, so antwortet Khamm, dass hier vermutlich eine Verwechslung unsers hl. Magnus mit dem hl. Magnoaldus oder vielmehr Chagnoaldus, Schüler des hl. Columban, vorliege, der nachmals Bischof von Laon geworden ist (qui postea Lugduní Clavati seu Lauduni constitutus est pontifex).
Dennoch findet sich die irrige Angabe, er sei ein Ire oder Schotte gewesen, auch in neuern Bearbeitungen. Aus dem Umstande, dass der hl. Magnus mit seinem Gefährten Theodor in der Geschichte zum ersten Mal im Jahr 612 bei dem Pfarrer Willimar auftritt und sich dann dem hl. Gallus anschließt, geht, wie seine deutsche (alemannische) Herkunft, so auch die geschichtliche Unhaltbarkeit seiner Reise aus Irland oder Schottland hervor. Er war auch keineswegs ein »unmittelbarer Schüler« des hl. Columban (Khamm: nunquam fuit S. Columbani minister nec immediatus discipulus), wohl aber mittelbar, da er den hl. Gallus, welcher die Regel des hl. Columban befolgte, als Lehrer und Meister des geistlichen Lebens sich erkor und demselben bis zu seinem im Jahr 625 erfolgten Tode treu anhing. Der hl. Magnus wurde von diesem beauftragt, nach Bobbio, zum Grabe des hl. Columban, zu reisen und dasselbe zu ehren. Er kam mit dem Stabe des hl. Columban glücklich wieder zurück und diente Gott unter der Vorstandschaft des hl. Gallus nach der Regel des hl. Columban. Nach dem Hintritt des hl. Gallus stand er als sein erster Nachfolger dessen Zelle vor. Schon als Mitbegründer und zweiter Abt des Klosters St. Gallen ist daher der hl. Magnus ungemein ehrwürdig, denn über tausend Jahre blieb der Ort ein heiliger Mittel- und Ausgangspunkt christlichen Wissens und Lebens. Er wurde aber durch einen Überfall der Franken oder nach Burgener des Herzogs Ottovin von Schwaben und dessen Vogts Erchonald (bei Jocham Bav. S. I. 131 heißt Othwin »ein Häuptling roher Bergbewohner«) schwer misshandelt und das Kloster beraubt und verwüstet; doch kam Boso (Buffo), Bischof von Konstanz, dem Heiligen zu Hilfe und wurde zweiter Begründer des Klosters, das er neuerdings einweihte.
Nun folgte der für uns wichtigste Abschnitt seines Lebens, sein Zug ins Allgäu und sein Wirken daselbst. Sind auch die schriftlichen Aufzeichnungen hierüber, wie Eingangs bemerkt, nicht so zuverlässig, als wir wünschen möchten, so sind die Klöster, Kirchen, Altäre und andere Monumente, die seinen Ruhm verkünden, desto zuverlässigere und unwidersprechlichere Zeugen seiner Tätigkeit. Die Legende erzählt: Bald nach der Wiederherstellung der Zelle in St. Gallen bewog ihn »ein frommer Priester aus dem Allgäu«, Namens Tozzo (Tosso), der das Grab des hl. Gallus zu ehren gekommen war, nach dem Allgäu zu gehen, um auch dort nach dem Muster der Zelle zu St. Gallen klösterliche Niederlassungen zu gründen. Der obengenannte Theodor war sein Begleiter. Unterwegs sprach sie ein Blinder um ein Almosen an; Magnus bestrich mit seinem Speichel des Blinden Augen und der Blinde sah, fiel dem Heiligen zu Füßen, dankte Gott und wollte sein Jünger werden. Sie hatten, nach der Volkssage, ein Licht bei sich, das bei einbrechender Nachtzeit sich selbst anzündete und fortbrannte, ohne dass die Kerze kleiner wurde, – ein schönes, sprechendes Bild der Ausbreitung des Christentums und dessen die Finsternis erleuchtender, nie abnehmender Kraft. Auf dem Wege hatten sie mit Schlangen und Drachen zu kämpfen, die der hl. Magnus vertrieb, indem er die Gegend mit seinem Stabe im Namen Jesu segnete. Da bei Erwähnung dieser Untiere auf die Legende von der Bekehrung der hl. Afra Bezug genommen wird, so kann über die wahre Bedeutung dieser Schlangen und Drachen kein Zweifel sein. Sie sind weder (Koch-Sternfeld, der hl. Mangold, Beitr. I. 1) als Räuber, noch als Luftspiegelungen aufzufassen, sondern als Erscheinungen und Schreckgebilde der finstern Mächte, zu deren Bekämpfung die heiligen Missionäre gekommen waren. Tozzo, der sich bei einer solchen Begegnung anfänglich auf einen Baum geflüchtet hatte, überzeugte sich bald von der Unbesiegbarkeit des hl. Magnus und wich nicht mehr von seiner Seite.
Zu Epfach am Lech, wo damals Bischof Wicterp von Augsburg sich aufhielt, erholten sie sich die nötige Vollmacht. Der hl. Magnus, der bisher immer nur Diakon gewesen zu sein scheint, empfing von ihm die Priesterweihe. Hierauf wurde zunächst in Kempten eine Zelle gegründet und Theodor zu ihrem Vorsteher bestimmt. Ebendahin verlegt deshalb die Legende die Tötung des ersten Drachen durch den Stab des hl. Magnus, und setzt hinzu, dass hierauf auch die übrigen schädlichen Tiere verschwanden und die Gegend für immer von ihnen befreit wurde. Zu Roßhaupten stellte sich dem hl. Magnus ein neuer Drache in den Weg. Der Heilige griff ihn um Mitternacht in seiner Höhle an. Am Halse trug er das heilige Kreuz, in der einen Hand den Stab und in der andern das hl. Evangelium, in der Tasche geweihtes Brot. Nachdem er gebetet hatte, aß er von dem geweihten Brot. So gerüstet, ging er auf die Höhle zu und warf dem Drachen eine an einer Fackel angezündete Pechkugel in den aufgesperrten Rachen, dass er barst und tot zu den Füßen des Heiligen hinstürzte. Hierauf gründete er hier und bei weiterem Vordringen auch in Waltenhofen eine Kirche. Endlich kam er nach Füssen (Fuerzin, pedes, scil. Alpium, ad fauces), wo er sich bleibend niederließ und über zwanzig Jahre für die Ausbreitung des Evangeliums und der Kultur arbeitete. Letzteres bezeugt unter anderem die Entdeckung von Eisenlagern auf dem Säulingberge, welche ihm zugeschrieben wird. Die Legende erzählt nämlich, ein großer Bär habe auf den Befehl des Heiligen die Wurzeln einer Tanne ausgegraben, worauf sich Eisenadern gezeigt hätten. Der Bär begleitete hierauf den Heiligen in sein Kloster zurück und diente den von ihm abgesendeten Arbeitern als Führer an die eisenhaltige Stelle. Mit vollem Rechte heißt daher der hl. Magnus der Apostel des Allgäu. Außer Kempten, Waltenhofen, Roßhaupten und Füssen wird ihm die Gründung vieler anderer Seelsorgestellen, namentlich Ober- und Unterlechthal (Holzgau und Elbingenalp), Aschau, Rieden, Bernbeuern (Auerberg), Bezigan, Nesselwang, Sonthofen, Durach und Agathenzell zugeschrieben.
Als er am Sterben lag, stand Tozzo, der unterdessen Bischof von Augsburg geworden sein soll, an seinem Lager. Er verschied nach der Legende am 6. September, der eben auf einen Sonntag fiel, 9 Uhr Morgens in dem Alter von 74 Jahren, wahrscheinlich im Jahr 655. Bald darauf hörte man die Stimme: »Komm, Magnus, empfange die Krone, welche der Herr dir zubereitet hat.« Der Bischof verrichtete darauf für seinen liebsten Freund das hl. Opfer und setzte ihn in dem von dem Heiligen selbst erbauten Oratorium bei. Die Kritik hat sich daran gestoßen, dass König Pipin auf Bischofs Wicterp Betreiben die Zelle des hl. Magnus mit Grundstücken aus dem Kaltensteiner-Gau dotiert habe. Aber diese Schenkungen brauchen nicht dem hl. Magnus persönlich geschehen zu sein, sondern galten der von ihm gegründeten Kirche, wofür in alten Urkunden immer der Patron genannt wird (also S. Magno = monasterio oder ecclesiae S. Magni). Ebenso kommt nicht viel darauf an, ob Tozzo Bischof von Augsburg geworden sei. Er konnte eben so gut als Pfarrer von Waltenhofen die Beerdigung des Heiligen vorgenommen haben und (wie es bei W.-W. VI. 742 heißt) von den Legendisten mit dem Bischof Tosso des achten Jahrh. konfundiert worden sein. Die weitere Einwendung, welche die Legende vom hl. Magnus wegen der Ähnlichkeit mit denen vom hl. Columban und Gallus nur als Kopie der letzteren bezeichnen will, verliert an Gewicht, wenn man bedenkt, dass auch der Beruf des hl. Magnus dem seiner Lehrer gleich war, und dass sohin die Wunderkraft dieser auf ihn eben so übergegangen sein konnte, wie die Wunderkraft des Elias auf den Elisäus.
Der hl. Bischof Simpert restaurierte das Kloster des hl. Magnus, und die Bischöfe Nidgar ins (gest. um d.J. 830) und Lanto (gest. um d.J. 857, oder Hanto, wie es bei Burgener heißt) erbauten dem Heiligen eine schöne Kirche. Unterm letzteren wurde der Leib des hl. Magnus (nach den Boll. zwischen den J. 825 u. 847) erhoben. Bei dieser Gelegenheit soll dessen kurze Lebensgeschichte, welche Theodor unter sein Haupt gelegt hatte, zwar vergilbt, aber noch leserlich, aufgefunden und dem Mönch Ermenrich, später Abt in Ellwangen, zur Verbesserung übergeben worden sein. Der in St. Gallen befindliche Coder mit dem Leben des Heiligen kennt diesen Ermenrich nicht. (Rettberg, K.-G. Deutschl. II. 149.) Bei näherer Prüfung des in St. Gallen befindlichen Codex entdeckte man, dass derselbe aus zwei ganz verschiedenen Stücken besteht; die erste Hälfte gehört etwa dem 12. Jahrhundert an und geht bis dahin, wo Magnus den Blinden heilt, welche Scene im Codex mittelst Federzeichnung dargestellt ist, während die zweite Hälfte eine frühere Arbeit des 10. Jahrhundert ist. Es ist aber mit dieser Entdeckung für die Sicherheit der Legende Nichts gewonnen. Die Stärke derselben liegt, wie bemerkt, in den außer ihr vorhandenen Denkmalen, besonders in der ununterbrochen fortdauernden Verehrung, die dem Heiligen in weitem Umkreise von seinem Tode an zu Teil wurde, in dem Vertrauen auf die wunderbare Kraft seiner Fürbitte, das durch zahlreiche Wallfahrten und Verlöbnisse zu seinem Grabe sich zu allen Zeiten kund gegeben, in den Altären, Bildnissen und Kapellen, die seinem Andenken geweiht worden sind. Unter den Kirchen sind vorzüglich die Abteikirchen von Füssen und Kempten zu nennen. In St. Gallen erbaute der Abtbischof Salomon im neunten Jahrhundert eine Kirche unter seiner Anrufung. Papst Johann IX. (898–900) zählte ihn unter die Heiligen. Seine Verehrung verbreitete sich in ganz Süddeutschland und der Schweiz. So z.B. wurde im Jahr 1127 in Regensburg durch den Domherrn Gebhard unter seiner Anrufung ein Kloster samt Kirche gebaut und Augustiner-Mönchen übergeben. Im Kanton Unterwalden wird sein Fest als Feiertag begangen. Hier und in andern Gegenden wird er als Beschützer der Viehherden verehrt. Er wird im Pilgergewande und mit dem Stabe, noch öfter aber als Abt, seine Hand gegen einen fliegenden Drachen erhebend, oder von Schlangen und drachenähnlichen Gestalten umgeben, dargestellt. Seine Reliquien wurden bei einem feindlichen Überfalle von Füssen nach Tyrol geflüchtet und sind nicht mehr vorhanden. In St. Gallen befindet sich ein Arm des Heiligen. Reliquien von seinem Stabe sind zu Füssen und in Wangen im Württembergischen (Kirchenschm. 1862. XII. 67). Im Mart. Rom. findet sich der hl. Abt Magnus nicht.
(Quelle: nach Vollständiges Heiligen-Lexikon von J.E. Stadler, F.J.Heim und J.N. Ginal, Augsburg 1858-1882, digitalisiert und mit freundlicher Genehmigung von Digitale Bibliothek, Verlag Directmedia Publisching GmbH, CD DB 106, http://www.zeno.org, von FJM überarbeitete Fassung)