Papst Pius IX.

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Seliger Pius IX. (mit bürgerlichem Namen: Johannes Maria Mastai Ferretti)

Geburtstag

13. Mai 1792 Senigallia, Italien

Todestag

07.Februar 1878 Vatikanstadt, Vatikanstaat

Gedenktag

7. Februar

Vorwort

«Wo Petrus ist, dort ist die Kirche. Da Petrus durch den Römischen Bischof spricht und immer in seinen Nachfolgern lebt, das Richteramt ausübt und den Suchenden die Wahrheit des Glaubens verbürgt, deshalb sind die göttlichen Worte ganz in dem Sinne anzunehmen, den diese römische Kathedra des seligsten Petrus behauptete und behauptet, die als Mutter und Lehrerin aller Kirchen den von Christus, dem Herrn, überlieferten Glauben immer unversehrt und unverletzt bewahrt und ihn die Gläubigen gelehrt hat, indem sie allen den Weg des Heiles und die Lehre der unverfälschten Wahrheit zeigte» (Pius IX., Enzyklika «Qui pluribus»).

Im Heiligen Jahr 2000 wurde nach einem langen und schwierigen Seligsprechungsverfahren einem Mann die Ehre der Altäre zuteil, der wie kaum ein anderer Papst so sehr unter dem Wechsel der Zeiten gelitten und für die Ehre der Kirche so vehement gekämpft hat: Papst Pius IX.

Besucht man heute das Grab des seligen Pius IX. in der altehrwürdigen Basilika San Lorenzo fuori le Mura (Sankt Laurentius vor den Mauern), entdecken Touristen kaum den Sarkophag des Papstes, der gegenüber dem Grab des hl. Laurentius begraben werden wollte. Vielleicht aber ist das Ausdruck dessen, wie er sich manchmal als Papst mit dem längsten Pontifikat gefühlt hat: alleine, einsam, missverstanden. Der Name Crux de cruce, der ihm nach der Malachias-Weissagung zugedacht war, erscheint nicht unpassend.

Biografie

Johannes Maria (Giovanni Maria) Mastai Ferretti wurde am 13. Mai 1792 als Kind des Grafen Hieronymus Mastai Ferretti und seiner Gattin Katharina Solazzi in Senigallia geboren. Nach Beendigung der humanistischen und philosophischen Studien empfing er am 10. April 1819 die Priesterweihe.

Er widmete sich unermüdlich dem Apostolat unter den Waisenkindern im römischen Haus San Michele, genannt Tata Giovanni. Von 1823 bis 1825 wirkte er als Auditor des päpstlichen Nuntius in Chile, bis er dann wieder als Prälat und Kanoniker der Kirche Via Lata weiterhin im Waisenhaus arbeiten konnte. Am 3. Juni 1827 wurde er in der römischen Kirche San Pietro in Vincoli zum Erzbischof von Spoleto, zu dem ihn Leo XII. ernannt hatte, geweiht. Am 22. Dezember 1832 wurde er von Papst Gregor XVI. zum Bischof von Imola ernannt, 1840 zum Kardinalpriester mit der Titelbasilika Ss. Marcellino e Pietro kreiert.

Nach dem Tod von Papst Gregor XVI. wählte das Kardinalskollegium nach einem sehr kurzen Konklave am 16. Juni 1846 Kardinal Mastai Ferretti zum Oberhirten der katholischen Kirche. Er nannte sich Pius IX. in Erinnerung an Papst Pius VII. Nach einem schwierigen, langen, glorreichen Pontifikat, dessen Höhepunkt das von ihm einberufene Vatikanische Konzil (1869/70) war, starb Papst Pius IX. tief betrauert von der gläubigen Bevölkerung am 7. Februar 1878 und wurde drei Jahre später in der Basilika San Lorenzo bestattet.

Pontifikat

Das Pontifikat Papst Pius IX., das erstmals länger als die 25 Jahre des Petrus währte, gehört wohl zu den populärsten. Stets bewusst, dass er als Papst der Stellvertreter Christi auf Erden war, sorgte er sich inmitten turbulenter Ereignisse um die Einhaltung der wahren Lehre der Kirche. Um die Kirche nach innen zu stärken, nach außen hin zu definieren und das Profil des Glaubensgutes zu schärfen, veröffentlichte er zahlreiche Enzykliken, unter ihnen die bedeutenden Rundschreiben Qui pluribus (1846) und Quanta cura (1864), in denen er den Vorrang nationaler Politik gegenüber der Kirche ablehnte.

Bekannter noch ist der sogenannte Syllabus, ein Anhang der Enzyklika Quanta cura; er listet 80 Sätze auf, die aus verschiedensten Dokumenten des kirchlichen Lehramtes stammen und hier erstmals zusammengefasst und verurteilt wurden; diese Thesen entspringen dem Naturalismus,Sozialismus, Kommunismus, Rationalismus und anderen antichristliche Strömungen.

Das volle Lehramt schöpfte Pius IX. aus durch die Verkündigung zweier Dogmen: am 8. Dezember 1854 definierte er in feierlicher Weise in der Bulle Ineffabilis Dens, «...dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis ... von jeglichem Makel der Unschuld unversehrt bewahrt wurde.»

Da «sich die Pforten der Unterwelt, um - wenn möglich - die Kirche zu zerstören, mit täglich größerem Hass von überall gegen ihr von Gott gelegtes Fundament erheben» (Dogm. Konst. Pastor aeternus) verkündete das Oberhaupt der Kirche während des von ihm 1870 einberufenen 1. Vatikanischen Konzils die päpstliche Unfehlbarkeit. «Wenn der Römische Bischof... in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten Apostolischen Autorität entscheidet, dass eine Glaubens- oder Sittenlehre festzuhalten ist, dann besitzt er ... jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- oder Sittenlehre ausgestattet sehen wollte» (ebd.).

Papst Pius IX. war der letzte Papa-Re (Papstkönig), der neben seiner geistlichen Stellung auch Regent des Kirchenstaates war. Seinen «Untertanen» wollte er der erste Diener sein, was verschiedene Tatsachen belegen: er öffnete das jüdische Ghetto in Rom, unterstützte die Armen, wo es nur ging, besuchte die Gläubigen und war ein «Mann zum Anfassen». Nach seiner weltlichen Entmachtung 1870 wurde er wie «ein Gefangener im Vatikan» vom Königreich behandelt. Pius IX. setzte als guter Hirte nun den ganzen Schwerpunkt auf die geistliche Macht des Papsttums, was letztlich der Kirche auf Dauer mehr nützte denn schadete.

Pius IX. erkannte, dass die Gesellschaft einen starken Wandel vollzog, sehr zum sozialen Nachteil der Menschen. Neue Ordensgründungen setzten hier spirituelle und gesellschaftspolitische Akzente. Der Papst unterstützte diese neuen Kongregationen aus ganzem Herzen und gab 150 Gemeinschaften die Approbation des Heiligen Stuhles.

Bedeutung für das Heute

«Ich will nur ein armer Priester sein.» Sehr oft sagte der Priester aus Senigallia diese Worte und er blieb es im Herzen auch. Als der junge Graf Mastai auf eine steile Karriere als Jurist verzichtete, die ihm sicher gewesen wäre, und er sich für das Priesteramt entschied, wollte er weder Kirchenfürst werden noch ein anderes bedeutendes Amt in der Kirche bekleiden. Er wollte den Menschen dienen, sie im Glauben bestärken und für das Himmelreich gewinnen. Auch wenn die Kirche ihn zum Bischof von Spoleto, Imola und Rom erwählte, so blieb er stets der einfache Priester und Franziskanerterziar. Sein priesterliches Wirken unter den Waisenkindern in Rom drückt am besten aus, wer der Selige eigentlich war: ein Diener der Ärmsten, ein Anwalt der Entrechteten, eine Stimme der Stummen. Als Erzbischof von Spoleto und Bischof von Imola errichtete er Häuser für Waisenkinder, förderte seinen Klerus und scheute auch nicht davor zurück, sein eigenes Geld für die sozial Schwachen herzugeben. Unermüdlich visitierte seine Pfarreien unter schwierigsten Bedingungen, lebte sehr karg und arbeitete, auch wenn es ihm nicht gut ging, sehr lange. Als erstes Mitglied des italienischen Episkopates förderte er das Werk der Glaubensverbreitung. Als Papst war er genauso mehr Hirte als Fürst: Er stiftete Almosen, bewegte als «einer unter den Priestern» den Klerus zu Exerzitien, visitierte Kirchen und Städte des Kirchenstaates, hörte Beichte und ging als einfacher Priester gekleidet zu Kranken und Sterbenden. Er drückte es selbst so aus: «Ich bin so wie früher auch: ein armer Priester des armen Christus.»

Seine Spiritualität war geprägt von einer glühenden Verehrung der Eucharistie, der innigen Zuneigung zu Maria, der unbefleckten Jungfrau, und zum hl. Joseph, den er 1870 zum Schutzpatron der Universalkirche proklamierte.

Wer nur das Pontifikat und seine einhergehende politische Macht achtet, mag schnell vergessen, wer Pius IX. als Mensch war. Auch die kritischen Stimmen anlässlich seiner Seligsprechung, unter ihnen die in Innsbruck verabschiedete und geradezu entwürdigende «Stellungnahme katholischer Kirchenhistoriker» vom 13. Juni 2000, zeigen deutlich, dass der Selige auf ein Minimum seiner Persönlichkeit herabreduziert wurde. Jene oberflächliche Betrachtung führte zu den Erklärungen, die Seligsprechung Pius IX. sei «ein Zerrbild von Heiligkeit», sie sei «eine Desavouierung all der Erklärungen und Bekenntnisse, die das Zweite Vatikanische Konzil und Papst Johannes Paul IL zu den Menschenrechten, zur Ökumene und zum Verhältnis Kirche und Juden gegeben haben» und Seligsprechung beider Konzilspäpste könne nie eine Zusammengehörigkeit des I. und II. Vatikanums zum Ausdruck bringen. Zudem wird konstatiert, die Aussage La tradizione sono io («Die Tradition bin ich») gehöre «zu den beschämendsten Seiten seines Pontifikates», der Satz sei auf die Person Pius IX. fixiert und führe zu Verspannungen im Verhältnis zu Christen anderer Bekenntnisse. Sein ganzes Leben zeigt jedoch eine Person, die Gott und den Menschen im Blick hatte, und als Papst «wusste er Gott und den spirituellen Werten immer den absoluten Primat einzuräumen», wie es Johannes Paul II. in seiner Ansprache am Tag der Seligsprechung formulierte.

Der von den Menschen so sehr verehrte Papst Johannes XXIII., der mit ihm seliggesprochen wurde und der von manchen geradezu als Gegenteil Pius IX. dargestellt wird, äußerte einmal: «Ich denke immer an Pius IX. Ich wünschte, ihm in seinem Opferleben zu gleichen und würdig zu sein, seine Heiligsprechung zu feiern.» Den «katholischen» Kirchenhistorikern und anderen Kritikern, die Pius IX. sogar als «Antisemit» und als «kirchlichen Täter» bezeichneten, sei der Satz des hl. Jugendapostels Johannes Bosco, der ein inniger Freund des Seligen war ans Herz gelegt: «Wer als guter Katholik leben möchte, muss sich vor jenen hüten, die schlecht über Religion, ihre Diener und besonders über den Papst reden, der doch Vater aller Katholiken ist. Man bezeichnet immer den als schlechten Sohn, der schlecht von seinem Vater spricht.» Und an anderer Stelle: «Wir sollen bedenken, dass es Pflicht ist, sich um den Papst zu scharen und dass unser Heil nur zu finden ist mit dem Papst und für ihn.»

Ja, die Kritiker vergaßen die Person des Papstes, aber auch die theologische Bedeutung des Papstes als Bewahrer der Tradition. Und sie vergaßen auch, dass man so nicht über einen Vater spricht, einem Vater, der, wie es die Kirche nunmehr bestätigte, ein Leben nach den heroischen Tugenden führte und das ein ganzes Leben lang. Nicht der Staatsmann und nicht der Papst wurden zum Seligen deklariert, es war die Person Johannes Mastai Ferretti. Als solcher hat er nicht alles richtig gemacht, wie alle anderen Seligen und Heiligen auch, die im Sakrament der Versöhnung stets um Vergebung baten. Auch sind manche seiner Ansichten zeitgenössisch geprägt und menschlich gefärbt. Jedoch sind eben diese Phänomene bei jeder Person zu finden, auch bei jedem Heiligen. Der Mensch des Jetzt urteilt leichter über das Gestern, weil er mehr zurückblicken als die Damaligen vorausschauen konnten. Die Kirchenhistoriker, die Pius IX. im Gegensatz zum Zweiten Vatikanischen Konzil sehen, erscheinen wie jugendliche Internetsurfer, die den Vater mit seiner Schreibmaschine müde belächeln. So gesehen dürften nur Personen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil kirchlich geehrt werden. Wichtig erscheint, dass, wie es bei Pius IX. der Fall ist, sein Leben tugendreich war, er nach bestem Wissen und Gewissen handelte und sein Leben uns auch heute noch anspornt, uns auf die engere Nachfolge Jesu einzulassen. Dass der Vater der Kirche im 19. Jhdt. manches anders sah als wir heute im 21., das erscheint aus theologischer und eschatologischer Hinsicht wirklich nur noch von sekundärer Bedeutung. Aus Sicht der «katholischen» Kirchenhistoriker dürften wir demnach keinen Heiligen der Vergangenheit mehr für ernst nehmen. So würde die geforderte Nicht-Seligsprechung zu einem Chaos in Theologie und Hagiographie führen sowie den Begriff «Tradition» ins Abseits stellen, wenn wir unter Tradition verstehen, altes Gedankengut ins Jetzt zu übertragen und neu zu interpretieren.

Dann wird der Syllabus des Papstes zu einem Text, der uns vor leeren Versprechen und vor sogenannten Heilsideologien selbsternannter Propheten (und «Historiker») warnt und uns sensibel für das kostbare Glaubensgut der heiligen Mutter Kirche macht. Der Syllabus macht uns wieder deutlich, dass die Anschauungen des Anthropozentrismus und Theozentrismus keinen gemeinsamen Weg haben können, denn christliche Kultur einerseits und zügellose, ungehemmte Anarchie andererseits sind nicht die Kinder des einen Vaters! Genau das ist die Botschaft dieser Enzyklika, die nichts anderes tut, als das Lehramt der vergangenen Jahrhunderte auf diesen einen Nenner zu bringen, jedoch dem Fortschritt in keinster Weise eine Absage erteilt, außer man verstünde unter Fortschritt Revolution.

Pius' Kritiker dürfen auch nicht vergessen, dass sie jene «modernen Heiligen» wie Don Bosco oder Johannes XXIII. nicht als schizoid abstempeln dürfen, denn sie gehören mit zu den Befürwortern, dass Pius IX. seliggesprochen werden sollte. Auch Johannes Paul II. ist nicht unglaubwürdig, weil er einerseits die Ökumene und Verteidigung der Menschenrechte in den Mittelpunkt stellte und andererseits Pius IX. selig sprach. «Freiheit ist gut, aber Freiheit hat ihre Grenzen», sagte Johannes Paul II. Genau das war auch die Meinung seines seligen Vorgängers Pius, der nicht leugnete, dass Gott dem Menschen Freiheit schenkte, aber nicht jene Freiheit, die andere verletzt und nur ichbezogen ist. Er kämpfte für das Bewusstmachen der Worte des hl. Paulus im Brief an die Galater (vgl. 5, 13-14), dass Gott den Menschen zur Freiheit berufen hat, aber die Freiheit kein Freibrief für die Befriedigung selbstsüchtiger Wünsche ist. Nicht eine Freiheit, die jedem in der Kirche das Recht gibt, seinen eigenen Katechismus zu erstellen und eigene Dogmen zu proklamieren. Jene Freiheit führte und führt zum Chaos und zur Spaltung. Lieber eine Abspaltung riskieren als die Spaltung der Kirche zu erleben. Das gehört zur Freiheit, die anderen die Freiheit lässt, anzuerkennen, dass Demokratie im Glauben nicht geht, dass über Gott nicht abgestimmt werden darf. Die Lehre der Kirche gehört nicht zum modernen Abstimmungstrend der Politik. Diese Bewusstmachung dürfen wir vor allem auch Pius IX. verdanken. Schizoiden Charakter haben mehr die Worte jener, die im Auseinanderdividieren von Personen sich selbst ins Abseits kirchlich-katholischer Tradition stellen. Johannes XXIII. und Pius IX. gehören zusammen, denn sie verkörpern beide kirchliche Kontinuität in jeweils anderen Zeitumständen. Johannes konnte und wollte nicht ohne seinen Vorgänger interpretiert werden, Petrus nicht ohne Paulus.

Selig bist du zu nennen, Pius IX., weil du berufen wurdest, das Schifflein Petri in stürmischer Zeit klug, mit Umsicht, mit Strenge und Liebe, in Gerechtigkeit und Wahrheit zu führen. Selig bist du zu nennen, weil du im Armen Christus erkannt und ihm gedient hast, wo du nur konntest. Selig bist du zu nennen, weil du das Lehramt der Kirche vor seinen Feinden verteidigt und ihm als erster gehorcht hast. Selig bist du. weil du als Petrus, als Fels Tradition verkörpert und allen gezeigt hast, wo die Kirche ist. Selig bist du, weil dein Leben uns auch heute noch offenbart, dass die Wahrheit frei macht, nicht die Freiheit die Wahrheit. Selig bist du zu nennen, weil du dem Licht Christi Raum geschaffen hast, jenem Licht, das stärker ist als Sünde und Tod.

Seliger Pius IX. - bitte für uns.


Mit freundlicher Genehmigung des CHRISTIANA-VERLAGEs entnommen dem Buch "Die neuen Heiligen der katholischen Kirche, Band 6"

(Quellenangabe: Stefan Wirth, Die neuen Heiligen der katholischen Kirche, Band 6)

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