Lehramt

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Das Lehramt

Allgemeiner Hinweis: Die in Ecclesiaeveritas veröffentlichen Lehramstexte,
dürfen nicht als offizielle Übersetzungen betrachtet werden,
selbst wenn die Quellangaben dies vermuten ließen. Nur die Texte auf der Vatikanseite
können als offiziell angesehen werden (Schreiben der Libreria Editrice Vaticana vom 21. Januar 2008).

Die Kirche ist unfehlbar

Der göttliche Heiland hat die unfehlbare Kirche als einen Leuchtturm mitten in die Welt hineingestellt, damit alle, die nach der Wahrheit verlangen, auf ihn ihre Blicke hinwenden. Was bedeutet nun die Unfehlbarkeit der Kirche?
Die Kirche ist unfehlbar heißt: Sie kann nicht irren und fehlen, wenn sie uns die Lehre Jesu Christi verkündet und erklärt.
Ihre Unfehlbarkeit erstreckt sich einzig und allein auf die Wahrheiten des Glaubens und auf jene Sittenlehren, welche unmittelbar mit ihnen zusammenhängen, und als erste und nächste Folgerung aus ihnen hervorgehen.
Die Kirche ist unfehlbar, weil der Heilige Geist als der Geist der Wahrheit durch seinen Beistand verhindern wird und nie zulassen kann, dass sie von der Lehre Jesu Christi abweicht und eine Lüge oder ein sündhaftes Gebot zum Glauben oder zur Verfolgung vorschreibt.
Christus musste seiner Kirche diese Gabe der Unfehlbarkeit verleihen.

Wenn in irgend einer Zeit religiöse Kämpfe die Gemüter aufregen und verwirren: wenn die Einen rufen: Hier ist Christus! und die Andern antworten: Nein, dort ist Christus! - ist da niemand auf Erden, der endgültig und unfehlbar die Wahrheit vom Irrtum unterscheidet, und dessen Wort den Streit schlichtet? Wenn die Kirche die Bestimmung hat, die Offenbarung Jesu Christi aller Welt zu erhalten und rein und unverfälscht auch den spätesten Jahrhunderten mitzuteilen, muss sie nicht die Gabe besitzen, endgültig und unfehlbar zu erklären, wo Christus und seine Wahrheit ist? Wenn sie diese Gabe nicht besäße, dann wäre sie nicht die Lehrerin der Völker, der Mund und die Stellvertreterin Jesu Christi! Ihre Stimme wäre ein Wort aus dem Munde eines Menschen ohne höhere Kraft und Geltung, und die Wahrheit müsste in dem Kampfe der Welt und im Widerstreit der Meinungen unterliegen! die Hölle würde über sie siegen! Entweder eine unfehlbare Kirche oder gar keine Kirche!
Oder wer soll sonst einen ausgebrochenen religiösen Streit schlichen? Wer soll die Wahrheit der Offenbarung auf Erden bewahren? Vielleicht die Gelehrten und Weisen, die ihr Leben der Erforschung derselben und den theologischen Studien weihen? Ja, einen Kampf vergrößern und durch ihre Leidenschaft die Streitenden oft noch mehr erbittern und entzweien, das können die Gelehrten: aber ihn lösen und die Herzen versöhnen, das können sie vielfach nicht! Gewöhnlich stößt unter ihnen der Eine wieder um, was der Andere als absolute Wahrheit behauptet hat. Und selbst, wenn Einer die Wahrheit gefunden hätte, so ist sie doch immer ein Wort aus fehlbarem, menschlichem Mund, dem jede höhere Autorität abgeht und welches darum nicht jeden Zweifel verscheuchen kann!
Oder ist es die Heilige Schrift, die von dem Heiland bestimmt wurde, religiöse Streitigkeiten endgültig und unfehlbar zu entscheiden?
Die verschiedensten und widersprechendsten Ansichten haben sich von jeher auf die Bibel berufen, und Jeder hat sie in seinem Sinne ausgelegt. Die Menschen tragen ihre Meinungen in sie hinein und lesen sie dann wieder aus ihr heraus. Ein totes Buch, das nicht reden kann und das erst seiner Erklärung durch einen menschlichen Mund bedarf, kann nicht der unfehlbare Lehrer der Welt sein: und die Heilige Schrift, die so viele dunkle und schwer zu erklärende Sätze enthält, ist oft unvermögend, allein die oberste Schiedsrichterin in einem religiösen Streit zu bilden.
Wenn darum der Heiland nicht wollte, dass religiöse Kämpfe ohne Ende seine Kirche verwirren und die Wahrheit selbst in Gefahr käme, in Lüge verkehrt zu werden, so musste er seine Kirche mit der Gabe der Unfehlbarkeit ausrüsten. Gott stellte die Mutter an die Seite des Kindes und lässt den Menschen aus dem geheiligten Schoße einer Familie emporwachsen.
Wird er der Kirche, die sein heiliger Leib und seine auserwählte Braut ist, die er aus seinem Blute zum Heile der Welt schuf, nicht jene Gnaden gegeben haben, die ihr nötig sind, damit sie ihren Beruf auf Erden erfülle?

Geist der Wahrheit

Er verlieh ihr seinen Geist, der von ihm und dem Vater ausgeht: und dieser Geist der Wahrheit und sein fortgesetzter Beistand bewirkt, dass sie von der Wahrheit nicht abweicht und ihr Wort nicht trügt.
Von diesem Beistand Jesu Christi und von dem des Heiligen Geistes überzeugt tritt sie mit einer höheren Autorität vor die streitende Welt und verlangt Gehorsam von ihren Kindern: und jene, welche treue Kinder ihrer Mutter sind, geben sich glaubensvoll ihrem Wort hin, weil sie in ihm einen Ausspruch des Heiligen Geistes verehren. Vom Anbeginn der Welt hat der Herr eine gewisse Unfehlbarkeit allen denjenigen verliehen, welche in seinem Namen zu den Menschen sprachen und die Pflicht des Glaubens von ihnen verlangten. Er wandelte mit den ersten Menschen selbst im Paradiese und lehrte sie mit unfehlbarem Munde. Er redete mit seinem Volk durch die Patriarchen und Propheten, durch welche sein Geist mit ihm sprach. Unser Heiland erschien dann in der Fülle der Zeiten, und freudig und zweifellos konnten die Menschen seinen Worten und seiner Offenbarung sich hingeben. Sollte im neuen Bund der Gnade das unfehlbare Wort Gottes gänzlich mangeln? Ohne die Unfehlbarkeit wäre die Kirche vergebens gestiftet, und die Wahrheit, die der Herr in ihr niederlegt, wäre längst von ihr gewichen. Wir würden trotz der Kirche wie irrende Wolken von jedem Winde der Lehre hin- und hergetrieben. Der Herr hätte uns eine Quelle geöffnet, um an ihrem reinen Wasser unseren Durst nach Wahrheit zu befriedigen und er hätte zugleich zugelassen und nicht verhindert, dass ihr Wasser durch giftige Zusätze verderblich für uns würde.

Was aber unsere Vernunft von Gott im Hinblick auf den Zweck und die Bestimmung der Kirche fordert, das hat der Heiland, wie die klaren Worte der Heiligen Schrift uns versichern, seiner Kirche auch gewährt. Er hat ihr zu allen jenen Gnaden, ohne welche sie ihren erhabenen Beruf unter den Menschen nicht erfüllen könnte, den Beistand des Heiligen Geistes und seinen beständigen Schutz hinzugefügt, damit sie von der Wahrheit nimmermehr abweiche und als unfehlbare Lehrerin in der Welt auftrete.

Als er kurz vor seiner Himmelfahrt seine Jünger hinaussandte zu allen Völkern, um das Evangelium ihnen zu verkünden, so sprach er zu ihnen: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. So gehet denn hin, lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie alles halten, was ich euch gesagt habe. Und siehe ich bin bei euch bis an das Ende der Welt" [Matth. 28,18-20]. Mit diesen Worten schickt er seine Apostel als seine Stellvertreter und Nachfolger in die ganze Welt. Mit derselben Gewalt ausgerüstet, die er von seinem Vater im Himmel empfing, sollten sie vor allen Völkern der Erde erscheinen. Sie sollten lehren in seinem Namen: sie sollten taufen und Gebote in seiner Gewalt und Macht geben.
An seiner Stelle sollten sie und ihre Nachfolger stehen, und das gleiche tun wie er. Und damit sie dieses könnten, damit sie Lehrer der Weisheit seien, wie er: damit sie Spender seiner Sakramente und rechtmäßige und verständige Hirten der Gläubigen seien wie er, so versprach er ihnen, dass er bei ihnen, an ihrer und aller ihrer Nachfolger Seite bis zum Ende der Welt bleiben werde. Wenn aber Jesus Christus, die unfehlbare Weisheit, bei den Aposteln und allen ihren Nachfolgern ist, so können sie, durch diesen Beistand geschützt, in keinem Augenblick von der Wahrheit abweichen. Wenn in einem einzigen Fall die Kirche in Irrtum verfiele, dann wäre die Verheißung Jesu Christi nicht bloß eitel und unerfüllt, sondern der Heiland selbst wäre wortbrüchig! Eine fehlbare Kirche stünde nicht mehr in seinem Namen und seiner Kraft in der Welt! Das Wort aus ihrem Munde muss untrüglich und unfehlbar sein, wie das aus dem Munde Jesu Christi selbst! Dem Herrn schien aber dieser sein Beistand noch nicht genug zu sein, um seine Kirche in der Wahrheit zu erhalten. Er gab ihr noch einen anderen Schutz: denn es handelte sich um das höchste Interesse der Menschheit, um die Wahrheit, die allein im Stande ist, die Welt von Irrtum und Sünde frei zu erhalten und dem ewigen Leben entgegenzuführen. Er sprach darum zu seinen Jüngern vor seiner Himmelfahrt: "Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, damit er in Ewigkeit bei euch bleibe, den Geist der Wahrheit. Wenn jener Geist der Wahrheit kommt, so wird er euch alle Wahrheit lehren" [Joh. 14,13]. Dieses Versprechen erfüllte er schon am Pfingstfeste: und der Heilige Geist, der einstens die Propheten erleuchtete und dem Erlöser in geheimnisvoller Weise die Wege auf Erden bereitete, kam über die Apostel herab, und er bleibt bei der Kirche bis zum Ende der Tage. Wo der Heilige Geist wohnt, kann nicht Unwahrheit sein: denn er ist wesentlich das Licht und der Geist der Wahrheit.

Wenn die Kirche fehlbar wäre, und nur ein einziges Mal von der Wahrheit abweichen würde, dann wäre auch diese Verheißung Jesu Christi eine Lüge, und der Heilige Geist wäre nicht in Ewigkeit bei der Kirche! Wohl sind es fehlbare Menschen, welchen das Lehramt derselben anvertraut ist und die ihren Lehrkörper bilden und Untrüglichkeit und Irrtumslosigkeit ist keine Eigenschaft ihrer Natur. Unfehlbar von Natur aus ist Gott allein. Aber der Heiland und der Heilige Geist stehen den fehlbaren Menschen zur Seite und sie bewirken durch diesen Beistand, dass die aus sich fehlbaren Menschen von der Wahrheit nicht abweichen. Sie verhindern durch ihren Schutz, dass der Lehrkörper der Kirche keinen Irrtum statt der Wahrheit dem christlichen Volk vortrage und dass sie selbst in Irrtum falle.

Petrus der Fels

Ferner sprach der göttliche Heiland zu dem heiligen Petrus, den er zum sichtbaren Oberhaupt seiner Kirche erwählt hatte: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen" [Matth. 16,18]. Der Heiland vergleicht seine Kirche mit einem Gebäude, das auf Felsengrund ruht und ihm seine Festigkeit verdankt: und er sagt, dass deshalb keine Gewalt der Erde und nicht die Pforten der Hölle gegen dasselbe etwas vermögen. Die gefährlichsten Stürme, die sich aber gegen die Kirche erhoben haben, und die überhaupt sich gegen sie erheben können, sind jene, welche die Reinheit des Glaubens gefährden. Der Glaube ist die Bedingung des Heiles und der Seligkeit, die Ursache unserer Hoffnung und die Grundlage des ganzen christlichen Lebens. Wenn seine Reinheit Schaden leidet, dann ist es um die Kirche geschehen. Ihr Leben ist nur eine Entfaltung des Glaubens. Der ganze Kultus, die Spendung der heiligen Sakramente, die kirchliche Verfassung hängt auf das innigste mit ihm zusammen. Die Kirche kann unmöglich in Irrtum fallen: denn sie wird von einer unerschütterlichen und untrüglichen Grundlage getragen. Und wäre es möglich, dass der Lehrkörper derselben nur ein einziges Mal von der Wahrheit und der reinen Lehre Jesu Christi abwiche, dann wäre wieder die Verheißung des Heilandes zur Unwahrheit geworden. Wenn der Felsengrund wanken würde, dann würde das ganze Gebäude, das auf ihm ruht, zusammenstürzen.

Säule und Grundfeste der Wahrheit

Deswegen nennt der heilige Paulus die Kirche des lebendigen Gottes die "Säule und Grundfeste der Wahrheit" [1.Tim. 3,15]. Durch die Säule und Grundfeste eines Gebäudes wird das Gebäude selbst getragen und jeder Teil eines Hauses ruht auf ihr. Ist die Säule und Grundfeste unerschütterlich, so wird alles, was auf ihr errichtet ist, an ihrer Festigkeit Teil nehmen. So ist der Glaube des einzelnen Gläubigen insofern irrtumsfrei, insofern er mit der Lehre der Kirche übereinstimmt, welche eine Säule und Grundfeste der Wahrheit ist und darum die Unfehlbarkeit besitzt. Könnte sie von der Wahrheit abirren und wäre sie fehlbar, so würde der Glaube eines jeden Gliedes derselben seiner Gewissheit entbehren, und sie selbst verdiente nicht die Säule und Grundfeste der Wahrheit genannt zu werden. Wollte man, wie die Reformation, diese Stelle des heiligen Paulus so deuten, dass die Kirche nur deshalb die Säule und Grundfeste der Wahrheit genannt wird, weil sie selbst von der Wahrheit unterstützt und getragen wird, so liegt auch in dieser Erklärung die Unfehlbarkeit derselben: denn wenn sie stets von der Wahrheit unterstützt und getragen wird, so kann sie unmöglich von ihr abirren und der Unwahrheit preisgegeben werden!

Die Kirche war sich ihrer Unfehlbarkeit immer bewusst. Wenn sie ihre Stimme erhob, um Gläubigen zu belehren oder ein Gebot ihnen aufzulegen, so tat sie das unter Hinweisung auf den Beistand des Heiligen Geistes, der durch sie redete. Die Apostel, welche auf dem ersten Konzil zu Jerusalem versammelt waren, um einen Streit, der wegen der Beobachtung des jüdischen Zeremonialgesetzes entstanden war, zu schlichten, begleiteten ihr Urteil mit den Worten: "Dem Heiligen Geist und uns hat es gefallen, euch keine weiteren Last aufzulegen" [Apg. 15,28], um die Quelle anzugeben, aus der sie ihre Entscheidung geschöpft hatten, und zugleich auf die Verbindlichkeit derselben hinzuweisen. Und ihre Nachfolger haben zu allen Seiten fortgefahren, so zu reden und zu tun. Entweder ausdrücklich oder stillschweigend berief sich die Kirche bei allen Entscheidungen in Hinsicht auf eine Lehre des Glaubens oder eine Sittenvorschrift auf den Heiligen Geist, der ihre Beratungen durch seinen Beistand leitet und durch ihren Mund spricht. Sie war sich zu allen Zeiten dieser ihrer Unfehlbarkeit so sehr bewusst, dass sie die Gläubigen unter Androhung der Ausschließung von ihrem Schoße und der ewigen Verdammnis zum Gehorsam gegen ihr Wort verpflichtete. Unmöglich hätte sie so handeln können, wenn die leiseste Möglichkeit bestand, dass sie irren konnte. "Gegen das, was die gesamte Kirche glaubt, sich auflehnen wollen, ist", wie der heilige Augustinus sagt, "die verwegenste Torheit" (Epist. 118). "Die Kirche ist nicht gesendet, um mit Vernunftgründen zu streiten, sondern das mitzuteilen, was ihr anvertraut wurde."
Der Beistand des Heiligen Geistes schließt die Tätigkeit des menschlichen Verstandes nicht aus. Die Kirche wendet daher auch die natürlichen Mittel an, um der Wahrheit einer Lehre der Offenbarung nahe zu kommen, die Geschichte, die Tradition und die menschliche Vernunft; allein diese Untersuchungen sind nur die menschlichen Vorbereitungen, welche der Tätigkeit des Heiligen Geistes vorausgehen. Der Geist Gottes und Jesus Christus steht der Kirche bei diesen Untersuchungen bei, dass sie die Wahrheit findet, und er lässt es nicht zu, dass sie bei ihrer Entscheidung in Irrtum fällt. Der Ausspruch der Kirche ist darum nicht das Resultat menschlichen Denkens, sondern er ist durch den Beistand des Heiligen Geistes zustande gekommen.

Konzil

Dieses unfehlbare Lehramt der Kirche wurde in verschiedener Weise im Laufe der Zeit ausgeübt. In feierlichster Weise geschieht das durch ein allgemeines oder ökumenisches Konzil.

allgemeines Konzil

Ein allgemeines Konzil nennen wir dasjenige, bei welchem die Bischöfe aus den verschiedenen Länder des Erdkreises, wenn auch nicht alle, doch in großer Anzahl versammelt sind, um in Vereinigung mit dem Papst als dem Oberhaupt der Kirche Entscheidungen über Lehren des Glaubens oder der Sitten zu geben. In einer solchen Versammlung ist der ganze Lehrkörper der Kirche vereinigt: und da derselbe auf die leichteste Weise von dem Glauben derselben Zeugnis ablegen und über ihn sich aussprechen kann, so gelten von ihm die Verheißungen, welche der Heiland seiner Kirche gegeben. Seine Entscheidungen sind unfehlbar im Heiligen Geiste. Ein allgemeines Konzil, auf welchem die Verheißungen Jesu Christi ruhen sollen, muss von dem Oberhaupt der Kirche berufen sein. Dem Papst gebührt das Recht des Vorsitzes und der Leitung desselben: und nur jede Beschlüsse können Ausspruch auf Gültigkeit haben, welche von ihm bestätigt worden sind. Auch muss natürlich jeder einzelne Bischof die notwendige physische und moralische Freiheit haben, seine Meinung und Stimme abzugeben. Ein Konzil ohne den Papst ist nicht denkbar, weil ein lebendiger Leib ohne Haupt nicht gedacht werden kann. Würde eine noch so große Anzahl von Bischöfen sich irgendwo versammeln, ohne dass der Papst eine solche Versammlung berufen hätte oder leiten und ihre Beschlüsse bestätigen würde, so könnte diese nicht ein Konzil genannt werden. Es wäre ein toter Rumpf ohne das Haupt, und in einer solchen Versammlung sind die Verheißungen Gottes nicht lebendig! Das unfehlbare Lehramt der Kirche spricht sich ferner aus, wenn alle auf dem Erdboden zerstreuten Bischöfe oder doch ein größerer Teil derselben einer vom Papst gegebenen Erklärung ausdrücklich beistimmen, oder auf irgendeine andere Art, wenn auch nur stillschweigend, sich zu ihr bekennen. Sicher ist der Beistand Jesu Christi und des Heiligen Geistes nicht an einen Ort oder an die körperliche Vereinigung der Bischöfe geknüpft. Er ist alle Tage in der Kirche tätig bis an das Ende der Welt: und die Unfehlbarkeit derselben kann unmöglich auf jene kurzen Augenblicke beschränkt werden, in denen der Lehrkörper an einem bestimmten Orte versammelt ist. Sind die Bischöfe des Erdkreises geistigerweise vereinigt, so bilden sie auch in dieser Form das Lehramt der Kirche und erfreuen sich des Beistandes des Heiligen Geistes. Zahlreiche Irrlehren wurden durch diese Übereinstimmung der zerstreuten Bischöfe entschieden und im Jahre 1854 das Dogma der Unbefleckten Empfängnis der seligsten Jungfrau in dieser Weise der christlichen Welt verkündet. Ebenso wenn der Heilige Vater als Haupt und Lehrer der Christenheit eine Entscheidung in einer Lehre des Glaubens und der Sitten für die ganze Kirche fällt, so verehren wir in einem solchen Ausspruch die Stimme des unfehlbaren Lehramtes der Kirche. Das ist das Dogma, welches von dem vatikanischen Konzil verkündet wurde. Der Papst ist als Haupt der Kirche ihr Mund. Warum sollte er, der im Namen der ganzen Kirche redet, nicht die Gaben und Gnaden, welche ihr verliehen sind, in solchen Augenblicken besitzen? Eine Entscheidung des kirchlichen Lehramtes durch ein allgemeines Konzil und durch die zerstreute Kirche ist nicht immer und nicht so leicht zu erhalten. Die Einholung eines solchen Ausspruches des unfehlbaren Lehramtes kann auf längere Zeit gänzlich unmöglich werden. Sollte Gott nicht Vorsorge getroffen haben, dass dieses noch in einer anderen Weise sich äußert, sodass seine Stimme leichter zu allen Zeiten sich vernehmbar macht und gehört wird? Er hat dem Heiligen Vater, welcher der Vater und Lehrer aller Christen ist, dem er die volle Gewalt gegeben, seine Kirche zu regieren, und dessen Stimme alle Gläubigen von jeher mit ehrerbietigem Gehorsam sich hingegeben haben, die Gabe der Unfehlbarkeit verliehen, wenn er in seinem Amt als Lehrer der Kirche auftritt und handelt. Man hat aus der Unfehlbarkeit des Heiligen Vaters ein Zerrbild gemacht, um daselbe um so besser angreifen, verspotten und verleumden zu können. Man hat die Unfehlbarkeit desselben mit einer Unsündlichkeit und allgemeinen Irrtumslosigkeit verwechselt. Alle diese und andere Behauptungen sind lügenhafte Entstellungen dessen, was die Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes besagt.

Papst kann irren

Der Papst kann sündigen, wie wir alle: er kann Unrecht tun, in einer Sünde beharren und ewig verloren gehen. Er ist der Möglichkeit des Irrtums ausgesetzt, wie alle anderen Menschen.
Er kann irren in wissenschaftlichen Dingen und Bestrebungen, wenn er solche übernimmt. Er kann irren, wenn er als Landesherr und Fürst seines irdischen Gebietes Anordnungen trifft und Gesetze für dasselbe gibt.
Er kann sogar irren, wenn als Bischof seiner eigenen Diözese in Rom oder als Patriarch des Abendlandes etwas tut.
Er kann selbst in Glaubens- und Sittenlehren als Privatperson eine falsche und irrige Meinung haben.
Nur in einem einzigen Fall kann er nicht irren, wenn er, wie das vatikanische Konzil sagt, als Hirte und Lehrer der Christen kraft seiner höchsten apostolischen Gewalt eine Entscheidung in Glaubens- und Sittenlehren gibt, welche von der ganzen Kirche festzuhalten ist.
Das und nichts anderes, nicht mehr und nichts weniger besagt die Lehre von der Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes!
Die Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes ist im strengsten Sinne des Wortes eine Amtsgnade, wie das vatikanische Konzil noch hinzugefügt hat. Der Papst ist unfehlbar in Glaubens- und Sittenlehren "vermöge des göttlichen Beistandes, welcher ihm in dem heiligen Petrus ist versprochen worden". So oft der Heilige Vater seines Amtes als oberster Hirte und Lehrer der Christenheit in der angegebenen Weise waltet, ist er durch den Beistand des Heiligen Geistes, der dem heiligen Petrus und seinen Nachfolgern auf dem päpstlichen Stuhle versprochen und mitgeteilt worden, vor jedem Irrtum gesichert und bewahrt. Die Unfehlbarkeit der päpstlichen Lehrentscheidungen ruht deswegen nicht in der Gelehrsamkeit, in den Geistesgaben, auch nicht in der persönlichen Tugend und Heiligkeit eines Papstes, sondern in dem Beistand des Heiligen Geistes, der ihn, welcher sonst ein fehlerhafter und dem Irrtum unterworfener Mensch ist, in diesen wichtigen Amtshandlungen, so oft er als oberster Richter des Glaubens und der Sitten eine Entscheidung gibt, vor jedem Irrtum zum Heile seiner Kirche schützt. Ein besonderer Beistand Gottes und des Heiligen Geistes steht dem Heiligen Vater in solchen wichtigen Amtshandlungen zur Seite, wie ja auch bei einem Konzil nicht die Weisheit und Gelehrsamkeit, noch die Tugend und Heiligkeit der versammelten Bischöfe, sondern der Beistand des Heiligen Geistes, der der Kirche verheißen und gegeben ist, die Möglichkeit eines jeden Irrtums ausschließt.

(Q: Das dreifache Reich Gottes, von Pfarrer Joseph Reiter, 1911)


Siehe auch: Roemisch katholische Kirche