Kamillus von Lellis
Der heilige Kamillus von Lellis
Stifter der Versammlung der Krankendiener oder Väter vom guten Tode
Fest
Vorwort
Wo die Wahrheit ist, da ist auch die Liebe und die Liebe ist immer die fruchtbare Mutter der guten Werke, besonders der Werke der Barmherzigkeit. Schon daraus, dass die heilige katholische Kirche so zahlreiche, bewunderungswürdige Stiftungen zu Hilf und Trost der leidenden Menschheit aufzuweisen hat, zeigt sie, dass sie die volle Wahrheit besitzt, weil in ihr solche Liebe waltet. Der Irrtum und die Lüge sind unfruchtbar, ihnen fehlt es an der Liebe, daher findet man denn auch bei den Irrgläubigen so wenig Aufopferung, so wenig Hingabe für die leidenden Brüder. Die barmherzigen Schwestern und Brüder, die Schulbrüder und Schulschwestern, der Orden zur Erlösung der Gefangenen, zur Erziehung verwahrloster Kinder, zur Rettung gefallener Mädchen, zur Besserung von Verbrechen und so auch der Orden der Krankendiener oder Väter vom guten Tode sind Früchte der Liebe, welche nur in der katholischen Kirche gewachsen sind und gedeihen. Der Stifter der Väter vom guten Tod ist der heilige Kamillus von Lellis.
Das Leben und Wirken des hl. Kamillus von Lellis
Er wurde im Jahr 1550 im Königreich Neapel einem Kriegsmann von einer schon hochbetagten Mutter geboren. Als ihn diese noch unter dem Herzen trug, schien es ihr einst im Schlafe, als bringe sie einen Knaben zur Welt, der auf der Brust ein rotes Kreuz trage und noch andere mit eben einem solchen Kreuze bezeichnete Knaben führe. Dieses Gesicht ging in Erfüllung, als Kamillus später den Orden stiftete, dessen Brüder nach dem Willen des Papstes an ihrem Kleid ein rotes Kreuz auf der rechten Seite der Brust tragen.
Sein Vater vernachlässigte seine Erziehung; er wurde in die Schule geschickt, lernte aber nur notdürftig lesen und schreiben, dafür aber wurde er mit Karten- und Würfelspiel bekannt und trieb sie leidenschaftlich. Im 18. Jahr trat er in Kriegsdienste und zog mit seinem Vater gegen die Türken, wurde aber krank und bald darauf starb sein Vater, der ihm nichts hinterließ, als was er auf dem Leib hatte. Zu noch größerem Unglück bekam er Geschwüre an beiden Füßen. Er verdingte sich nun als Krankenwärter in das Spital der Unheilbaren zu Rom, um da geheilt zu werden. Allein er entsagte dem Spiele nicht und wurde davongejagt. Er nahm jetzt wieder Kriegsdienste gegen die Türken, wurde aber nach dem Frieden ohne Lohn entlassen. In der größten Not leistete er nun Handlangerdienste bei einem Bau der Kapuziner, wo er abermals dem Spiel sich hingab und einmal bis aufs Hemd alles verlor. Der Winter war streng, seine Not war groß, doch Gott verließ ihn nicht ganz. Einst hörte er wider Willen eine Predigt, die ihn beunruhigte und zum Nachdenken bracht und als ihm eines Tages der Kapuziner-Guardian eine rührende Ermahnung gab, da gingen ihm die Augen auf; er erkannte nun, wie gottvergessen er bisher gelebt, beweinte bitterlich seine Sünden, beichtete sie alle aufrichtig einem frommen Priester und bekehrte sich vollständig. Er fasste nun den Entschluss, ganz der Welt zu entsagen und suchte zuerst bei den Kapuzinern und dann bei den Franziskanern um Aufnahme nach, allein wegen seiner kranken Füße wurde er abgewiesen. Nun trat er in das Spital St. Jakob zu Rom, wo er vier Jahre den Kranken und Presshaften diente und ganz besonders gerne den Sterbenden beistand, denen er vorbetete, den Schweiß trocknete, das Lager bereitete und vor allem Ergebung in Gottes Willen einzuflößen trachtete. Während des beschwerlichen Krankendienstes und beständigen Leidens an seinen Füßen, übte er die strengsten Bußwerke und betete ununterbrochen. Wegen seines liebevollen Eifers im Dienst der Kranken wurde er zum Vorsteher des Spitals erhoben.
In diesem Amt hatte er oft Gelegenheit zu bemerken, mit welcher Härte und Gefühllosigkeit die Krankenwärter, welche um Lohn gedungen waren, die armen Kranken behandelten. Dieser Anblick durchschnitt ihm das Herz, und es kam ihm der Gedanke, eine Gesellschaft frommer Personen zu stiften, welche aus Liebe zu Jesus und um Gotteslohn die Kranken pflegen sollten. Als er seinen Plan äußerte, fand er bald zu seiner Freude gleichgesinnte Herzen, die sich ihm anschlossen. Die Personen, welche mit ihm nun den Krankendienst verrichteten, waren aber noch Weltleute, nur ein paar Priester hatten sich beigesellt. Da gab ihm sein Beichtvater, der heilige Philippus Neri, den Rat, sich zum Priester weihen zu lassen. Allein er konnte nur notdürftig lesen und schreiben, doch verlor er den Mut nicht. Mit unausgesetztem Fleiß studierte er jetzt und brachte es mit der Hilfe des Herrn bald dahin, dass er, mit den nötigen Kenntnissen versehen, die heilige Priesterweihe empfangen konnte. Er war jetzt 32 Jahre alt und wurde bei der Kirche unserer lieben Frau von den Wundern als Seelsorger angestellt. Er vergaß aber seine lieben Kranken nicht, sondern stiftete jetzt in einem Kloster bei der genannten Kirche den Orden der Väter vom guten Tod und erhielt auch vom Papst Sixtus V. Die Bestätigung der Regel und die Erlaubnis, auf der Brust ein rotes Kreuz zu tragen. Die Brüder dieses Ordens musste nebst den drei gewöhnlichen Gelübden auch noch ein viertes ablegen, „den Kranken bis zum Tode beizustehen“. Es war nämlich dem heiligen Kamillus nicht genug, die Kranken, selbst die Pestkranken, zu pflegen, sondern er wollte auch ihre Seelen retten, und daher verpflichtete er sich und die Brüder, die Kranken und Sterbenden bis zum letzten Hauche nicht zu verlassen und ihnen durch Gebet, durch Empfang der heiligen Sakramente, durch heilsame Ermahnungen und Zurufe beizustehen, damit sie eines guten Todes stürben.
Anfangs hatte auch sein Orden, wie alles Gute in der Welt, heftige Widersprüche zu erdulden; allein im Vertrauen auf Gott besiegte er alle und erhielt nun nach einigen Jahren ein bequemes Haus für seine Genossen. Diese wollte er zu wahrhaft liebevollen Krankendienern heranbilden, er selbst ging ihnen mit dem besten Beispiel voran. Er lehrte sie kurze Seufzer, die man Schlussgebetlein nennt, den Sterbenden vorbeten und übte sie besonders in der Betrachtung des Leidens Jesu, um die Kranken damit zu trösten. Auch mussten die Brüder die Sterbenden in den Häusern besuchen und ihnen im Tod bestehen; selbst auf die Schiffe eilten sie, um die an der Pest darniederliegenden Sterbenden zu trösten und zum letzten Kampf zu stärken. Vor allem aber glühte das Herz des heiligen Kamillus vom brennenden Eifer für die Kranken und Sterbenden. Er hatte nur das einzige Verlangen, sie alle für den Himmel zu gewinnen. Wie ein Engel erschien er am Krankenbett und gar viele Augenzeugen, unter denen der heilige Philipp Neri selbst, sahen auch Engel an der Heiligen und seiner Brüder Seite.
In der Bulle der Heiligsprechung steht von ihm geschrieben, dass die zärtlichste Mutter mit ihrem einzigen, kranken Kind nicht besser umgehen könnte, wie Kamillus mit den Kranken. Er reichte ihnen Speise und Arznei, reinigte ihre Betten und Zimmer, verband ihre Wunden, tröstete, ermunterte sie und sann auf alle Mittel, um ihnen Erleichterung zu verschaffen. – Sein Herz floss aber von Liebe und Erbarmen über, wenn er Kranke pflegte, die ekelhafte Wunden hatten oder wegen üblen Geruchs und scheußlicher Geschwüre Widerwillen erregten. Ganze Nächte verließ er sie nicht, obwohl er selbst sehr große Schmerzen an seinen Füßen litt und mehrmals wegen Kraftlosigkeit und Schwäche ohnmächtig hinweggetragen werden musste.
Zur Zeit der Pest, welche damals in Rom und anderen Städten wütete, wirkte er wahrhafte Wunder der Liebe. Er eilte durch die Gassen und drang mit den Seinigen in die Häuser, während alles floh, und kam den Notleidenden zu Hilfe. Fand er auf der Straße von der Pest ergriffene Menschen, so nahm er sie auf seine Schultern und trug sie in das Spital, wo er sie liebevoll pflegte, ohne den Tod zu fürchten. Von Rom aus eilte er nach Mailand und Nola, um dort den Pestkranken Hilfe zu leisten. Während er diese wunderbaren Werke der Liebe ausübte, vergaß er auf sich selbst nicht. Täglich beweinte er die Sünden seiner Jugend und hielt sich nicht für würdig, unter den Menschen zu leben. Wollte man ihn betrüben, so durfte man ihn nur loben, denn alle Ehre war ihm verhasst. Niemals ließ er sich einen Ordensstifter nennen und obwohl er 27 Jahre das Amt eines Obern bekleidete, ruhte er doch nicht eher, als bis er von diesem Amt befreit war und als einfacher Bruder im Kloster dienen und gehorchen konnte. Obwohl schon im hohen Alter und fortwährend mit den Kranken und Sterbenden beschäftigt, hörte er doch nicht auf, seinen Leib zu züchtigen, zu wachen und zu fasten. Als er kaum mehr gehen konnte, schleppte er sich doch noch von Bett zu Bett, um nachzusehen, ob seinen lieben Kranken nichts fehle und ihnen heilsame Zusprüche zu erteilen. Oft hörte man ihn die Worte des heiligen Franziskus ausrufen:
Das nahende Ende seines irdischen Lebens
Ein Jahr vor seinem Tod besuchte er die Ordenshäuser, welche er in verschiedenen Städten gegründet hatte. Zu Genua wurde er krank, aber kaum gesund, betrat er wieder die Spitäler, denn von seinen Kranken wollte er sich nicht trennen. Jetzt aber ergriff ihn die Krankheit aufs Neue und sein Tod nahte heran. Als man ihm dies ankündigte, rief er freudig aus:
Er ließ sich die heiligen Sakramente reichen und als man ihm den hochheiligen Leib des Herrn zeigte, rief er mit Tränen in den Augen aus:
Und doch hatte er ein so heiliges Leben geführt und täglich mit der innigsten Zerknirschung und Andacht gebeichtet. Wie er vorhergesagt, starb er am 14. Juli 1614. Seine letzten Worte waren : Jesus, Maria!
Abbildung des hl. Kamillus
Er wird abgebildet im schwarzen Ordenskleid und Mantel, ein rotes Kreuz auf der Brust, einen Engel an der Seite.
Warum und wie man den Sterbenden beistehen soll
Der jedes Herz ergreifende Anblick eines Sterbenden und die Besorgnis um das Heil der Seele desselben war es, was den heiligen Kamillus auf den Gedanken führte, die Brüder seines Ordens insbesondere zu verpflichten, jedem Kranken, der das Zeitliche segnete, bis zum letzten Hauch seines Lebens beizustehen. Das Sterben ist an und für sich schon ein harter Kampf, denn Sterben heißt: diese Welt verlassen, alles verlassen, was man zu besitzen meinte, alles verlassen, was man bisher geliebt, was bisher das Herz erfreut hat; Sterben ist Trennung der Seele vom Leib, ist gänzliche Auflösung des Leibes; Sterben heißt Hinabsinken in das kalte, dunkle Grab, wo der Leib eine Speise der Würmer wird und auch seine Gebeine vermodern; Sterben heißt: wandern in die dunkle Ewigkeit, von wo keine Rückkehr mehr ist. Schon dieser Gedanke ängstigte den Sterbenden und macht ihm den Tod so bitter, aber noch mehr der Gedanke: wohin kommt meine Seele? Wie wird sie bestehen vor Gottes Gericht, welch Urteil wird sie vernehmen? Und wenn dann der Sterbende sein ganzes Leben überschaut, all die Zeit, die er durchlebte, und er nun sieht die Menge seiner Sünden und die geringe Zahl seiner guten Werke, wenn er betrachtet die Gnaden Gottes, und wie wenig er sie benützte, ach da wird wahr, was geschrieben steht: „Schrecken über Schrecken wird über dich kommen.“
Wenn der heilige Kamillus, dieser so treue Diener des Herrn, auf dem Todbett gezittert hat und nur im Blut Christi Hoffnung und Vertrauen suchte, wie wird es dann dem armen Sünder ergehen, der so lau und nachlässig hingelebt hat! Was aber die Angst des Sterbenden aufs Höchste mehrt, das sind die Angriffe des bösen Feindes, der, wie der heilige Alphonsus sagt, „alle Gewalt anwendet, um die Seele, die im Begriff steht, die Welt zu verlassen, ins ewige Verderben zu stürzen; denn er weiß, dass ihm nur wenig Zeit noch übrig bleibt, um dieselbe zu gewinnen, und dass, wenn sie jetzt für ihn verloren geht, er dieselbe für immer verloren hat.“ Dieser ewige Widersacher Gottes und Feind des Menschen wird es versuchen, der Seele den Glauben und das Vertrauen auf den göttlichen Heiland zu rauben und sie in Verzweiflung zu stürzen.
– Verlassen nun von aller Welt, selbst kraftlos und an Geist und Leib ermattet, liegt der Sterbende da, vor sich die Ewigkeit und das Gericht, hinter sich ein nicht heilig zugebrachtes Leben, neben sich den bösen Feind; o wie bedarf da derselbe so dringend des Beistands guter Freunde, die ihn trösten, ermutigen und mit und für ihn bitten um Erbarmen! Jesus Christus will, dass alle seine Jünger ihren Mitmenschen in jeder Not beispringen und nach ihren Kräften helfen sollten, und hat überaus großen Lohn dafür verheißen. Niemand aber befindet sich in größerer Not als der Sterbende; sollst du daher nicht, christliche Seele, das Beispiel des heiligen Kamillus nachahmen und den Kranken zu einem guten Tod verhelfen?
Wie sollst du dich aber dabei benehmen? Es ist nicht genug, dass du am Bett des Kranken stehst und etwa jammernd zuschaust, wie er in Schmerzen und Ängsten daliegt, du sollst vor allem recht innig und herzlich für den Kranken und Sterbenden beten und soviel du kannst ihm Erleichterung verschaffen; sein Bett zurechtrichten, ihm den Schweiß abtrocknen, seinen Durst stillen usw. Dann sollst du ihm mit recht sanften, herzlichen Worten zureden, dass er, wenn er es etwa noch nicht getan hat, die heiligen Sakramente empfange, sich mit Gott versöhne, und dann auch sein Zeitliches in Ordnung bringe. – Der Kranke, welcher den Tod vor Augen sieht, bedarf besonders des Trostes, der Ermunterung und der Ergebung in Gottes Willen. Daher sollst du ihm, so herzlich du es vermagst und langsam kurze Gebet oder Seufzer zurufen, die seine Seele zur Liebe Jesu entflammen, zum Vertrauen auf ihn ermuntern und zur Ergebung aneifern können. Diese Gebete sollen aber kurz sein, und nicht laut und ungestüm, sondern mit sanfter Stimme und in kurzen Zwischenräumem dem Sterbenden vorgesagt werden.
Eine gute Übung ist, ihm das Cruxifix vorzuhalten, ihn einladen es zu küssen und ihn dabei zur Reue über die Sünden und das Vertrauen auf die heiligen Namen Jesus und Maria zu bewegen. Die beste Hilfe aber für den Sterbenden ist immer das Gebet. Der heilige Kamillus verfasste deshalb eigene Gebete, welche für die, so in den letzten Zügen lagen, verrichtet werden sollten. Daher wirf dich in diesem Augenblicke, wo der Sterbende seinen letzten Kampf kämpft, auf die Knie und flehe recht vertrauensvoll zu Jesus und Maria um Gnade und Erbarmen für ihn. Auf solche Weise wirst du eines der verdienstlichen Werke der Nächstenliebe verrichten und gewiss auch den Trost haben, wenn dein letztes Stündlein kommt, nicht verlassen und hilflos den letzten schweren Gang in die Ewigkeit anzutreten.
Gebet
O Jesus, der du am Kreuz im Todeskampf gerufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“, verlasse um der Verdienste deines Todes willen meine arme Seele nicht in der letzten Stunde dieses irdischen Lebens und verleihe mir und allen Sterbenden die Gnade, vollkommen ergeben in den Willen deines himmlischen Vaters und im Vertrauen auf dich in die Ewigkeit einzugehen. Amen.
(Quelle: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Regensburg 1884)